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FRAGEN/003: Haftung bei Sturmschäden - Rechtliche Fragen im Herbst (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 15. November 2010

Interviewangebot anlässlich des Herbststurmes

Rechtliche Fragen im Herbst


Der Herbst kommt mit Regen, Sturm und Nebel und zeigt sich von seiner ungemütlichen Seite. Sollten hierbei auch noch Schäden entstehen, taucht immer wieder die Frage auf: Wer haftet nun eigentlich, wenn mir ein Ast auf den Kopf gefallen ist oder herabfallende Kastanien das Autodach beschädigt haben?

Rechtsanwalt Swen Walentowski des Deutschen Anwaltvereins stellt sich den Fragen:


Gibt es eine generelle Regelung hinsichtlich der Haftung?

Antwort:
Grundsätzlich ist es so, dass immer der Verkehrssicherungspflichtige für den Schaden einzustehen hat. Das bedeutet, derjenige, auf dessen Grundstück ein Baum steht, muss dafür sorgen, dass keine herabfallenden Äste Personen verletzen, auf öffentlichen Flächen ist es dann die Gemeinde. Beim Gewerbegebiet ist es beispielsweise so, dass dort, wo Lastkraftwagen fahren, Zweige von Bäumen nicht in die Fahrbahn, auch nicht auf einer Höhe von zwei Metern, hineinragen dürfen. Allerdings gilt diese Verkehrssicherungspflicht nicht uneingeschränkt und absolut: Als Betroffener einer solchen Pflicht muss ich alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um andere vor Schäden zu schützen. Unzumutbar ist beispielsweise die stündliche Beseitigung des Laubes bzw. andere Maßnahmen. Zudem gibt es Fälle höherer Gewalt.

Wer haftet denn, wenn viel Laub auf dem Gehweg liegt und man ausrutscht?

Antwort:
Grundsätzlich gilt das eben Gesagte. Allerdings ist der Verkehrssicherungspflichtige, das kann der Privatmensch sein oder die Gemeinde, verpflichtet, in einem festen Turnus den Gehweg zu reinigen. Man könne von der Gemeinde oder auch von einem Privatmann nicht verlangen, dass er die Gehwege stündlich oder auch täglich reinigt, entschied einmal das Landgericht Coburg. Generell gilt ja auch, dass die Gefahren von Glätte und Rutschigkeit der Gehwege aufgrund des Laubes ausreichend bekannt sind. Jeder Fußgänger muss sich darauf einstellen (vgl. Urteil des OLG München vom 20.10.1994, Az. 1 U 3118/94). Es würde den Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren weit überspannen, wollte man von dem Unterhaltspflichtigen verlangen, er müsse rutschiges Laub sofort entfernen (OLG Nürnberg vom 24.02.1993, Az. 4 U 3149/92).

Wer haftet, wenn Äste oder Kastanien einen Schaden anrichten?

Antwort:
Bei toten Ästen sowie Verletzungen oder Beschädigungen des Baumes ist man verpflichtet, je nach Standort, z. B. in er Nähe einer Straße, regelmäßig eingehende Untersuchungen vorzunehmen. Im Regelfall reicht eine laufende Untersuchung der Bäume durch das Anschauen. Erst bei Anzeichen für eine Gefährdung durch den Baum muss eingeschritten werden. Bei Kastanien liegt die Sache anders, bei Eicheln ebenso. So hat beispielsweise das Amtsgericht Heilbronn ausdrücklich gesagt, dass es "jedem Durchschnittsbürger von Kindheit an bekannt ist, dass Kastanienbäume zur Herbstzeit gewöhnlicherweise Früchte tragen, die, wenn sie aus großer Höhe herunterfallen, Gegenstände beschädigen oder gar Menschen verletzen können" (Urteil vom 29.03.1995, Az. 7 C 1161/95). Dies ist die allgemeine Lebensgefahr, auf die sich jeder einstellen muss.

Wie verhält es sich, wenn Dachziegel vom Dach fallen?

Antwort:
Die Rechtslage ist relativ eindeutig. Wessen Auto oder Ähnliches durch herabfallende Dachziegel beschädigt wird, bekommt in aller Regel den Schaden von dem Hausbesitzer ersetzt. Dieser ist verantwortlich, dass die Dachziegel ordentlich auf dem Untergrund befestigt sind. Eine Ausnahme ist nur dann denkbar, wenn er sich auf höhere Gewalt berufen kann. Ein normaler Sturm mit etwa der Windstärke 10 (100 km/h) bzw. 11 reicht hierfür nicht aus, es muss schon ein Orkan o. Ä. vorliegen. Indiz dafür, ob er seiner Verkehrssicherungspflicht nachgekommen ist, kann beispielsweise sein, ob an den Nachbargebäuden ebenfalls Schäden an der Dachkonstruktion festzustellen sind. Bei normalen Stürmen spricht schon der Anscheinsbeweis dafür, dass die Dachziegel fehlerhaft angebracht waren (vgl. Urteil des AG Leverkusen vom 15.12.2009, Az. 20 C 111/09, oder AG Aachen, Urteil vom 31.08.2006, Az. 80 C 471/09).

Wie sieht es denn aus, wenn ein ganzer Baum umfällt?

Antwort:
Bei starken Winden kommt es oftmals zum Astbruch oder auch zum Umsturz ganzer Bäume mit erheblichen Schäden. Die Gemeinde muss dann für den Schaden haften und Schmerzensgeld zahlen, wenn ein durch sie beauftragter Baumkontrolleur hätte erkennen müssen, dass der Baum morsch ist. Also hier trifft das Straßenbauamt eine erhöhte Sorgfaltspflicht (vgl. OLG Rostock vom 10.07.2009, Az. 5 U 334/08).

Wie kann ich meine Rechte durchsetzen oder unberechtigte Ansprüche abwehren?

Antwort:
Empfehlenswert ist der Gang zu einer Anwältin oder einem Anwalt. Für den Geschädigten besteht sogar noch der Vorteil darin, dass zunächst geprüft werden kann, ob die gegnerische Versicherung bzw. der Schadenverursacher für die Anwaltskosten aufkommen müssen. Regelmäßig ist dies der Fall. Zu den verschiedenen Rechtsgebieten findet man die passende Anwältin bzw. den passenden Anwalt in der Nähe unter www.anwaltauskunft.de


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Quelle:
Pressemitteilung vom 15. November 2010
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
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Tel.: 0 30/72 61 52 - 129
Fax: 0 30/72 61 52 - 193
E-mail: walentowski@anwaltverein.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2010