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VERKEHR/1270: E-Autos im Alltagstest (RUBIN)


RUBIN - Wissenschaftsmagazin, Winter 2012
Ruhr-Universität Bochum

E-Autos im Alltagstest

Flottentest ergibt Ansätze zum Nachbessern



Elektroautos sind - betrieben mit Strom aus erneuerbaren Energien - eine umweltfreundliche Sache und ein wichtiger Schritt zur Energiewende. Bislang haben sie den Durchbruch hierzulande allerdings noch nicht geschafft. Woran hapert es? Die Alltagstauglichkeit der E-Autos testeten Forscher unter Federführung von RUB-Elektrotechnikern im Feldversuch. Sie untersuchten unter anderem, welche Wünsche und Erwartungen Autofahrer an ein E-Auto haben und wie sie die Nutzung empfinden.


Elektrisch mobil, mit minimalem CO2-Ausstoß und billiger als mit Benzin - das könnte schon schön sein. Trotzdem sind Elektroautos auf unseren Straßen noch die große Ausnahme. Was müsste geschehen, damit sich E-Autos durchsetzen? Das war eine der Fragen, die Elektrotechniker um Prof. Dr.-Ing. Constantinos Sourkounis im Projekt "Elektromobilität - Technologie Roadmap" beantworten wollten.

Das Ruhrgebiet war dabei eine von insgesamt acht Modellregionen in Deutschland, gefördert unter anderem vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Die Forscher der RUB schafften Ende 2010 sechs Elektrofahrzeuge an. "Das war damals gar nicht so einfach und ist uns teils aufgrund unserer guten Zusammenarbeit mit der Automobilindustrie und den -zulieferern gelungen", erzählt Alexander Broy aus dem Projektteam vom Institut für Energiesystemtechnik und Leistungsmechatronik. Angeschafft wurden zwei Serienfahrzeuge i-MiEV von Mitsubishi, zwei norwegische Think City-Fahrzeuge, ein deutscher Stromos und ein umgerüsteter Fiat 500 (Abb. 2). Außerdem installierten die Forscher vier Ladestationen auf dem Campus.

Die Autos wurden von den RUB-Forschern dann gemeinsam mit dem Automobilzulieferer Delphi mit aufwendiger Messtechnik ausgestattet. Sensoren erfassen Werte wie die Fahrleistung zwischen zwei Aufladungen, die gefahrenen Kilometer pro Strecke, das Streckenprofil, Temperaturen, den Gesamtenergieverbrauch und den Energieverbrauch der Nebenaggregate, wie zum Beispiel Klimaanlage, Heizung und 12-V-Bordnetz.

Per Aufruf rekrutierten die Wissenschaftler im nächsten Schritt 70 Testfahrer: Ärzte, Hausfrauen, Anwälte, Altenpfleger, Unternehmer, Rentner und viele andere Berufsgruppen waren vertreten, die Altersspanne reichte von 21 bis 73 Jahre. Etwas mehr als die Hälfte der Testfahrer nutzten das Auto nur privat, 43 Prozent auch dienstlich. Jeder Testfahrer und jede Testfahrerin - etwa 40 Prozent waren Frauen - bekam das Auto für mindestens eine Woche mit nach Hause. 95 Prozent nutzten es während dieser Zeit als Hauptverkehrsmittel. Alle nutzten es täglich oder fast täglich. Bei der Auswahl der Fahrer achteten die Forscher darauf, dass die gefahrenen Strecken möglichst variantenreich zu werden versprachen: Unter den Fahrern waren Berufspendler und gelegentliche Nutzer, Einwohner von Städten und von Gegenden auf dem flachen oder bergigen Land, Autobahnfahrer und Fahrer, die das Auto multimodal nutzten, das heißt in Kombination mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Park and Ride).

Vor der ersten Fahrt wurden sämtliche künftigen E-Fahrerinnen und -Fahrer zu ihren Erwartungen und Meinungen befragt. Wie groß würde der Fahrspaß sein? Würde das Elektroauto ihre Begeisterung wecken können? Die Höchstgeschwindigkeit angemessen sein? Das Auto praktisch und die Bedienung einfach zu lernen? Wie sieht es mit der Verfügbarkeit von Ladesäulen und Ökostrom aus? Wie sicher fühlt man sich? Dann ging es los: Etwa sechs Monate lang rollte die Testflotte durchs Land, bis belastbare Erkenntnisse aus den Feldtests abgeleitet werden konnten (die Feldversuche werden bis heute noch fortgeführt). Über 50.000 Kilometer legten die Fahrerinnen und Fahrer in der Zeit des Projekts mit den E-Autos insgesamt zurück. Nach der Testzeit gab es noch einmal die gleiche Befragung für die Fahrer wie zu Beginn - die spannende Frage: Haben sich die Erwartungen erfüllt?

