afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 1, Januar/Februar 2017
Neue Fakten zur Schuldenkrise
Mosambiks Kreditskandal und die Verantwortung von Credit Suisse
von Thomas Kesselring und Peter Ulrich
Während im mosambikanischen Parlament der Untersuchungsbericht zu den illegalen Krediten (vgl. afrika süd 4/2016) behandelt wurde, hat eine Schweizer Initiative in einem offenen Brief an Credit Suisse Transparenz bei der Kreditvergabe eingefordert.
Mosambik erklärte am 25. Oktober 2016 seine Insolvenz. Dem ging
voraus, dass die Regierung in den Jahren 2013 und 2014 drei monströse
Kredite von insgesamt über zwei Mrd. US-Dollar aufgenommen und an drei
halbprivate Firmen vergeben hatte, hinter denen der Geheimdienst und
das Verteidigungsministerium stehen. Für alle drei Kredite verlangten
die Banken eine Staatsgarantie, die der mosambikanische Finanzminister
unter Bruch der mosambikanischen Verfassung auch gewährte. Zwei der
Kredite wurden gegenüber der eigenen Bevölkerung, dem Parlament, der
Staatsbank sowie gegenüber dem Internationalen Währungsfonds (IWF),
der Weltbank und den Geberländern geheimgehalten.
Als im April 2016 die geheimen Kredite publik wurden, setzte der IWF seine Zahlungen an Mosambik aus, und 14 Geberländer froren ihre Budgethilfe ein. Die Staatskasse verlor damit 269 Mio. US-Dollar. Die Folgen des Skandals sind noch drastischer, als sie Gottfried Wellmer in afrika süd 4/2016 ("Mosambiks zweite Schuldenkrise") beschrieben hat: Mosambiks Gesamtverschuldung beträgt jetzt gute 93 Prozent des Bruttoinlandprodukts und wird nächstes Jahr noch weiter steigen. Den Berechnungen des Finanzministeriums zufolge stehen für die nächste Zukunft untragbare Schuldzahlungsverpflichtungen von 675 bis 864 Mio. US-Dollar pro Jahr an.
Am 9. Dezember 2016 hat eine Untersuchungskommission des mosambikanischen Parlaments einen Bericht über die geheimen Kredite veröffentlicht. Dieser Bericht verarbeitet u.a. die Aussagen, die die drei Hauptverantwortlichen - Ex-Präsident Armando Guebuza, sein Finanzmister Manuel Chang und der Chef der drei kreditnehmenden Firmen, António Carlos do Rosário - vor dem Ausschuss zu Protokoll gegeben haben. Der Bericht übertrifft noch die schlimmsten Befürchtungen, die in der mosambikanischen und internationalen Presse seit 2013 in Form von Gerüchten und Vermutungen zirkulierten:
Folgt das Parlament dieser Kommissionsempfehlung, so muss die Bevölkerung Mosambiks - des viertärmsten Landes der Welt! - viele Jahre lang für die Rückzahlung bluten. Es läge näher, die gesetzwidrige Staatsgarantie zurückzuweisen und es den drei Firmen sowie den Banken, die offensichtlich ihre Pflicht zur getreuen Geschäftsführung (due diligence) verletzt haben, zu überlassen, wie sie die Gläubiger zufriedenstellen wollen.
Die Credit Suisse - zweitgrößte Schweizer Bank - schweigt bisher beharrlich zu den Vorfällen. Deswegen hat die Vereinigung "kontrapunkt - Rat für Wirtschafts- und Sozialpolitik" am 8. Dezember 2016 in der Wochenzeitung WOZ in einem "offenen Brief an die Leitung der Credit Suisse" appelliert, Transparenz zu schaffen und sechs zentrale Fragen zu beantworten (vgl. Kasten). Der Brief basiert auf zwei umfassenden Hintergrund-Recherchen und wurde von 44 namhaften Persönlichkeiten unterzeichnet.
KASTEN
DIE FRAGEN AN DIE CREDIT SUISSE:
1) Die Kredite gingen an Firmen, die vom Geheimdienst und vom Verteidigungsministerium kontrolliert werden, und wurden offenbar für militärische Ausrüstungen ausgegeben. Seither hat sich der bewaffnete Konflikt zwischen Frelimo und Renamo gerade zugespitzt.
