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GRUNDGESETZ/105: Vorratsdatenspeicherungs-Urteil - Jetzt muß die Politik nachbessern (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 2. März 2010

DAV zum Vorratsdatenspeicherungs-Urteil: Jetzt muss die Politik nachbessern!


Das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden, dass das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung, das eine EU-Richtlinie zur Terrorabwehr umsetzt, den verfassungsrechtlichen Vorgaben widerspricht. Das Gericht fordert strengere Sicherheitsauflagen und Zugriffsbeschränkungen bei der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung. Mit seinem "Nein, aber..." räumt das Gericht, dem Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf Schutz ihrer Privatsphäre den Raum ein, den dieser Anspruch nach Ansicht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) im Rechtsstaat auch angesichts der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus verdient.

"Die Freiheitssphäre der Bürger muss vor ungerechtfertigten Eingriffen des Staates geschützt werden", so Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Präsident des Deutschen Anwaltvereins. Es sei nicht nachvollziehbar, dass im Vorfeld der Strafverfolgung aus Vorsorge im Hinblick auf eventuell in der Zukunft zu erwartende Straftaten in die Bürgerrechte durch die Speicherung dieser Daten eingegriffen werden soll. Damit sei der Weg frei, jeden Bürger dem Verdacht einer Straftat auszusetzen.

"Die Politik ist jetzt in der Pflicht - sie muss nachbessern", so Ewer. Am sinnvollsten sei es jetzt, die EU-Richtlinie zu ändern. "Denn es ist fraglich, ob die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit Inkrafttreten der verbindlichen EU-Grundrechtecharta im Dezember 2009 überhaupt noch Bestand hat", ergänzt Ewer. Die Achtung der Privatsphäre habe im demokratischen Rechtsstaat oberste Priorität.

Der Deutsche Anwaltverein begrüßt daher auch das Vorhaben der neuen EU-Justizkommissarin Viviane Reding. Diese hatte angekündigt, die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung auf den Prüfstand zu stellen. Denn - ungeachtet aller Sicherheitsauflagen und Zugriffsbeschränkungen - die verdachtslose Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen das strikte nationale Verbot der Sammlung personenbezogener Daten auf Vorrat, ohne dass ein konkreter Anlass vorliegt. Millionen von Menschen sind betroffen, die sich überhaupt nicht verdächtig gemacht haben. Die Daten, die von den Strafverfolgungsbehörden tatsächlich verwertet werden, machen auch nur einen Bruchteil der insgesamt gespeicherten Daten aus. Dieses Missverhältnis macht deutlich, dass die Maßnahme mehr als unverhältnismäßig ist. Auch das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant ist erheblichen Gefahren ausgesetzt. Es muss grundsätzlich vorbehaltlos geschützt werden.

Nach dem Gesetz werden seit 1. Januar 2008 Verbindungsdaten aus der Telefon-, Mail- und Internetnutzung sowie Handy-Standortdaten für sechs Monate ohne Verdacht oder konkreten Hinweis gespeichert werden. Diese Pflicht bezieht sich zwar nicht auf Telekommunikationsinhalte, aber auf nicht minder sensible Daten, nämlich die Verkehrsdaten aller Endnutzer (Verbraucher). Bei Kenntnis solcher Daten können beispielsweise lückenlose Bewegungsprofile der Nutzer und ihrer Kommunikationspartner erstellt werden. Die Vorratsdatenspeicherung erfolgt ohne Verdacht oder Anlass. In zwei Eilverfahren hatte das Bundesverfassungsgericht die Massenspeicherung der Daten vorerst gebilligt, aber deren Nutzung zur Strafverfolgung deutlich eingeschränkt.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 07/10 vom 2. März 2010
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2010