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KONFERENZ/189: G7-Gipfel 2015 - Was bleibt? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2015
Kreislaufwirtschaft

G7-Gipfel 2015
Was bleibt?

Von Jürgen Maier
Der Autor ist Geschäftsführer des Forum Umwelt und Entwicklung.


Was hat der G7-Gipfel im bayerischen Schloss Elmau gebracht? Wie bedeutend G7-Gipfel realpolitisch eigentlich sind, ob sie mehr sind als nur eine sündhaft teure Show und ob sie messbare Auswirkungen auf den Lauf der Weltpolitik sowie der Innenpolitik der G7-Länder selbst haben - darüber gehen die Meinungen weit auseinander.


Auch unter Nichtregierungsorganisationen und globalisierungskritischen Bewegungen hat die Zahl derer zugenommen, die gegen diese Gipfel nicht mehr protestieren, sondern sie in erster Linie ignorieren. Andere wiederum nehmen sie sehr ernst, schließlich sind diese Gipfel potenziell eine ausgezeichnete Gelegenheit, im Schlepptau der offiziellen Inszenierung selbst auch in die Medien zu kommen. Vom Protestcamp, dem Alternativgipfel und den Demonstrationen bis zur professionellen Präsenz im Medienzentrum hat auch die Welt der NGOs und der Globalisierungskritiker für ihre Verhältnisse genauso wie die Regierungen enorme Ressourcen aufgewendet, um ihre eigenen G7-Akzente zu setzen.

Weltbewegende G7-Beschlüsse?

Ob all das gerechtfertigt war oder nicht, lässt sich in letzter Konsequenz nur anhand der Frage beantworten: Was hat es am Lauf der Welt real geändert? Das wiederum lässt sich halbwegs zuverlässig nicht schon nach wenigen Tagen oder Wochen beantworten. Aber auch G7-Gipfeldeklarationen vergangener Jahre entziehen sich solchen vermeintlich einfachen Fragen meist sehr geschickt, enthalten sie doch nur in den seltensten Fällen klare Beschlüsse. Meist ist die Terminologie solcher Deklarationen gespickt mit Begriffen wie "wir streben an", "wir unterstützen" und so weiter. Es ist daher auch Jahre später kaum möglich zu sagen, was so ein Gipfel real gebracht hat: So schwammig die Formulierungen, so subjektiv die Einschätzungen über ihre reale Wirkung. Elmau bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme.

Nur selten kann man so offensichtliche und eklatante Fehlschläge nachweisen wie bei den Gipfelbeschlüssen des letzten G8 in Nordirland 2013: "We will make a real difference by doing the following: 1. Tax authorities across the world should automatically share information to fight the scourge of tax evasion. 2. Countries should change rules that let companies shift their profits across borders to avoid taxes, and multinationals should report to tax authorities what tax they pay where. 3. Companies should know who really owns them and tax collectors and law enforcers should be able to obtain this information easily." (1)

Das ist fast schon nicht mehr als Fehlschlag zu bezeichnen, sondern als bewusste Irreführung der Öffentlichkeit, weil in der Realität das Gegenteil stattfand - Stichwort Luxleaks. Just am letzten Tag von Elmau leitete die EU-Kommission Ermittlungen gegen die G7-Länder Deutschland, Frankreich und Italien wegen unfairer Steuervorteile für Konzerne ein, gegen Großbritannien ermittelt sie schon länger. Weder den G7-Gipfelteilnehmer selbst noch den Medien fiel der eklatante Kontrast zu den starken Worten von 2013 auf.

Man kann also starke Worte einer G7-Deklaration isoliert betrachten und als Ankündigung eines Politikwechsels werten. Man kann sie aber auch mit der Realität vergleichen und auch diesmal bezweifeln, dass den starken Worten wirkliche Taten folgen werden. Die NGO-Bewertungen des Elmauer Gipfels fielen dementsprechend alles andere als einheitlich aus.

NGO-Einschätzungen über den Erfolg der G7-Schwerpunktthemen

TTIP stoppen, war eine der häufigsten Forderungen auf den Demonstrationen in München und Garmisch sowie dem Alternativgipfel - die vielen, die sich davon motivieren ließen an den Protesten teilzunehmen, konnten die Gipfeldeklaration nur als Schlag ins Gesicht empfinden. Die TTIP-Verhandlungen sollen beschleunigt werden, wurde da offiziell verlautbart - obwohl alle Beteiligten wissen, dass das praktisch ausgeschlossen ist und auch alle internen TTIP-Bewertungen der EU nicht mehr von einem Abschluss der Verhandlungen in Obamas Regierungszeit ausgehen. Als trotziges Pfeifen im Walde angesichts eines zunehmend ins Torkeln geratenen TTIP-Projekts mag man das interpretieren, oder als völlig arrogante Trotzhaltung gegenüber renitentem Wahlvolk - unrealistisch ist diese Absichtserklärung allemal. Bemerkenswert ist vor allem das Bekenntnis der G7-Chefs zum Kanada-EU-Abkommen CETA: Man freue sich auf sein baldiges Inkrafttreten - während Vizekanzler Gabriel seit Monaten verspricht, die im CETA vorgesehenen Investoren-Staat-Schiedsgerichte noch reformieren zu wollen.

