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ROHSTOFFE/134: Rohstoffbomben aus dem Weltall (german-foreign-policy.com)


Informationen zur Deutschen Außenpolitik - 13. Juli 2018
german-foreign-policy.com

Rohstoffbomben aus dem Weltall


BERLIN - Führende deutsche Wirtschaftsvertreter fordern die Schaffung gesetzlicher Grundlagen für die Ausbeutung des Weltraums durch deutsche Privatunternehmen. Die Bundesregierung müsse umgehend ein "Weltraumgesetz" verabschieden und darin auch den Abbau von Rohstoffen im All regeln, heißt es in einem aktuellen Positionspapier des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Darüber hinaus müssten für den Weltraumbergbau "ungebundene Finanzkredite" zur Verfügung gestellt und Haftungsobergrenzen für Schäden festgelegt werden, die etwa "durch den Einschlag von Raketenteilen" auf der Erde entstünden. Ohne Haftungsobergrenzen seien die Risiken für die Nutzung des Alls durch private Firmen zu groß. Experten haben bereits Tausende Asteroiden im Blick, die um die Erde kreisen und über reichhaltige Vorkommen etwa an Eisen oder Platin verfügen, die wiederum, wie es heißt, vielfach im "Tagebau" gefördert werden könnten. Um im Weltall die Nase vorn zu haben, müsse Berlin sich in der Europäischen Weltraumorganisation gegen Paris durchsetzen, fordern Experten.

Zukunftsmusik

Führende deutsche Wirtschaftsvertreter drängen die Bundesregierung, die entscheidenden "Weichen" für die Expansion deutscher Unternehmen in die Weiten des Weltalls zu stellen. Von besonderem Interesse sei dabei der Weltraumbergbau, für dessen Realisierung "deutsche Technik" großes Potenzial mitbringe, heißt es in einer Mitteilung, die der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kürzlich veröffentlichte.[1] Die Förderung von Rohstoffen im Sonnensystem sei zwar noch "Zukunftsmusik"; doch gehe man fest davon aus, dass sie dereinst möglich sein werde. Für die Politik gelte es deshalb schon jetzt zu handeln. Konkret fordert der BDI die Bundesregierung auf, "Rechtssicherheit" herzustellen und private Investitionen in die Ausbeutung des erdnahen Weltraums finanziell stärker zu fördern. Wenn Deutschland weiterhin seine "Schlüsselposition in der Luft- und Raumfahrt behalten und ausbauen" wolle, dann müsse die Bundesregierung ihren im Koalitionsvertrag angekündigten Plan, ein Weltraumgesetz zu verabschieden, rasch umsetzen - inklusive eines besonderen Kapitels für den Weltraumbergbau, schreibt der BDI. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD heißt es wörtlich, die Regierung beabsichtige ein Weltraumgesetz zu verabschieden, um "Investitions- und Rechtssicherheit für nichtstaatliche Raumfahrtaktivitäten zu schaffen".

Haftungsobergrenzen bei Raketeneinschlägen

Mit dem BDI-Vorstoß solle die Bundesregierung gedrängt werden, "möglichst schnell ein Gesetz zur Nutzung des Weltraums zu schaffen", heißt es in einem Pressebericht, dessen Autor Einsicht in ein noch unveröffentlichtes BDI-Positionspapier zum Weltraumbergbau erhalten hat. Demnach fordert der Verband die Bundesregierung konkret auf, "innovative Projekte des Weltraumbergbaus stärker zu fördern".[2] Die Koalition solle zum Beispiel prüfen, ob nicht etwa "KfW-Darlehen oder ungebundene Finanzkredite auch für den Weltraumbergbau zur Verfügung gestellt werden können", schreibt der Wirtschaftsverband. Überdies müsse es darum gehen, die Risiken der privaten Weltraumausbeutung zu minimieren - etwa mittels Haftungsobergrenzen für Unfälle bei Weltraumstarts, für Havarien im Weltraum, vor allem aber für "Schäden auf der Erde etwa durch den Einschlag von Raketenteilen oder geborgenen Weltraumrohstoffen". Diese Kosten könnten rasch in Milliardenhöhe anwachsen und "Unternehmen ohne Absicherung schnell in Insolvenzen treiben". Durch das Fehlen eines Weltraumgesetzes, das die teuren Risiken der künftigen Weltraumwirtschaft zuverlässig sozialisiert, drohe die deutsche Industrie ins Hintertreffen zu geraten, warnt der BDI: "Private Initiativen zur Entwicklung der Raumfahrt und des Weltraumbergbaus werden in Deutschland dadurch gehemmt oder sogar im Keim erstickt."[3] Tatsächlich mieden Weltraum-Startups Deutschland bislang - trotz des vorhandenen "technischen Knowhows", klagt der Wirtschaftsverband. 20 Staaten hätten bereits nationale Gesetze zur wirtschaftlichen Erschließung des Alls beschlossen, darunter - neben den USA - auch Länder wie Peru, die Mongolei oder Luxemburg, das zu einem "Silicon Valley für Ressourcen aus dem Weltraum" aufsteigen wolle. Deutschland drohe in Rückstand zu geraten.

