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INTERNATIONAL/110: Kritik am Doing-Business-Ranking, Weltbank kündigt Revision an (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. Oktober 2012

Finanzen: Kritik am Doing-Business-Ranking - Weltbank kündigt Revision an

von Carey L. Biron



Washington, 23. Oktober (IPS) - Die Weltbank hat die Veröffentlichung ihres neuen Berichts 'Doing Business 2013' zum Anlass genommen, um die in den letzten zehn Jahren weltweit umgesetzten unternehmer- und investorenfreundlichen Reformen zusammenzustellen. Zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren jedoch, dass die in den Jahresberichten aufgeführten Indikatoren den Entwicklungsländern eher schaden als nutzen würden.

Wie die Weltbank am 22. Oktober betonte, wurden allein im letzten Jahr weltweit 200 Reformen durchgeführt. 180 Staaten hätten seit der Veröffentlichung der ersten Doing Business-Auflage vor einem Jahrzehnt fast 2.000 Neuerungen umgesetzt, allein ein Drittel seit 2005 im Afrika südlich der Sahara.

Zum Teil hatten die Länder mit ihren Reformen auf die Weltbankberichte reagiert. Sowohl die Entwicklungsländer als auch die Industriestaaten verlassen sich zunehmend auf die Doing-Business-Rankings als Entwicklungsmaßstäbe.


Reformrate in Entwicklungsländern höher

Wie aus dem Doing-Business-Report 2013 hervorgeht, lautete eine der Hauptaussagen des ersten Berichts, dass die Regulierungssysteme von Volkswirtschaften mit niedrigen Einkommen zu schwerfällig seien. "Zehn Jahre später ist offensichtlich, dass sich geschäftsregelnde Praktiken in diesen Volkswirtschaften graduell aber deutlich erkennbar effizienteren und in den Ländern mit höheren Einkommen verbreiteten Praktiken angenähert haben." Die Bretton-Woods-Organisation wies ferner darauf hin, dass die Reformrate in den Entwicklungsländern sogar höher ist als in den Industriestaaten.

Im Verlauf der letzten Dekade ist die durchschnittliche Zeiterfordernis, um ein Unternehmen zu starten, global von 50 auf 30 Tage und die dafür erforderlichen Durchschnittskosten von 89 auf 31 Prozent des Prokopfeinkommens gefallen. "Die Bank ist eine Entwicklungsinstitution und wir sind zuversichtlich, haben die Reformen in den letzten Jahren in Subsahara-Afrika Wurzeln geschlagen", sagte Augusto Lopez-Claros, Direktor der globalen Indikatoren und Analyse der Weltbankgruppe, vor Journalisten. "Im Verlauf der letzten Jahre haben sich durchschnittlich 70 Prozent der Länder in Subsahara-Afrika mindestens um eine wenn nicht gar um mehr Reformen bemüht. 2005 seien es erst 33 Prozent gewesen.

Allerdings geht es bei zwei Dritteln der 2.000 Reformen allein darum, Komplexität und Kosten der Regulierungen zu senken, anstatt den schwierigeren Prozess voranzubringen, die rechtlichen Institutionen zu stärken.

'Doing Business', den die Weltbank gemeinsam mit ihrem Privatsektor-Arm, der Internationalen Finanzkorporation (IFC), herausgibt, ist eines der Flaggschiffe der internationalen Finanzorganisation. Schätzungen zufolge werden deren Indikatoren von 85 Prozent der politischen Entscheidungsträger auf aller Welt verwendet. Der Einfluss der Berichte ist vor allen in den Entwicklungsländern groß, wo die Nachfrage nach Arbeitsplätzen am höchsten ist.

Das Ranking-System des Weltbankberichts ist jedoch umstritten. So lautet ein Vorwurf, dass die Indikatoren vor allem auf die Bedürfnisse der großen Unternehmen ausgerichtet sind. "Es ist nicht so, dass einige Reformen, die von den Doing-Business-Rankings angestoßen worden sind, für die Geschäfte in Entwicklungsländern irrelevant sind", meinte dazu Christina Chang, Wirtschaftswissenschaftlerin der in Großbritannien angesiedelten Hilfsorganisation 'Catholic Agency for Overseas Development' (CAFOD). "Das Weltbank-Mandat heißt Armutsbekämpfung. Doch die Rankings haben dafür gesorgt, dass wichtige Ressourcen von Klein- und Mikrounternehmen abgezogen wurden, die in armen Ländern den meisten Menschen Arbeit geben. Es geht um Jobs, die wichtig sind, um die Armut zu bekämpfen."

