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UNTERNEHMEN/2687: Siemens ist kein Saubermann (Kritische Aktionäre)


Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e.V.
Gemeinsame Pressemitteilung zur Hauptversammlung der Siemens AG 2018
mit medico international, Christlicher Initiative Romero (CIR), Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (fdcl), Gegenströmung, HondurasDelegation und Öku-Büro München vom 30. Januar 2018

Siemens ist kein Saubermann:
Greenwashing und Mitverantwortung für Menschenrechtsverletzungen


Zur Hauptversammlung der Siemens AG am 31. Januar 2018 prangern NGOs erneut die Mitverantwortung des Konzerns für Menschenrechtsverletzungen und Landraub in zahlreichen Ländern des globalen Südens an. Es handelt sich dabei gerade auch um Projekte, die als ökologisch beworben werden. Dazu informiert ein international besetztes Diskussionspanel am 30. Januar 2017 in München.

Siemens' völkerrechtswidrige Verträge mit Marokko über die Erbauung von Windkrafträdern in Westsahara

Siemens unterschreibt Verträge für die Erbauung von Windkrafträdern in Westsahara mit der falschen Regierung - mit der von Marokko. Seit vier Jahrzehnten hält Marokko das Gebiet der Westsahara besetzt. Die Hälfte der Bevölkerung des Gebiets ist nach der Besetzung geflohen. Kein Staat der Welt erkennt daher Marokkos Anspruch auf Westsahara an, auch der Internationale Gerichtshof hat erklärt, dass Marokko kein Recht auf dieses Land hat.
"Auch die klimafreundliche Energie darf Menschenrechte nicht außer Kraft setzen", fordert Khadja Bedati von der Sahraouischen Jugend. "Wir fühlen uns von Siemens im Stich gelassen. Saubere Energie muss auch mit sauberen Methoden produziert werden!"
Mehr als 100 UN-Resolutionen fordern das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung Westsaharas ein. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat im Dezember 2016 ein eindeutiges Urteil gefällt: Marokko hat kein Recht, Verträge in Westsahara einzugehen, daher sind auch die Verträge von Siemens mit der marokkanischen Regierung in Westsahara als illegal anzusehen.

Siemens Joint-Venture VoithHydro agierte im Fall Agua Zarca bewusst sorgfaltswidrig

Trotz direkter Kritik durch Kritische Aktionärinnen und Aktionäre ignorierte Siemens jahrelang Warnungen in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen rund um das Wasserkraftwerk Agua Zarca in Honduras, für das das Siemens Joint-Venture VoithHydro Turbinen liefern wollte. 2016 schließlich wurde die international bekannte Umweltaktivistin und Kämpferin für indigene Rechte, Berta Cáceres, ermordet.
Cáceres wurde Opfer eines Komplotts zur Beseitigung des friedlichen Widerstandes gegen das Kraftwerk. In dem Komplott agierten führende Vertreter von Voith Hydros honduranischem Vertragspartner Desarollos Energéticos S.A. (DESA) als Hauptbeteiligte. Der Vorstandsvorsitzende von Siemens, Joe Kaeser, verteidigte noch 2016, kurz vor dem Mord an Berta Cáceres, die vermeintliche Legalität des Projektes.
"Es bleibt ein Skandal, dass Siemens sich jahrelang für nicht zuständig erklärt und Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen, Morde und Warnungen vor den Praktiken des Voith Hydro-Projektpartners DESA ignoriert hat," kritisiert Andrea Lammers vom deutsch-österreichischen Netzwerk HondurasDelegation.
Auch als Minderheitsgesellschafter handelte Siemens "bewusst sorgfaltswidrig", so der von der internationalen Expertenkommission zur Aufklärung des Mordes an Berta Cáceres (GAIPE) benutzte Begriff. "Es bleibt zudem nebulös, wie Siemens derlei Tragödien in Zukunft zu verhindern gedenkt", so Lammers.

Zulieferungen für ökologisch und sozial katastrophale Großprojekte

Auf dem Isthmus von Tehuantepec in Mexiko verletzen zwei Dutzend Windkraftanlagen, an denen Siemens Gamesa beteiligt ist, kollektive Landrechte, Landnutzungsansprüche und indigene Mitbestimmungsrechte. Dadurch entstehen Konflikte, in die staatlichen Akteure und organisiertes Verbrechen mit Morddrohungen und Menschenrechtsverletzungen gegen Kraftswerksgegner*innen eingreifen. "Windkraftanlagen produzieren zwar 'grünen' Strom, ihr Bau ist aber keineswegs immer 'grün'", so Cristina Valdivia vom Ökumenischen Büro für Frieden und Gerechtigkeit aus München. Siemens hat auch für das Bergbauunternehmen Grupo México, das u.a. im mexikanischen Bundesstaat Sonora Kupfer abbaut, ein Gas- und-Dampfkraftwerk sowie ein Steuerungssystem eingerichtet. "Siemens brüstet sich auf der Webseite damit, "intelligenten und sicherheitsorientierten Bergbau" zu fördern. "Davon kann keine Rede sein: Grupo México kontaminierte 2014 aufgrund mangelnder Sicherheitsvorkehrungen drei Flüsse mit Massen an Kupfersulfat-haltigem Schlamm", stellt Verena Bax von der Christlichen Initiative Romero (CIR) klar. Von dieser schlimmsten Umweltkatastrophe der Bergbaugeschichte des Landes sind ca. 22.000 Menschen betroffen, die jetzt unter mangelnder Wasserversorgung, einer zerstörten Landwirtschaft und Krankheiten leiden. "Siemens muss sich dafür einsetzen, dass Grupo México endlich die betroffene Bevölkerung ernsthaft entschädigt", fordert Verena Bax. Durch eine konsequente menschenrechtliche Sorgfalt müsse Siemens verhindern, dass der Konzern grundsätzlich an Geschäften mit Unternehmen wie Grupo México verdiene, die immer wieder Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen begehen.

Die verschiedenen Siemens-Sparten beteiligen sich auch durch Zulieferungen an andere ökologisch und sozial katastrophale Großprojekte. "Ob beim 4,8 GW-Kohlekraftwerk Kusile in Südafrika oder bei Gaskraftwerken in Argentinien, die in Zukunft mit dem per Fracking gewonnenen Shale-Gas des Großvorkommens Vaca Muerta betrieben werden sollen: "Siemens mischt überall mit und schert sich nicht um das Klima und die saubere Umwelt der lokalen Anwohnerinnen und Anwohner", kritisiert Tilman Massa vom Dachverband der Kritischen Aktionäre aus Köln. Weitere ökologisch und sozial katastrophale Großprojekte sieht das Bündnis bei Projekten wie dem Bahn- und Hafenkomplex Nacala in Mosambik, über den die Kohle aus Vales Mine Moatize abtransportiert werden soll, eine Mine, die die Vertreibung Tausender Kleinbauern zur Folge hat. Siemens hat zudem E-House-Transformatorstationen an Uranminen in Namibia geliefert. "Den Atomausstieg im Inland mittragen, aber im Ausland verdient Siemens weiter kräftig an der Atomenergie", kritisiert Massa weiter.



Kundgebung vor der Siemens-Hauptversammlung:
31. Januar 2018, Olympiahalle, vor dem Haupteingang

Gegenanträge und Siemens-Steckbrief:
www.kritischeaktionaere.de

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Quelle:
Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre
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Internet: www.kritischeaktionaere.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2018

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