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INTERNATIONAL/111: Zentralamerika - Regierungen planen Aus für Wucherzinsen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Oktober 2012

Zentralamerika: Regierungen planen Aus für Wucherzinsen

von Edgardo Ayala und Danilo Valladares



San Salvador, Guatemala-Stadt, 25. Oktober (IPS) - Wucherzinsen sollen in El Salvador und Guatemala bald der Vergangenheit angehören. Parlamentarier in beiden Ländern debattieren über Gesetze, um die Höhe der Zinsen für Kredite einzuschränken. Der Finanzsektor versucht, die Vorhaben zu verhindern.

In El Salvador ist mit dem Gesetz gegen Wucherzinsen ein Deckel für Zinsen geplant, der greifen soll, wenn sich Privatpersonen Geld bei der Bank leihen oder mit einer Kreditkarte ihre Einkäufe bezahlen. In Guatemala steht ein Gesetz für Kreditkarten zur Debatte. Ein Maximalzinssatz ist darin nicht vorgesehen, aber dennoch sollen die hohen Zinsen ausgebremst werden.

Die salvadorianische Regierungspartei Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) und die Große Allianz für nationale Einheit (Gana), die gemeinsam die Mehrheit im Parlament bilden, reagieren mit der Gesetzesinitiative auf anhaltende Beschwerden aus der Bevölkerung und von Verbraucherschutzorganisationen. Seit drei Monaten steht das Thema immer wieder auf der Tagesordnung des Parlaments. Fünf Artikel des Gesetzesvorhabens sind bereits abgesegnet, doch bisher können sich die Abgeordneten nicht auf den Kern des Gesetzes einigen: die Deckelung der Zinsen.

"Kein Land kann wettbewerbsfähig sein, wenn die Zinsen, die die einfachen Menschen auf ihre Bankkredite zahlen müssen, exzessiv hoch sind", sagte Antonio Echeverría gegenüber IPS. Der Abgeordnete der FMLN ist einer der Verfechter des Gesetzesvorhabens. "Exzessiv hoch" - in Zahlen ausgedrückt bedeutet das Zinssätze von bis zu fast 200 Prozent für Geldanleihen von mindestens einem Jahr. Die Bandbreite ist allerdings sehr groß und variiert nach Angaben der Aufsichtsbehörde für das Finanzsystem (SSF) von 28,9 Prozent bei der 'Banco de América Central' bis 198 Prozent bei der 'Banco Azteca von El Salvador'.


Niedrige Zinsen für Geldeinlagen

Die SFF berichtete darüber hinaus, dass am 30. September die Zinsen zwischen 0,1 Prozent für Geldeinlagen von einem Monat bei der Scotiabank und 1,75 Prozent für Einlagen von einem Jahr bei der Banco G&T Continental von El Salvador variierten.

Der Gana-Abgeordnete Francisco Zablah sagte gegenüber IPS, dass das große Gefälle zwischen Aktiva und Passiva aufzeige, wie der Finanzsektor den Verbrauchern das Geld aus der Tasche ziehe. "Diese riesige Spannweite zwischen dem, was die Banken für Geldanleihen kassieren und dem, was sie für Geldeinlagen zahlen, werden wir nicht weiter hinnehmen."

Wie die Politik diese Praxis einschränken wird, wird allerdings noch diskutiert. Besonders populär ist der Vorschlag, mittels einer mathematischen Formel einen Durchschnitts-Zinssatz zu errechnen, um schließlich die Zinsen nach oben zu deckeln. Mehr als 48 Prozent sollen die Verbraucher dann idealerweise nicht mehr zahlen müssen.

Der Finanzsektor lehnt das Vorhaben ab. Insbesondere wehren sich die Banken gegen eine Deckelung der Zinsen auf Kreditkartenkäufe, mit denen die größten Gewinne erzielt werden können. Durchschnittlich liegt der Ertrag laut einer Untersuchung der Wettbewerbsbehörde bei 17,5 Prozent. Der hohe Zinssatz sei notwendig, um das große Risiko dieses Finanzproduktes abfedern zu können.

Die Bankenvereinigung El Salvadors (Abansa) hat mittels Anzeigenkampagne verlauten lassen, dass sie die Zahl der Kreditkarten beschränken werde, wenn ein Zins-Höchstsatz per Gesetz festgelegt werde. Aktuell haben ungefähr 800.000 der 6,1 Millionen Einwohner des Landes eine Kreditkarte. Die Banken wollen bei erfolgreicher Umsetzung der Gesetzesinitiative jedoch insgesamt nur noch 300.000 Kunden Kreditkarten gewähren.


Mikrofinanzsektor auf Seiten der Banken

Überraschenderweise stellte sich die Vereinigung der Mikrofinanzorganisationen auf die Seite der Banken. Mikrokredite in Höhe von 1,27 Milliarden US-Dollar seien in Gefahr, wenn das Gesetz verabschiedet werden sollte. Das sei nicht nur für den Mikrofinanzsektor ein großes Problem, sondern auch für die Wirtschaftskraft des gesamten Landes.

In Guatemala debattiert das Parlament bereits seit 2011 über ein Gesetz für Kreditkarten, um den Wucherzinsen Einhalt zu gebieten. Zinssätze sollen nicht ständig steigen sondern lediglich im Rahmen eines festgelegten Verfahrens angehoben werden können. Die Höhe selbst soll mit den Kreditkartenkunden - oder deren Vertretern - vereinbart werden. 748.000 Guatemalteken haben eine Kreditkarte.

Für Verbraucherschützer Arturo Quezada sind nicht allein die hohen Zinsen das Problem, sondern die Intransparenz der Banken. "Ich empfinde es als besorgniserregend, dass die Finanzinstitute nicht erklären, nach welchen Kriterien Verzugszinsen auferlegt werden und die Höhe der Zinsen festgelegt wird." (Ende/IPS/jt/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Oktober 2012