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MEINUNG/019: Bremer Ökonom - Sudan und Südsudan müssen kooperieren (Universität Bremen)


Pressemitteilung der Universität Bremen - 2. August 2012

Bremer Wirtschaftswissenschaftler: Sudan und Südsudan müssen ökonomisch und politisch kooperieren

Der Bremer Sudanexperte Professor Karl Wohlmuth hat bei der Sudan-/Südsudan-Konferenz Ende Juli 2012 in Bonn ein umfassendes Programm für die ökonomische Kooperation der beiden Staaten vorgelegt



Bei der Sudan-/Südsudankonferenz in Bonn vom 23. - 25. Juli 2012 hat der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Professor Karl Wohlmuth im Plenum den Hauptvortrag Wirtschaft gehalten und ein "Strategisches Rahmenprogramm" für die ökonomische Kooperation der beiden Staaten Sudan und Südsudan vorgelegt. Der Hintergrund ist die Zunahme der Konflikte zwischen den beiden Staaten seit der Unabhängigkeit des Südsudan, insbesondere aber seit der Stilllegung der Ölproduktion im Südsudan Anfang des Jahres 2012 durch die Regierung in Juba, Südsudan. Für beide Länder sind die Öleinnahmen von herausragender Bedeutung für die Devisenbilanz und für das staatliche Budget. Die Auseinandersetzung um die Verteilung der Öl-Einnahmen nach der Unabhängigkeit des Süd-Sudan kommt zu vielen anderen Konflikten hinzu, die insbesondere die Grenzregionen zwischen den beiden Staaten betreffen.

Wesentliche ökonomische und politische Fragen nach der Teilung des Landes sind bis heute (2. August 2012) ungelöst geblieben - auch wenn der 2. August der Stichtag ist, bis zu dem die Probleme zwischen beiden Staaten unter Einschaltung eines Vermittlers von der Afrikanischen Union (AU) einvernehmlich gelöst werden sollten. Voraussichtlich wird es nun zu einer "endgültigen und bindenden" Entscheidung des UN-Sicherheitsrates auf der Basis einer Empfehlung des Friedens- und Sicherheitsrates der Afrikanischen Union hinsichtlich wichtiger Streitfragen kommen.

Die wechselseitige Abhängigkeit macht eine Zusammenarbeit beider Länder unabdingbar

Professor Karl Wohlmuth hat in seinem "Strategischen Rahmenprogramm" zunächst die wesentlichen Konfliktursachen analysiert. Er hat herausgearbeitet, dass die ökonomische und politische Interdependenz zwischen den beiden Staaten in vielen Bereichen (Ölproduktion und Verwendung der Öleinnahmen, Entwicklung der Bundesstaaten an der Grenze zwischen den beiden Staaten, Ressourcennutzung, Entwicklung von Landwirtschaft und Viehzucht, Umweltpolitik und Anpassung an den Klimawandel, Wirtschaftspolitik, etc.) überaus groß ist, so dass eine Kooperation zwingend notwendig ist, um Wachstum und Wohlfahrt in beiden Staaten zu sichern. Da viele Konflikte zwischen den beiden Ländern mit den großen Entwicklungsunterschieden zwischen den Bundesstaaten im Norden und im Süden und an der Grenze zusammenhängen, können neue kooperative Wirtschafts- und Wachstumsstrategien dazu beitragen, diese "horizontalen Ungleichheiten" zu mindern. Konflikte hängen aber auch stark mit dem Ressourcenreichtum in den je fünf Bundesstaaten im Norden und im Süden entlang der etwa 2000 km langen internationalen Grenze zwischen Sudan und Südsudan zusammen.

Für direkte Verhandlungen

Das Strategische Rahmenprogramm von Karl Wohlmuth macht zunächst konkrete Vorschläge für die vier über Krieg und Frieden entscheidenden Konfliktbereiche:

1. "Grenzen, Öl und Wasserkraft", da eine Einigung über die Nutzung der Ressourcen und die Bestimmung des Grenzverlaufes untrennbar miteinander verbunden sind;

2. "Staatsangehörigkeit, Flüchtlinge und Menschenrechte", da die Lösung dieser Fragen nicht nur aus humanitären Gründen, sondern auch für eine dynamische Wirtschaftsentwicklung wichtig ist;

3. "Aufteilung von Vermögen und Schulden und Abstimmung der Finanzsysteme", da bisher keine Einigung über die Aufteilung von Auslandsschulden und über interne gegenseitigen Verpflichtungen der beiden Staaten erzielt wurde und auch die unterschiedlichen Finanzsysteme der beiden Länder (auf islamischer bzw. konventioneller Grundlage) für eine Kooperation überbrückt werden müssen;

4. "Sicherheit, Entmilitarisierung und Stabilität", da beide Länder über aufgeblähte Militär- und Sicherheitsapparate verfügen, die kaum finanziellen Spielraum für Entwicklungsinitiativen lassen, und zudem immer wieder für neue Konflikte instrumentalisiert werden.