Hat die CS eine klare Zweckbestimmung für die Kredite vereinbart und darin Waffenkäufe ausgeschlossen?
2) Die von der CS London für die Firma Ematum aufgelegten Papiere (500 Mio $) wurden durch die russische Bank VTB um 350 Mio $ aufgestockt. Die Firma überwies den ganzen Betrag sofort nach Erhalt an die Muttergesellschaft der Schiffswerft. Das Projekt wurde nicht ausgeschrieben, die Tauglichkeit der bestellten Schiffe nicht geprüft. Als die Flotte geliefert war, erwies sie sich prompt als nicht einsatzfähig.
Welche Konditionen hat die CS im Kreditvertrag mit Ematum festgelegt und zu welcher Verwendung waren die zusätzlichen 350 Mio. $ bestimmt?
3) Um die Kredite gegen Ausfall versichern zu können, verlangte CS London von Mosambik eine Staatsgarantie. Der damalige Finanzminister sicherte diese schriftlich zu, ohne das Parlament zu befragen, das laut Verfassung hätte einwilligen müssen. Die CS leistete also Beihilfe zu einem verfassungswidrigen Vorgehen der Vertragspartnerin und riskierte damit, das Prinzip von Treu und Glauben zu verletzen.
Wieso hat die Bank nicht abgeklärt, ob das Parlament seine Zustimmung erteilt hat und ob dass Land in der Lage war, eine Staatsgarantie für so hohe Kredite zu erfüllen?
4) Insgesamt wurden Kredite von 1,4 Mrd $ der Öffentlichkeit, dem Parlament und der Zentralbank Mosambiks sowie dem IWF, der Weltbank und den internationalen Geldgebern verschwiegen. Die Geheimnistuerei hielt noch an, als im März 2016 der Ematum-Kredit mit dem Goodwill der Gläubiger umgeschuldet wurde.
Warum hat die CS nichts gegen dieses Versteckspiel unternommen?
5) Die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit in Mosambik legt besonderen Wert "auf gute Regierungsführung, institutionelle Reformen und Stärkung der Rechenschaft gegenüber der Bevölkerung". Die Deals der CS mit den Firmen Ematum und Proindicus torpedieren diese Zielsetzung.
Wie begründet die CS als Schweizer Bank dieses den Grundsätzen der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit zuwiderlaufende Vorgehen?
6) Die englische Jubilee Debt Campaign und das deutsche Erlassjahr.de rufen die CS und VTB London auf, Mosambik die mit den drei Kreditgeschäften entstandenen Schulden zu erlassen. Allerdings müsste die CS bei einem Schuldenerlass die heutigen Gläubiger entschädigen. Das entbindet sie aber nicht von ihrer Verantwortung gegenüber Mosambik.
Wie gedenkt die CS ihrer Verantwortung für den in Mosambik (und bei den Gläubigern) angerichteten Schaden konkret nachzukommen?
KASTEN ENDE
Mosambik ist eines der weltweit ärmsten Länder mit prekärem Gesundheits- und Bildungswesen. Die Bevölkerung darbt, die Lebenserwartung liegt kaum über 50 Jahren. Doch das Land ist reich an Rohstoffen; 2010 sind riesige Offshore-Gasvorkommen entdeckt worden. In den vergangenen Jahren wies es ein hohes Wirtschaftswachstum auf. Bis vor kurzem schien es daher attraktive Investitionsbedingungen für die Privatwirtschaft zu bieten.
Mosambik ist zugleich Partnerland der Entwicklungszusammenarbeit diverser EU-Länder (inklusive Schweiz). Die Schweiz legt besonderen Wert auf "Good Governance". Da eine schweizerische Großbank die Grundsätze der "Good Governance" offensichtlich unterlaufen hat, ist sie mitverantwortlich dafür, dass Mosambik in seiner Entwicklung massiv zurückgeworfen worden ist. Damit stellt sich die grundsätzliche Frage, wie sich private Geschäftstätigkeit und Entwicklungszusammenarbeit in ein widerspruchsfreies Verhältnis bringen lassen.
