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ROHSTOFFE/061: Zustimmung der Gemeinschaft - Umdenken der größten Bergbau- und Ölkonzerne (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. September 2012

Wirtschaft: Zustimmung der Gemeinschaft - Umdenken der größten Bergbau- und Ölkonzerne

von Carey Biron

Kinder in Peru auf dem Gelände eines Bergbauunternehmens - Bild: © Milagros Salazar/IPS

Kinder in Peru auf dem Gelände eines Bergbauunternehmens
Bild: © Milagros Salazar/IPS

Washington, 28. September (IPS) - Einige der größten multinationalen Öl- und Bergbauunternehmen gehen einer neuen Untersuchung der internationalen Hilfsorganisation 'Oxfam' zufolge allmählich dazu über, sich vor der Durchführung ihrer Projekte mit den jeweiligen Gemeinschaften zu beraten.

Oxfam hat sich die öffentlich zugänglichen Zusicherungen von 28 der weltgrößten Konzerne näher angesehen, die Rechte der von ihren Operationen betroffenen Gemeinschaften zu wahren. Der Report nimmt allerdings keine Bewertung der Qualität der Maßnahmenumsetzung vor.

"Die Zustimmung der betroffenen Gemeinschaften war jahrelang ein vages Konzept. Einen Rahmen zu haben, ist ein wirklich guter Anfang", meinte Raymond C. Offenheiser, Leiter von 'Oxfam America', bei der Vorstellung des neuen Papiers am 26. September in Washington.

"Damit die Öl- und Bergbauunternehmen auch in den kommenden Dekaden überleben können, müssen sie sich selbst von Ressourcenkontraktoren zu Entwicklungspartnern wandeln. Unternehmen, denen dies nicht gelingt, werden einen Wettbewerbsnachteil erleiden", warnte Offenheiser. Der Sinneswandel der Industrie - zumindest der größten Konzerne - in den letzten 30 Jahren sei bemerkenswert.

Die Weltbank hatte erst in den 1980er Jahren damit begonnen, über die Auswirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten auf die Umwelt zu diskutieren. Inzwischen sind Umweltverträglichkeitsstudien für praktisch alle ausländischen oder von Gebern finanzierten Projekte Pflicht. Ebenso wurden in den letzten Jahren internationale Verträge über die Rechte der Völker und Landrechte geschlossen.


Allmählicher Wertewandel

Auch wenn es nach wie vor zu Kontroversen komme, habe sich ein Wertewandel eingestellt, meinte Offenheiser. So werde nicht mehr nur von Förderstätten gesprochen, sondern von 'host communities' und einem Shared-Value-Konzept. Das wäre noch vor 30 Jahren undenkbar gewesen. Der Shared-Value-Ansatz meint Maßnahmen, die einerseits einen Konzern konkurrenzfähiger machen und andererseits die sozialen Verhältnisse in den Gemeinschaften, in denen das Unternehmen tätig ist, verbessern.

Damals begannen die Gemeinschaften und zivilgesellschaftliche Akteure damit, vehement ihre Mitspracherechte einzufordern. Dies wiederum führte dazu, dass eine Vielzahl internationaler Abkommen geschlossen wurde. Zudem kam es zu neuen Vorgaben innerhalb der internationalen Finanzorganisationen. Betroffen war vor allem die Internationale Finanzkorporation, der private Zweig der Weltbank.

Seit einigen Wochen treiben sowohl die USA als auch die Europäische Union Gesetze voran, die die Aktivitäten der Bergbau- und Ölindustrien, gerade was ihre Auswirkungen auf die lokalen Gemeinschaften angeht, transparenter machen sollen.

Offenheiser wies jedoch darauf hin, dass die derzeitige explosionsartige Nachfrage nach natürlichen Ressourcen die Unternehmen antreibt, ihre Aktivitäten auf weit entfernte und ökologisch sensible Weltregionen auszuweiten. Es sei dringend erforderlich, dass diese Entwicklung von den zivilgesellschaftlichen Organisationen, Unternehmen und Regierungen aufgegriffen werde.


Einsicht vorhanden

Auf die Frage, warum die Unternehmen ihre Strategien ändern, antwortete Chris Anderson vom Bergbauriesen 'Rio Tinto': "Weil wir sonst keine Geschäfte mehr durchführen könnten. Wenn man nicht adäquat Rücksprache mit den Gemeinschaften hält, kommt das Projekt und somit auch das Geschäft nicht zustande." Anderson zufolge hat sich in der Führungsebene der Unternehmen in den letzten zehn Jahren die Einsicht durchgesetzt, dass Gemeinschaften vollwertige Partner bei der Entwicklung der Projekte sein könnten.

Von den 28 Unternehmen, die sich die Oxfam-Forscher näher angesehen haben, haben zwei Drittel Bestimmungen eingeführt, die eine Rücksprache mit den Gemeinschaften zu den anvisierten Projekten vorsehen. 13 haben sich direkt oder indirekt bereit erklärt, sich an verschiedene internationale Abkommen zu halten. Mit Ausnahme von zwei Konzernen nehmen alle untersuchten Firmen auf ihren Webseiten und in ihren Jahresberichten Bezug zur Allgemeinen Menschenrechtserklärung und 23 haben sich öffentlich dazu verpflichtet, die Rechte indigener Völker zu wahren.

Während die Hälfte erklärte, die Gefahr von Zwangsumsiedlungen durch ihre Projekte möglichst klein zu halten, konnten allerdings deutlich weniger genaue Umsiedlungspläne vorweisen. Nur zwei gewähren einen Einblick in diese Maßnahmen.

Wie eine der Autoren des Oxfam-Berichts, Marianne Voss, erklärte, gibt es gewisse Kriterien, die die unternehmerischen Zusagen abschwächen. Andere Firmen wendeten die Prinzipien einer freien und informierten Zustimmung ausschließlich in Ländern an, in denen diese explizit vorgeschrieben sei. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.oxfamamerica.org/publications/community-consent-index
http://www.ipsnews.net/2012/09/major-extractives-firms-no-longer-ignoring-community-consent/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2012