Diese vier Konfliktbereiche können nach Ansicht des Bremer Wissenschaftlers in ihrer Breite und Komplexität nur im Rahmen von direkten Verhandlungen zwischen den beiden Staaten gelöst werden. Die "endgültigen und bindenden" Entscheidungen entlang der "Roadmap" der Afrikanischen Union (AU) und des UN-Sicherheitsrates würden wichtige Fragen ausklammern, die für eine ökonomische und politische Kooperation der beiden Staaten wichtig sind. Zudem könnten sich neue Konflikte ergeben.

In einem weiteren Schritt werden im Programm von Professor Wohlmuth fünf Strategische Programmkomponenten vorgestellt, deren Umsetzung für beide Staaten gleichermaßen vorteilhaft wäre.

1. Ein Programm zur gemeinsamen Entwicklung der zehn Bundesstaaten an der internationalen Grenze zwischen Sudan und Südsudan, da in diesen Regionen großer Ressourcenreichtum und gravierende Entwicklungsunterschiede immer wieder zu Konflikten führen;

2. ein Programm für die Kooperation bei der Agro-Industrialisierung und Landwirtschaftsentwicklung, um die Abhängigkeit vom Öl mittel- bis langfristig zu reduzieren;

3. ein Programm zur Kooperation bei der mittel- und langfristigen Umsteuerung der staatlichen Finanzpolitik in den beiden Ländern, um die staatlichen Ölleinnahmen so zu bewirtschaften, dass auch nach dem Ende der Ölproduktion ausreichend Mittel aus den Öleinnahmen für Entwicklungsvorhaben verfügbar sind;

4. ein Programm für die Kooperation in Bereichen von Wissenschaft, Technik und Innovation, um an jene Erfolge anzuknüpfen, die Ruanda mit einer Entwicklungspolitik auf der Basis von Wissenschaft, Technik und Innovation bereits erreicht hat;

5. ein Programm für die Kooperation in den Bereichen Umwelt, Anpassung an den Klimawandel und Landnutzungspolitik, da sich durch eine nicht-nachhaltige Bodennutzung und auch durch den langen Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd bzw. die Konflikte in Darfur die Umweltsituation in den beiden Staaten drastisch verschlechtert hat.

Die Konferenz in Bonn wurde von mehreren hundert Teilnehmern aus aller Welt besucht (Sudanexperten, Vertreter der beiden sudanesischen Staaten, Experten von internationalen Organisationen, Vertreter von Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit und von Nichtregierungsorganisationen, etc.). Organisiert wurde die Konferenz von der Bonner Internationalen Friedens- und Entwicklungsforschungsinstitution BICC in Kooperation mit internationalen Sudan-Gesellschaften. Dr. Elke Grawert, Forschungskoordinatorin am BICC und ehemalige Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Weltwirtschaft und Internationales Management (IWIM) der Universität Bremen, hat die Konferenz geleitet. Die internationale Sudan-/Südsudan-Konferenz findet alle drei Jahre statt. In diesem Jahr wurden erstmals auch die Probleme der beiden Staaten Sudan und Südsudan seit der Unabhängigkeit des Südsudan am 9. Juli 2011 diskutiert.


Die Studie von Karl Wohlmuth "Ein Strategisches Rahmenprogramm für die ökonomische Kooperation von Sudan und Südsudan" kann über die E-Mail: wohlmuth@uni-bremen.de angefordert werden.

Aktuelle Informationen:
http://www.iwim.uni-bremen.de/forschung/forsch-sudan.htm

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Quelle:
Pressemitteilung der Universität Bremen
Nr. 271 / 2. August 2012 SC
Universität Bremen, Pressestelle
Telefon: 0421- 218 - 60150, Fax: 0421-218 - 60152
E-Mail: presse@uni-bremen.de
Internet: www.uni-bremen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2012