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GRUNDGESETZ/066: Online-Durchsuchung nur unter strengen Voraussetzungen (MPG)


Max-Planck-Gesellschaft - 27. Februar 2008

Online-Durchsuchung: Max-Planck-Vorschlag setzt sich durch

Bundesverfassungsgericht lässt Online-Durchsuchung nur unter strengen Voraussetzungen zu


Das heute verkündete Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung liegt auf der Linie des Gutachtens von Prof. Dr. Ulrich Sieber, Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg. Entsprechend den Ausführungen, die Prof. Sieber als Sachverständiger in dem Verfahren vorgetragen hatte, lehnt das Gericht Online-Durchsuchungen als Ermittlungsmaßnahme nicht grundsätzlich ab, sondern lässt sie unter engen rechtsstaatlichen Voraussetzungen zu.

Prof. Sieber begrüßte das Urteil in einem Interview des Fernsehsenders Phoenix: "Das Urteil ist ein wichtiger Meilenstein für den Schutz der Freiheit in der Informationsgesellschaft, gibt aber auch den notwendigen Freiraum für die Gewährleistung von Sicherheit." Er hob vor allem die folgenden zentralen Punkte des Urteils hervor:

Die Schaffung des neuen Grundrechts zur Gewährleistung der Vertraulichkeit und der Integrität von informationstechnischen Systemen ist eine innovative und herausragende Lösung zum Schutz von Persönlichkeitsrechten unter den Bedingungen der modernen Informationsgesellschaft. Sie schließt bestehende Schutzlücken bei der Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das Urteil ermöglicht aber auch eine effektive Kontrolle und Verfolgung schwerster Kriminalität.
 
Die wichtigste Beschränkung von Maßnahmen zur Ausforschung von Computersystemen liegt in ihrer Begrenzung auf Fälle, in denen tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für überragende Rechtsgüter wie Leib oder Leben oder den Bestand des Staates bestehen. Vor allem die Forderung einer "konkreten" Gefahr schließt flächendeckende Vorfeldermittlungen durch staatliche Stellen aus - eine zentrale Forderung in dem Gutachten von Prof. Sieber.
 
Die Begrenzung auf den Schutz überragender Gemeinschaftsgüter verhindert ebenfalls einen massenhaften und unverhältnismäßigen Einsatz dieser eingriffsintensiven Ermittlungsmaßnahme.
 
Mit dem Urteil können aber auch die Sicherheitsbehörden gut leben: Der Schutz des Kernbereichs von Grundrechten verbietet zwar grundsätzlich einen Zugriff auf entsprechende Daten. Soweit schutzwürdige Daten nur durch deren Analyse identifiziert werden können, ist jedoch auch eine nachträgliche Datenlöschung ausreichend. Die Ermittlungsbehörden müssen ihre Maßnahmen daher nicht zwingend sofort abbrechen, wenn eine verdächtige Datei auch Gebete oder Tagebucheinträge enthält. Positiv für die Ermittlungsbehörden ist auch, dass das Abhören von verschlüsselter Internettelefonie im Wege der sog. Quellen-Telekommunikationsüberwachung weiterhin mit den klassischen Vorschriften der Telefonüberwachung möglich ist.

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Quelle:
MPG - Presseinformation vom 27. Februar 2008
Herausgeber:
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2008