Das Spannungsverhältnis zwischen dem entwicklungspolitischen Anliegen, die humane, soziale und rechtsstaatliche Entwicklung in nachhaltiger Weise zu fördern, und dem privatwirtschaftlichen Interesse an profitablen Investitionen sollte soweit wie möglich minimiert werden. Entwicklungspolitik darf sich nicht von kommerziellen Interessen vereinnahmen lassen. Sie muss der kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Logik widerstehen, wo sich diese auf die Humanentwicklung negativ auswirkt. In der Praxis - etwa in Public Private Partnerships - ist die Grenze nicht immer einfach zu ziehen. Generell sollten aber privatwirtschaftliche Geschäftsaktivitäten in die übergeordneten entwicklungspolitischen Grundsätze der Geberländer eingebunden werden. Dieses Anliegen lässt sich auf drei Ebenen konkretisieren:
Die erste Ebene ist die der "freiwilligen" unternehmensethischen Selbstbindung der Firmen ("Corporate Social Responsibility"). Darauf setzt - ähnlich wie der im Jahr 2010 erstellte "Aktionsplan CSR" der deutschen Bundesregierung - ein Positionspapier des Schweizer Regierung unter dem Titel "Gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen". So soll u.a. die Bereitschaft von Schweizer Unternehmen, entwicklungspolitische Anliegen in ihre Verhaltensgrundsätze (Code of Conduct) einzubeziehen, durch Informations- und Aufklärungsbemühungen etwa der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) gefördert werden. Firmen, die sich an ethischen Prinzipien orientieren, profitieren von einem "Reputationsvorsprung". Wo aber die Wahrung grundlegender Menschenrechte und Umweltstandards oder die "Good Governance" auf dem Spiel stehen, sollte man sich auf das Prinzip der freiwilligen Selbstbindung nicht verlassen.
Schon eher eignet sich dafür die zweite Ebene, nämlich die Selbstverpflichtung nationaler oder noch besser internationaler Wirtschaftsverbände auf kollektive Verbandsstandards verantwortlicher Unternehmensführung. Solche Standards wirken als "Soft Law", wenn die Verbandsmitgliedschaft an sie gebunden ist und "schwarze Schafe" ausgeschlossen werden. Noch wirkungsvoller sind sie, wenn sie sich - wie beispielsweise die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen oder der bekannte UN Global Compact - mit einem von gewichtigen internationalen Organisationen getragenen Geltungsanspruch verbinden.
Die dritte Ebene zur Entschärfung der Konfliktfelder wird erreicht, indem die grundlegenden Anforderungen an privatwirtschaftliche Akteure rechtsverbindlich festgelegt werden. Den bisher bedeutendsten internationalen Ansatz in diese Richtung stellen die 2011 vom Menschenrechtsrat der UNO akzeptierten UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte dar. Es ist Sache nationaler Aktionspläne, diese Prinzipien - insbesondere die grundlegende Pflicht zur Sorgfaltsprüfung - in der Gesetzgebung jedes Stammlandes multinational tätiger Konzerne zu verankern. In der Schweiz wurde zu diesem Zweck eine von gegen 80 ideell ausgerichteten Organisationen getragene Verfassungsinitiative (Konzernverantwortungsinitiative: Für verantwortungsvolle Unternehmen - zum Schutz von Mensch und Umwelt) eingereicht, über die Volk und Parlament abstimmen wird. Wird sie angenommen und damit rechtsverbindlich, so wäre dies ein international beispielgebender Schritt in die richtige Richtung.
Thomas Kesselring war Professor an der Päd. Hochschule Bern,
Professor convidado der Universidade Pedagógica in Mosambik und
Privatdozent an der Universität Bern;
Peter Ulrich ist emeritierter Professor für Wirtschaftsethik
der Universität St. Gallen und war bis 2009 Leiter des Instituts für
Wirtschaftsethik.
Beide Autoren gehören dem Schweizer Rat für Wirtschafts- und Sozialpolitik "kontrapunkt" an, der für eine nachhaltige und sozial verantwortliche Entwicklung der Schweizer Wirtschaft einsteht.
Brief und Hintergrund-Dokumente sind auf der Website von kontrapunkt
abrufbar:
http://www.rat-kontrapunkt.ch (Rubrik "Wirtschaft")
*
EDITORIAL
VERHANDLUNGEN ÜBER VÖLKERMORD IN DER KRISE
Ein Kommentar von Reinhart Kößler.
