Schattenblick →INFOPOOL →RECHT → FAKTEN

INTERNATIONAL/049: El Salvador - Klage wegen Mordes an Lyriker Roque Dalton vor 35 Jahren abgewiesen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Januar 2012

El Salvador: Klage wegen Mordes an Lyriker Roque Dalton vor 35 Jahren abgewiesen

von Edgardo Ayala


San Salvador, 10. Januar (IPS) - In El Salvador sind die Söhne von Roque Dalton, einem der bedeutendsten zentralamerikanischen Lyriker des 20. Jahrhunderts, mit einer Klage gegen zwei frühere Guerillaführer gescheitert. Sie machen die beiden Ex-Rebellen Jorge Meléndez und Joaquín Villalobos für den Mord an ihrem Vater im Mai 1975 verantwortlich. Der zuständige Richter wies die Klage mit der Begründung ab, die Straftat sei verjährt.

Dalton war ein ehemaliger Mitstreiter von Meléndez und Villalobos und als solcher Mitglied der linken Revolutionären Volksarmee (ERP), die später in der Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) aufging. Die FMLN führte wiederum in den Jahren 1980 bis 1992 einen Guerillakrieg gegen die Regierung. Heute ist sie eine politische Partei, die mit Mauricio Funes ihren ersten Staatspräsidenten stellt.

"Seit 36 Jahren fordern wir Gerechtigkeit", kommentierte einer der beiden Dalton-Söhne, der Journalist Juan José Dalton, die richterliche Entscheidung vom 9. Januar. "Erstmals hatten wir Gelegenheit zu einer Anhörung im Fall meines Vaters, doch nach drei Stunden war alles vorbei." Dass die Klage nicht zugelassen wurde, ist seiner Meinung nach "der Beweis für die Straflosigkeit in einem korrupten System, das sich auf die Täter- und nicht auf die Opferseite stellt".

Den Klägern zufolge war Roque Dalton, der uneheliche Sohn eines US-amerikanischen Unternehmers, im Mai 1975 von einem 'Revolutionsgericht' zum Tode verurteilt worden, weil er angeblich mit dem CIA kooperiert hatte. Die genauen Umstände seines Todes sind unbekannt, ebenso der Ort, an dem seine Leiche zu finden ist. Seine Familie vermutet, dass er auf einem Grundstück im Viertel Santa Anita im Osten der Hauptstadt San Salvador oder dem Lavafeld El Playón 'entsorgt' wurde, das rechtsgerichteten Todesschwadronen im Bürgerkrieg als Leichenabladeplatz diente.

Villalobos fungiert derzeit als Anti-Drogenberater der mexikanischen Regierung. Er ließ sich bei der Anhörung von einem Rechtsanwalt vertreten. Meléndez, der einen hohen Posten in der seit 2009 amtierenden Funes-Regierung bekleidet, war hingegen anwesend. "Es wurden so viele Lügen und Unwahrheiten erzählt - das alles könnte Teil eines politischen Komplotts sein", hatte er vor Betreten des Gerichtsgebäudes gegenüber Journalisten erklärt.

Der 1935 geborene Roque Dalton gehört zusammen mit den Uruguayern Mario Benedetti und Eduardo Galeano, den Argentiniern Juan Gelman und Julio Cortázar, dem Peruaner Mario Vargas Llosa und dem Kolumbianer Gabriel García Márquez zu den bekanntesten Schriftstellern Lateinamerikas. International bekannt wurde er unter anderem durch seinen preisgekrönten Gedichtband 'Und andere Orte' und den Roman 'Die Welt ist ein hinkender Tausendfüßler'.

Im Mai 2010 hatte die Familie Dalton die Generalstaatsanwaltschaft vergeblich aufgefordert, den Fall zu untersuchen. Ebenso vergeblich bat sie Staatspräsident Funes um die Entfernung von Meléndez aus dem Staatsdienst. Im November brachte sie den Fall vor die Interamerikanische Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten. Beobachtern zufolge könnte die jüngste Entscheidung der salvadorianischen Justiz den Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof veranlassen, die Klage zuzulassen. (Ende/IPS/kb/2012)


Link:
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=99933

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 10. Januar 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2012