"Man kann ganz klar sagen, dass die Erwartungen an die Fahrzeuge in den meisten Fragen übererfüllt worden sind", fasst Constantinos Sourkounis zusammen. Je über 80 Prozent der Fahrer fanden den Umgang mit dem Fahrzeug leicht zu lernen und das Auto einfach zu nutzen. Vorher hatten das nur rund 50 bzw. 40 Prozent angenommen (Abb. 3). Etwa die Hälfte der Nutzer bescheinigte dem Auto großen Fahrspaß bzw. tat seine Begeisterung kund (vorher nur je rund 30 Prozent, Abb. 4). Unterschiedlich war die Zufriedenheit der Fahrer mit der Höchstgeschwindigkeit, die abhängig vom Fahrzeug zwischen 110 und 130 Stundenkilometern lag. "110 Stundenkilometer sind auf der Autobahn natürlich nicht sehr komfortabel", meint auch Constantinos Sourkounis.

Manche Vorbehalte der Fahrer gegenüber Elektroautos entlarvten die Wissenschaftler anhand ihrer Studie als unbedeutend. So wird häufig die Reichweite pro Batteriefüllung von rund 100 Kilometern als zu kurz angesehen und als Argument gegen ein Elektrofahrzeug angegeben. "Dabei waren 80 Prozent der in unserem Versuch gefahrenen Strecken kürzer als fünf Kilometer. Zwischen zwei Aufladungen haben unsere Testfahrer im Durchschnitt nur 44 Kilometer zurückgelegt. Das heißt, die Batterie war noch zu 60 bis 70 Prozent gefüllt, wenn das Auto wieder an die Steckdose gehängt wurde", erklärt Philipp Spichartz vom Projektteam. Die Forscher erklären sich dieses Nutzerverhalten mit dem noch fehlenden Vertrauen ins E-Auto. Zwar würde es mit halber Akkuladung noch rund 50 Kilometer fahren können - aber beim Benziner geht in diesem "Ladezustand" des Tanks bereits eine Warnlampe an.

Der Energieverbrauch der getesteten Elektroautos lag im Durchschnitt bei 13 Kilowattstunden auf 100 Kilometer. Bei einem Strompreis von rund 25 Cent pro Kilowattstunde bedeutet das Kosten von 3,25 Euro - im Vergleich zu den Benzinkosten herkömmlicher Autos ein Klacks.

Alle Zeichen auf Grün also fürs E-Auto, zumindest als Zweitwagen für kürzere Strecken? Leider nicht ganz: "Das größte Problem sind die fehlenden Lademöglichkeiten", sagt Constantinos Sourkounis und spricht damit seinen Testfahrern aus der Seele (Abb. 1 und 5). Nach ihren Wünschen an ein Elektrofahrzeug gefragt, äußerten 54 Prozent der Testfahrer den Wunsch nach mehr Lademöglichkeiten. Um sie ist es nicht gut bestellt - in Bochum gibt es geschätzt ganze zwölf Säulen. "Es gibt generell nur wenige Ladesäulen im öffentlichen Raum, und die vorhandenen sind nicht alle gleich. Für manche braucht man einen speziellen Adapter, und es kann auch nicht jeder dort tanken. Manchmal muss man sich erst als Kunde registrieren. Kompliziert", beklagt Constantinos Sourkounis. Die Energieversorger, die für mehr Säulen sorgen könnten, argumentieren mit der geringen Zahl der Elektroautos und den hohen Kosten von 8.000 bis 10.000 Euro für eine Ladesäule. Damit sei kein Geschäft zu machen. Die potenziellen E-Auto-Fahrer schaffen sich kein Elektroauto an, weil es unter anderem so wenige Ladesäulen gibt. So schließt sich der Kreis.

Ein weiteres gewichtiges Gegenargument zur Anschaffung eines Elektroautos ist der Preis. 28 Prozent der Testfahrer ist er zu hoch. Ein Elektroauto ist heute - vor allem wegen der Batterie - etwa so teuer wie zwei gleich große herkömmliche Autos. Über die Hälfte der Testnutzer wünschen sich daher steuerliche Vergünstigungen oder günstige Versicherungen.

