Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → WIRTSCHAFT

KONFERENZ/178: G20-Treffen in Moskau produzierte nur heiße Luft (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 8 vom 22. Februar 2013
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Hochkarätiges Nullereignis
G20-Treffen in Moskau produzierte nur heiße Luft

von Klaus Wagener



"G 20 setzt Signal gegen die Abwertungswettläufe" gab sich die FAZ am Sonntag noch zuversichtlich. Die Mitgliedsländer hätten sich in der Abschlusserklärung verpflichtet, "'wettbewerbliche Abwertung' zu unterlassen, dem Protektionismus zu entsagen und die Märkte offen zu halten". Ebenso hätten sie die 2010 in Toronto eingegangene Verpflichtung bekräftigt, "nach der die Neuverschuldung bis zu diesem Jahr halbiert werden soll". Zudem wollten sie "bis zum Herbst 'glaubwürdige mittelfristige Strategien erarbeiten'".

Das klang ein bisschen nach "Peace for our time". Der britische Premier Neville Chamberlain verkündete diese frohe Botschaft am 30. September 1938, als nach der Unterschrift unter das Münchener Abkommen General von Leeb die Panzer für die Invasion der Tschechoslowakei schon auftanken ließ. Zwar beschränkt sich der militärische Part heutzutage im wesentlichen auf Stellvertreterkriege à la Syrien, dafür sind die monetären Waffenarsenale gut gefüllt. Und die Bereitschaft sie ins Feld zu führen, steigt. Kursrelevante Strategien werden von den großen Notenbanken mehr oder weniger offen verfolgt und von einigen auch als Ziel formuliert. Und wenn die "taz" glaubt, "Der Währungskrieg ist abgeblasen", dürfte das der Wirklichkeit vermutlich eben so nahe kommen wie das Vorhaben die Neuverschuldung zu halbieren oder glaubwürdige mittelfristige Strategien zu erarbeiten.

Im Verlauf des Montags setzte sich denn auch eine erheblich nüchternere Sicht auf den G20-Gipfel durch: "Die G20 haben Japan einen Freifahrtschein für die Lockerung der Geldpolitik ausgestellt", kommentierte Ulrich Leuchtmann (Commerzbank) im "Handelsblatt". Der Yen sei am Montag, unmittelbar nach dem Treffen, auf den "tiefsten Stand seit Mai 2010" gefallen. Wichtiger als wohlfeile Gipfelrhetorik ist wieder einmal das, was nicht gesagt wurde.

Und nicht gesagt wurde, dass es de facto keine internationale Politikkoordination gib. Immerhin hatten sich in Moskau Staatschefs versammelt, die zusammen 90 Prozent des Welt-BIP repräsentieren. Plus Finanzminister und Zentralbankchefs, plus den Spitzen von IWF und Weltbank. Die Lage ist alles andere als rosig. Laut ILO-Bericht vom 21. Januar 2013 wird die globale Arbeitslosigkeit in diesem Jahr auf 202 Mio. ansteigen. (Nach ILO-Kriterien - wer länger als eine Stunde pro Woche arbeitet, gilt als beschäftigt.) Es wäre Handlungsbedarf gegeben. Ergebnis: ein windelweiches Kommuniqué voller netter Absichten ohne jede operative Substanz.

In den bundesdeutschen Medien war schon einige Zeit zuvor das Thema "Währungskrieg" gepusht worden. Aufhänger waren die Erklärungen des neugewählten japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe und des Zentralbank-Gouverneurs Masaaki Shirakawa, welche die gegenwärtige Deflation zu einer Inflation von 2 Prozent aufpumpen wollen. Dieses komplizierte Manöver dürfte, wenn überhaupt, nur mit reichlich frisch gedrucktem Geld zu bewerkstelligen sein. Erwünschter "Nebeneffekt" ist die implizite Abwertungstendenz, die dem Vorhaben innewohnt.

Ganz offen ein Wechselkursziel verfolgt die Schweizer Zentralbank. Sie verteidigt recht erfolgreich ein Kursverhältnis von 1,20 Euro. Das war natürlich nicht das einzige Thema an dem die G20 sich hätten abarbeiten können, und nicht einmal annähernd das wichtigste. Aber aus Sicht von Bundesbankchef Weidmann und Finanzminister Schäuble lag gerade hier der Hase im Pfeffer.