Tagebau auf Asteroiden

Trotz medienwirksamer Aktionen privater Weltraumunternehmen wie der Firma Space X des Milliardärs Elon Musk, die in PR-Aktionen ganze Autos ins All befördern, befindet sich die private Weltraumbranche noch in den Kinderschuhen. In den Jahren zwischen 2000 und 2016 wurden gerade einmal 16 Milliarden US-Dollar in Weltraum-Start-ups investiert. Doch fließt jüngsten Analysen zufolge inzwischen "immer mehr Geld in die private Weltraumforschung"; die Bundesrepublik müsse dabei aufgrund ihrer technologischen Fähigkeiten eine Spitzenposition einnehmen, hieß es in Medienberichten: "Spätestens seit der Produktion und dem Einsatz der europäischen Trägerrakete Ariane-5 in den 90er-Jahren und der Entwicklung der neuen Ariane-6" sei "Deutschland eine der führenden Raumfahrtnationen".[4] Im Visier der Weltraumunternehmer sind demnach zur Zeit rund 700.000 erdnahe Asteroiden, die sich auf Umlaufbahnen um die Erde befinden. In einer ersten Phase werde, wie es heißt, die Ausbeutung von etwa 15.000 Asteroiden in besonders erdnahen Umlaufbahnen angepeilt, von denen viele wahre "Rohstoffbomben" seien, mit reichen Vorkommen an "Metallen der Eisen-Platin-Gruppe". Diese Rohstoffe könnten auf den Asteroiden vielfach im "Tagebau" abgebaut werden, da sie sich häufig an der Oberfläche befänden.

"Noch kein Business Case"

Zwar müssen auch Befürworter des Weltraumbergbaus eingestehen, dass die Förderung von Rohstoffen im All sich auf absehbare Zeit nicht rentieren werde; das sei jedoch "für den Anfang" nicht "so wichtig", heißt es: "Das Apollo-Programm mit dem Ziel der ersten bemannten Mondlandung hatte auch keinen Business Case."[5] Es herrschten derzeit "Wild-West-Verhältnisse" im Weltraum, und es gehe darum, wer als erster präsent sei. Dabei müsse Deutschland, "ein Land, das immer vorausgedacht und eine starke Industrie hat, eine größere Rolle spielen". Man hoffe zudem, im Weltraum geförderte Rohstoffe für die weitere Expansion ins All nutzen zu können.

Machtkampf in der ESA

Ungeachtet aller Ungewissheiten fordern auch führende deutsche Wissenschaftsfunktionäre wie Stephan Hobe, Direktor des Instituts für Luftrecht, Weltraumrecht und Cyberrecht, stärkere Aktivitäten der Bundesregierung bei der Erschießung des Weltraums als Wirtschaftsraum - insbesondere innerhalb der europäischen Weltraumbehörde ESA. Die "Weltraumpolitik", erklärt Hobe, müsse ein "Schlüsselthema der Auswärtigen Politik und der Wirtschaftspolitik" der Bundesrepublik sein, die schon jetzt oft Spitzenforschung im "Bereich des Weltraums" treibe und "mehr als die Franzosen" zahle, sich aber leider zu oft "die Butter von Brot nehmen" lasse.[6] In dem Machtkampf um die Führung innerhalb der ESA gelte es folglich, sich gegen Frankreich durchzusetzen. Derzeit habe - zum zweiten Mal in der Geschichte der Agentur - ein Deutscher das Amt des ESA-Generaldirektors inne; Berlin müsse "alles dafür tun", dass auch "der nächste Direktor ein Deutscher bleibt". Die Initiative des BDI allerdings weist Hobe zurück, da es sich bei ihr um reine "Symbolpolitik" ohne rechtliche Bindung handle: "Deutschland hat gar keine Jurisdiktion dafür. Laut Weltraumvertrag sind die Himmelskörper der Menschheit zugewiesen, nicht einem einzelnen Staat." Tatsächlich bewegen sich die nationalen Weltraumgesetze, wie sie etwa von den USA erlassen wurden, im Widerspruch zum internationalen Weltraumvertrag von 1967, der die Himmelskörper des Sonnensystems zu einem "Erbe der Menschheit" erklärte.[7] Dass sich der deutsche Drang nach Profit davon abhalten lässt, darf allerdings bezweifelt werden.


Anmerkungen:

[1] Weltraumbergbau: Aufbruch zu neuen Sternen. bdi.eu 26.06.2018.

[2] Nikolaus Doll: Deutschland verschläft die Chancen der kosmischen Ausbeutung. welt.de 26.06.2018.

[3] Deutsche Industrie will Weltraum ausbeuten. spiegel.de 26.06.2018.

[4], [5] Nikolaus Doll: Deutschland verschläft die Chancen der kosmischen Ausbeutung. welt.de 26.06.2018.

[6] Deutschland greift nicht nach den Sternen. zdf.de 08.07.2018.

[7] Maya Dähne: Goldrausch im All. zdf.de 08.07.2018.

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Quelle:
www.german-foreign-policy.com
Informationen zur Deutschen Außenpolitik
E-Mail: info@german-foreign-policy.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2018

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