Die Forschung kann in diesen Fragen wenig beitragen, wohl aber an anderen Stellen auf dem Wunschzettel einhaken: Da finden sich auch größere Reichweiten und geringere Ladedauer (an einer normalen Steckdose dauert es sechs bis acht Stunden, bis die Batterie vollständig geladen ist). In einem Folgeprojekt wird es daher darum gehen, die Energieeffizienz der Fahrzeuge zu verbessern, denn der Alltagsbetrieb zeigte ein deutliches Verbesserungspotenzial bei der Rückgewinnung von Energie beim Bremsen, bei Wirkungsgraden im gesamten Antriebsstrang und beim intelligenten Management der Nebenaggregate. Um die Reichweitenproblematik anzugehen, beschreiten die Forscher im Folgeprojekt noch zwei weitere Wege: In einem größeren Versuch mit 350 Fahrerinnen und Fahrern über mehr als zwei Jahre wollen sie Fahrzeuge mit sogenanntem Range Extender erproben. Das sind Autos, die sowohl elektrisch als auch per Verbrennungsmotor angetrieben werden können - geht der Strom aus, springt der Benzinmotor ein. Und sie untersuchen schnellladefähige Fahrzeuge wie den Mitsubishi i-MiEV. Dafür wollen sie auch eine Schnellladeinfrastruktur aufbauen, denn noch ist nicht jede Ladesäule auch schnellladefähig.   md


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3 Fragen an Constantinos Sourkounis

Waren die Ergebnisse des Projekts für Sie überraschend?

Ein wenig schon: Wir hatten zum einen erwartet, dass die meisten Leute sagen würden, "das ist kein Auto, das mich interessiert". Es war aber nicht so, wir hatten mehr Bewerber, als wir aufnehmen konnten. Im Nachhinein gaben die Fahrer auch an, großen Fahrspaß gehabt zu haben, obwohl die Autos eine kleinere Leistung haben als herkömmliche Fahrzeuge. Von den Lademöglichkeiten waren wir negativ überrascht. Die Stromversorger sehen zurzeit kein rentables Geschäftsfeld.

Zurzeit scheint die Elektromobilität in Deutschland keine Chance zu haben. Woran liegt das?

Es sieht zurzeit deswegen so schlecht aus, weil die Akzeptanz und der Markt nicht richtig dargestellt wurden. So haben die deutschen Autobauer ihre Aktivitäten für die Entwicklung von E-Fahrzeugen später gestartet als im Ausland. Eine Verbesserung kann zum Beispiel mit Förderungen oder steuerlichen Vergünstigungen erreicht werden.

Hat die Elektromobilität hierzulande denn künftig überhaupt eine Chance?

Unsere Gesellschaft und die Industrie müssen sich stärker mit dem Thema befassen, wenn wir auf dem Weltmarkt erfolgreich bleiben wollen. Es gibt schon Länder, zum Beispiel China, da dürfen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor je nach Nummernschild nur noch an bestimmten Wochentagen fahren, um den Smog einzudämmen. Dort haben Elektroroller die Benziner schon komplett verdrängt. Ein gewisser Druck kommt also auch von außen. Wir denken, die ersten Schritte sind erfolgreich vollzogen. Aufgrund der Erkenntnisse aus den Feldversuchen machen wir uns um die Nutzer keine Sorgen: 95 Prozent unserer Testfahrer haben angegeben, positive Reaktionen Dritter auf das Fahrzeug bekommen zu haben. 85 Prozent werden die Entwicklung der Elektrofahrzeuge weiter verfolgen. Die Erfahrung mit einem Elektrofahrzeug verbessert die eigene Meinung noch.

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 1, S. 47:
Den Stecker in die Dose statt den Rüssel in den Tank - bald schon Alltag in Deutschland?

Abb. 2, S. 46:
Einige Autos der Elektro-Flotte der RUB, darunter der umgerüstete Fiat 500 (Mitte) und eines der wenigen Serien-Elektroautos, der Mitsubishi iMieV (vorn)

Abb. 3, S. 48:
Umgang einfach zu erlernen
Das Fahren im E-Auto ist einfach zu lernen, schätzten schon vor dem Versuch viele Teilnehmer. Danach waren noch mehr von ihnen davon überzeugt.

Abb. 4a, S. 48:
Großer Fahrspaß
Der Fahrspaß stellte sich im Nachhinein als noch größer heraus als im Vorhinein angenommen.

Abb. 4b, S. 48:
Elektrofahrzeug weckt Begeisterung
Entsprechend wuchs auch die Begeisterung fürs elektrische Fahren nach der Teilnahme am Versuch noch an.

Abb. 5, S. 48:
Verfügbarkeit von Lademöglichkeiten im öffentlichen Raum
Mit ausreichenden Lademöglichkeiten rechneten die Befragten schon vor dem Testfahren nicht. Die Probezeit mit E-Auto bestätigte die Vorbehalte.


Den Artikel mit Bildern finden Sie im Internet im PDF-Format unter:
http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/rubin-herbst-2012/pdf/beitrag8.pdf

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Quelle:
RUBIN - Wissenschaftsmagazin, Winter 2012, S. 46-49
Herausgeber: Rektorat der Ruhr-Universität Bochum
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und Markenbildung der Ruhr-Universität Bochum
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. März 2013