Hier kommt der Punkt, an dem vielleicht ein wenig politische Ökonomie hilfreich sein könnte. Unternehmen befinden sich im Zustand kapitalistischer Konkurrenz. Eine Reduzierung ihrer Kosten verschafft ihnen einen Vorteil. Abwertung verschafft den Unternehmen eines Landes einen Vorteil. Und diese Abwertung kann auf verschiedene Art und Weise erfolgen. Was zählt, ist nicht das "Wie", sondern die Effizienz. Eine Variante der nationalen Abwertung ist die der Ware Arbeitskraft. Das hat die deutsche Industrie sehr erfolgreich und nachhaltig mit Hilfe ihres "Genossen der Bosse" betrieben.

Das Lohndumping der Schröderschen "Agenda 2010", verbunden mit der Zwangsarbeitsandrohung der Hartz-Gesetze verschaffte ihr derart billige und gefügige Arbeitskräfte, dass sie die Konkurrenz in Grund und Boden konkurrieren konnte. Mit dem Erfolg, dass nun nach 10 Jahren "Agenda" der Süden Europas pleite am Boden liegt. Der Ratschlag der Merkel-Mannschaft an die Euro-Krisenstaaten, es genau so zu machen, ist natürlich an Zynismus nicht zu überbieten. Die Plätze der Exportweltmeister sind besetzt. Da können Italiener, Spanier, Portugiesen und Griechen sparen, bis sie tot umfallen, sie werden, noch dazu in einem rezessiven Umfeld, kein zweites China oder Deutschland werden. Gäbe es die Chance einer Realisierung, gäbe es diese Ratschläge nicht. Was wäre denn dann mit den gepriesenen deutschen Exportüberschüssen?

Staaten, die nicht am Gängelband des Berliner Kanzleramtes hängen und über eine eigene Zentralbank mit relevanter Währung verfügen, versuchen daher eine monetäre Abwertung. Das Beispiel Schweiz ist schon erwähnt. Die Euro-Krise hatte den Franken zu einer bevorzugten Fluchtwährung gemacht. Und für die Schweizer Exportwirtschaft tödlich in die Höhe schnellen lassen. Die Schweizer Zentralbank druckt daher Franken, kauft dafür Dollar oder Euro und hält so den Wechselkurs gegen die Währungsspekulation stabil. Mit dem Anstieg der Krisenkosten dürften diese Variante an Popularität gewinnen. Gerade die Wasser predigende Bundesrepublik profitiert vermutlich mehr als alle anderen vom Kurs-Dumping. Ohne Euro-Krise und den dadurch schwächelnden Euro könnte sich die deutsche Exportindustrie ihre Exportrekorde in den Schornstein schreiben.

Damit ist auch klar, warum Schäuble und Weidmann und mit ihnen die deutschen Kampfmedien mit so viel Verve in diese Schlacht gezogen sind. Natürlich gibt es im Kampf aller gegen alle keine moralische Dimension. Das "Igitt" gegen die monetäre Abwertung dient der Absicherung des eigenen Vorteils. Und genau darum wird es erkennbar auch nicht funktionieren. Zumal die Geldpolitik angesichts der omnipräsenten fiskalischen Sparversuche als einzige verbliebene expansive Konjunkturstütze verblieben ist. Damit ist das Repertoire der Sicherungsmaßnahmen bekanntlich nicht erschöpft.

Die Klagen bundesrepublikanischer und US-Konzerne gegen die chinesische Solarindustrie wegen Preisdumpings sind exemplarisch. Natürlich existiert nirgendwo eine innovative Großtechnologie ohne staatliche Subventionierung. Aber in diesem Sektor ist es mehr als augenfällig. Trotzdem hat die US-Regierung geradezu prohibitive Zölle gegen chinesische Solar-Panels verhängt. Auch dabei wird es nicht bleiben. Die Antworten sind schon in der Pipeline. Die "Märkte offen halten". Viel Stoff, für noch viele G20-Treffen und viele schöne Kommuniqués.

*

Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 45. Jahrgang, Nr. 8 vom 22. Februar 2013, Seite 6
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
Anschrift von Verlag und Redaktion:
Hoffnungstraße 18, 45127 Essen
Telefon 0201 / 22 54 47
E-Mail: redaktion@unsere-zeit.de
Internet: www.unsere-zeit.de
 
Die UZ erscheint wöchentlich.
Einzelausgabe: 2,80 Euro
Jahresbezugspreise:
Inland: 126,- Euro, Ausland: 130,-
Ermäßigtes Abo: 72,- Euro
Förder-Abonnement: ab 150 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2013