Bei dem deutschen Schwerpunktthema der globalen Wertschöpfungsketten kam kaum etwas Greifbares heraus. NGOs hatten vor dem Gipfel zum Lackmustest erklärt, ob es irgendeine Ankündigung verbindlicher Maßnahmen geben werde, globale Lieferketten sozialer, nachhaltiger oder zumindest transparenter zu machen. Man muss konstatieren: Es gab keinerlei Ankündigung konkreter Maßnahmen, wie man die skandalösen Zustände etwa im Textilsektor ändern will. Nichts als Appelle an Unternehmen und Verbraucher, das Problem doch bitte anzugehen, und die Unterstützung bestehender freiwilliger Initiativen. Kein Wort davon, Gewerkschaften in Ländern wie Bangladesch zu unterstützen. Auch künftig können multinationale Konzerne selbst entscheiden, ob sie sich an Menschenrechte und grundlegende Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards halten oder nicht. Dafür hätte es wahrlich keines G7-Gipfels bedurft.

Lobgesang auf den Klimaschutz - Zurecht?

Wer sich jenseits der weltwirtschaftlichen Themen die restlichen Beschlüsse ansieht, kann zu freundlicheren Gipfelbewertungen kommen. Vor allem Greenpeace und Germanwatch taten dies - nämlich beim Klima. "Elmau hat geliefert. Die Vision einer globalen Energiewende hin zu 100 % Erneuerbaren hat heute deutlich Konturen gewonnen. Mit ihren Beschlüssen stimmen die G7 endgültig den Abgesang auf die Kohle an", so Tobias Münchmeyer von Greenpeace. Auch Germanwatch wertet die Gipfelerklärung als "überraschend starkes Ergebnis. Die G7 hat heute das Ende des fossilen Zeitalters auf die globale Agenda gesetzt. Alle G7-Staaten verpflichten sich zu einer Energiewende. Dieser Gipfel sendet ein starkes Signal für ein erfolgreiches Klimaabkommen Ende des Jahres in Paris", so Geschäftsführer Christoph Bals.

Andere Umweltorganisationen wollten sich diesen freundlichen Bewertungen nicht anschließen. Für den BUND-Vorsitzenden Hubert Weiger blieb das Gipfelkommuniqué "weit hinter den Erfordernissen zurück". Die auch diesmal wiederholte Ankündigung, die Erderwärmung unter zwei Grad halten zu wollen, widerspreche dem tatsächlichen Handeln der G-7-Staaten. Fakt ist jedenfalls, dass die Umsetzung solcher Langfrist-Ankündigungen wohl in erster Linie Sache der Nachfolger der aktuellen G7-Chefs ist, die sich daran nicht gebunden fühlen müssen.

Meere, Gesundheit und Hungerbekämpfung als Themen der G7

Wenig beachtet wurde das Schwerpunktthema Meeresschutz. Der angekündigte Aktionsplan gegen die Vermüllung der Meere wurde von den Umweltverbänden prinzipiell begrüßt, auch wenn abzuwarten bleibt, was drin stehen wird. Ob die Worte der Gipfelerklärung "ungewohnt kämpferische Worte" sind, wie Greenpeace analysiert, sei dahingestellt - der WWF ist etwas vorsichtiger: "Damit es vorangeht, müssen daher ab jetzt Taten eine deutlichere Sprache sprechen als die heutigen Ankündigungen."

Auch Gesundheit war ein wichtiges Gipfelthema. Konkrete Maßnahmen zur Senkung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung gab es nicht. "In der Massentierhaltung in Deutschland werden, wie in vielen G-7-Staaten, mehr als doppelt so viele Antibiotika wie in der Humanmedizin eingesetzt. In den USA sind Antibiotika in der Tiermast sogar prophylaktisch und zur Wachstumsbeschleunigung erlaubt. Um die Verbraucher vor Antibiotikaresistenzen zu schützen, müssten die Regierungen den Einsatz von Antibiotika in Tierhaltungen streng reglementieren", mahnte BUND-Chef Weiger. Genau das fordern NGOs und Agraropposition schon seit Langem.

Hunger- und Krankheitsbekämpfung spielt in der Abschlusserklärung auch eine wichtige Rolle. World Vision bewertet die Ergebnisse jedoch als insgesamt nicht so ambitioniert wie erhofft: "Die Gipfelchefs haben die Chance verpasst, die eigentlichen Grundursachen für die schlechte Situation der ärmsten Kinder in dieser Welt zu ändern." Brot für die Welt beklagt die vielen "Hintertürchen" in der Gipfelerklärung, in der größere Anstrengungen im Kampf gegen den Hunger versprochen werden.

So bleibt eine Gipfeldeklaration zurück, bei der sich letztlich jede und jeder das herauspicken kann, was ihm oder ihr selbst am wichtigsten ist und je nachdem zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Ernsthafte Fortschritte zu mehr Nachhaltigkeit und zu mehr sozialer Gerechtigkeit dürften sich jedenfalls nicht mit einem "business as usual" in der Weltwirtschaft erreichen lassen - und gerade in der Wirtschafts- und Handelspolitik haben sich die G7 demonstrativ zu einem "business as usual" bekannt. Das dürfte sich 2016 nicht ändern: Japans Regierungschef Shinzo Abe ist in der aktuellen Zusammensetzung der G7 mit Abstand der konservativste und ist bisher nur durch ausgesprochen rückwärtsgewandte Ideen aufgefallen. Es fällt mehr als schwer, sich ausgerechnet von ihm vorwärtsweisende Akzente der nächsten G7-Präsidentschaft zu erwarten.


Anmerkung:
(1) Lough Erne Declaration (2013):
https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/207543/180613_LOUGH_ERNE_DECLARATION.pdf.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2015, S. 19-20
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. August 2015

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