CAFOD zufolge sind kleine Unternehmen in einigen Entwicklungsländern für fast 90 Prozent der Arbeitsplätze verantwortlich. Wie aus einem Papier der Organisation hervorgeht, klagen beispielsweise ghanaische Unternehmerinnen über Diskriminierung und einen Mangel an Fachwissen, wodurch sich ihre Geschäftsmöglichkeiten erheblich verringern. Aufgrund der Diskriminierung, die zu unfairen Landbesitzverhältnissen führe, seien sie von Kapital und Krediten abgeschnitten.

"Doch die Doing-Business-Rankings tragen in keiner Weise dazu bei, diese Probleme zu lösen", geht aus dem CAFOD-Briefing hervor. "Sie fördern eine einzige favorisierte Reform - in der Regel die Deregulierung -, obwohl es noch ganz andere Möglichkeiten gäbe, die angemessener wären und dringender umgesetzt werden müssten."


Alternative Indikatoren berücksichtigen

Die britische Hilfsorganisation räumt zwar ein, dass das Doing-Business-Projekt hilfreich war, um die Bedeutung eines guten Investitionsklimas hervorzuheben. Zugleich forderte sie jedoch die Berücksichtigung weiterer Reformindikatoren etwa über die besonderen Fähigkeiten von Unternehmen, über den Bildungsstand, Korruption, den Mangel an Marktinformationen und Technologiezugang und die Schwäche ländlicher Infrastrukturen.

Lopez-Claro räumte ein, dass die Doing-Business-Indikatoren durchaus einige Schwächen aufweisen. Gleichwohl wies er darauf hin, dass es viele andere Initiativen der Weltbankgruppe gibt, die sich mit solchen Faktoren auseinandersetzen. "Die Länder müssen in Humankapital, Infrastruktur und Fähigkeiten investieren, die für die Interaktion mit der Weltwirtschaft erforderlich sind", sagte der Weltbank-Experte vor Journalisten. "Der vorliegende Bericht fängt nur eine Dimension der übergreifenden politischen Rahmenbedingungen ein, die für eine gute wirtschaftliche Entwicklung notwendig sind."

Mit den Jahren hat die Weltbankgruppe die Doing-Business-Indikatoren optimiert. So hat sie auf einen Negativbericht ihrer eigenen Unabhängigen Evaluierungsgruppe 2008 reagiert. Als besonderer Schritt gilt die Entscheidung von 2009, den umstrittenen Indikator über den Einsatz von Arbeitskräften zugunsten eines Arbeitsschutzindexes abzuschaffen.

Anfang Oktober hatte die Generalsekretärin des internationalen Gewerkschaftsdachverbands ITUC, Sharan Burrow, die Weltbank aufgefordert, arbeitsrechtliche Fragen ein für alle Male aus dem Doing-Business-Bericht zu streichen, da sie die Länder seit vielen Jahren lediglich dazu ermutigten, alle Schutzrechte von Arbeitern zu streichen.

Die vereinten Bemühungen der Zivilgesellschaft, die Weltbank zu einer Revision der Doing-Business-Indikatoren zu bewegen, scheinen offenbar Früchte zu tragen. Am 19. Oktober gab die Bank die Bildung einer neuen Expertengruppe bekannt, die sich mit den Indikatoren auseinandersetzen soll.


Zwischenbilanz

Das zehnjährige Jubiläum (der Doing-Business-Berichte) sei ein guter Zeitpunkt für eine Zwischenbilanz, betonte die Bank. In Anbetracht der Fragen, die aufgeworfen worden seien, und der öffentlichen Aufmerksamkeit sei eine genaue und unabhängige Untersuchung sicherlich von Wert. Die neue Kommission unter Leitung von Trevor Manuel, dem Leiter der Nationalen Planungskommission Südafrikas, wird zudem bis Mai 2013 abschließende Empfehlungen vorlegen.

In einem offenen Brief an Weltbankpräsident Jim Yong Kim hatte mehr als ein Dutzend zivilgesellschaftlicher Organisationen einschließlich ITUC und CAFOD die Finanzorganisation aufgefordert, den neuen Ausschuss auch mit Gewerkschaftsvertretern zu besetzen. Doch bisher wurde kein einziger Gewerkschaftler in das Gremium aufgenommen. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.doingbusiness.org/
http://www.cafod.org.uk/News/Campaigning-news/Put-small-businesses-first
http://www.worldbank.org/content/dam/Worldbank/Feature%20Story/Independent%20Panel%20-%20Doing%20Business%20-%20FinalToRs.pdf
http://www.worldbank.org/content/dam/Worldbank/Feature%20Story/Independent%20Panel%20-%20Doing%20Business%20-%20FinalToRs.pdf
http://www.ipsnews.net/2012/10/amidst-controversy-world-bank-to-review-influential-rankings/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. Oktober 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Oktober 2012