KORRUPTION, VETTERNWIRTSCHAFT UND ZWEIFELHAFTE DEALS
Der Bericht über "State Capture" deckt Korruption auf, wie Ekaterini
Georgousaki skizziert. Am Ende ihrer Amtszeit veröffentlichte
Südafrikas Ombudsfrau Thuli Madonsela einen Bericht über illegale
Verflechtungen zwischen Regierung und Privatwirtschaft ("state
capture"). Sie prangert ranghohe Regierungsmitglieder der Korruption
an.
"DEMOKRATIE STÄRKEN HEISST, VERTRAUEN IN DAS SYSTEM AUFZUBAUEN"
In einem Interview mit der Heinrich-Böll-Stiftung schildert Thuli
Madonsela den Machtmissbrauch der politischen Elite Südafrikas. Layla
Al-Zubaida und Maria Kind stellten die Fragen.
DIE VEREINNAHMUNG DES STAATES
Wie sich die Gupta-Brüder über das staatliche Strommonopol Eskom
Aufträge sicherten, erläutert Gottfried Wellmer.
DUMM GELAUFEN
Die ersten 45 Tage der neuen "Public Protector" Busiswe Mkhwebane
bilanziert Gottfried Wellmer.
AUF DER KIPPE
Die Glaubwürdigkeitskrise des ANC. Veteranen der Regierungspartei
Südafrikas haben in einer bemerkenswert schonungslosen Denkschrift an
die Verantwortung des ANC appelliert. Gottfried Wellmer beschreibt die
Kontexte.
MEDIKAMENTENSCHMUGGEL IM GROSSEN STIL
Wie ein Trio aus dem südlichen Afrika sich mit abgelaufenen
Aids-Medikamenten bereicherte, erklären Lionel Faull und Thomas
Angeli. Sie illustrieren auch, auf welchen Wegen international
agierende Pharmahändler die Tabletten gewinnbringend an hiesige
Apotheken verkauften.
WIEDER EINE LEERE ANKÜNDIGUNG?
Angolas Präsident José Eduardo Dos Santos hat seinen Rücktritt
angekündigt. Emanuel Matondo kennt die Hintergründe.
ANGOLA BRAUCHT EINEN RUCK ZUM WANDEL
Ein Kommentar zur aktuellen Lage in Angola von Padre Pio Wakussanga.
NEUE FAKTEN ZUR SCHULDENKRISE
Mosambiks Kreditskandal und die Verantwortung der Credit Suisse. Einen
Untersuchungsbericht zu illegalen Krediten im mosambikanischen
Parlament und einen offenen Brief einer Schweizer Initiative an die
Credit Suisse stellen Thomas Kesselring und Peter Ulrich vor.
PAN-AFRIKANISCHE SCHARLATANE
Wie Mugabe Kabila und die DR Kongo ausnutzte, untersucht Ken Yamamoto.
Denn simbabwische Regierungsvertreter und ranghohe Militärs
bereicherten sich am zügellosen Diamantenschmuggel aus der DR Kongo.
VERFEHLTE AGRARSUBVENTIONEN
Ernährungsprobleme und Korruption in Malawi ergründet Watipaso Mzungu
Jun. Er nimmt das staatliche Subventionsprogramm für Kunstdünger und
Maissaat unter die Lupe.
URBANES WOHNEN AUF SANSIBAR
Kikwajuni Kwa Mjerumani ist ein Stadtteil von Zanzibar Town. Die
einzigartige Siedlung erinnert an die Entwicklungszusammenarbeit
zwischen der DDR und Tansania. Linda Schneider erforschte die
Geschichte und Gegenwart des Viertels.
WAS MÖGLICH WAR, WAS MÖGLICH WIRD
"Stolen Moments" erzählt Geschichten der namibischen Popmusik. Über
eine multi-mediale Ausstellung, die diesen künstlerischen Ausdruck des
Widerstands würdigt, berichten Katharina Fink und Serena Radaelli.
ZAMBIA IN MOTION
Ein Filmfestival zu Sambia - da horchen selbst langjährige
Afrikakenner auf. Um so größer war die Resonanz auf das erste
Filmfestival "zambia in motion" Ende 2016 in Basel. Christian
Vandersee und Xenia Jehli stellen die chinestische Vielfalt vor.
REZENSIONEN
*
Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
46. Jahrgang, Nr. 1, Januar/Februar 2017, S. 27-29
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
Tel.: 0228 / 46 43 69, Fax: 0228 / 46 81 77
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"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2017
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