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INTERNATIONAL/069: Chile - Gericht ordnet Exhumierung verstorbener Kupferarbeiter an (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. Juli 2012

Chile: Verseuchte Industriestadt Ventanas - Gericht ordnet Exhumierung verstorbener Kupferarbeiter an

von Karina Böckmann



Santiago, 26. Juli (IPS) - Ein chilenisches Gericht hat die Exhumierung der Leichen von 22 ehemaligen Arbeitern des Nationalen Bergbauunternehmens angeordnet, die jahrzehntelang den giftigen Dämpfen und Schadstoffen der Kupferhüttenstadt Ventanas ausgesetzt waren.

Eine Untersuchung der sterblichen Überreste soll klären, ob den ehemaligen Arbeitern der ständige Kontakt mit den dort freigesetzten Schwermetallen zum Verhängnis wurde, wovon Umweltschützer, Experten und die Witwen der Opfer ausgehen. Seit 2005 werden die Produktionsanlagen vom Nationalen Kupferunternehmen 'Codelco' betrieben.

Ventanas, etwa 180 Kilometer nordwestlich der chilenischen Hauptstadt Santiago gelegen, wurde von der Umweltorganisation 'Oceana' zur "Opferzone" ('zona de sacrificio') erklärt. In der Ortschaft finden sich neben dem Kupferindustriekomplex auch drei mit Kohle betriebene thermoelektrische Anlagen, die ebenfalls Mensch und Umwelt belasten.

"Keine Regierung hat bislang die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um die Situation in Ventanas zu verbessern. Das hat dazu geführt, dass Unternehmen hier rücksichtslos und ohne Angst vor strafrechtlicher Verfolgung schalten und walten können", erklärte dazu der Oceana-Vorsitzende Alex Muñoz.

Das Gericht hat angeordnet, dass die Exhumierung der ersten vier Leichen innerhalb der nächsten Wochen stattfinden muss. Angenommen wird, dass Schwermetalle in Blut und Knochenmark sowie in Lungen, Nieren und anderen Organen letztendlich den Tod der Arbeiter verursacht haben.


Schließung der Codelco-Kupferhütte gefordert

Im Mai forderte Oceana vor dem Umweltausschuss des chilenischen Parlaments die Schließung des Codelco-Kupferhüttenwerks in Ventanas. Das zu 100 Prozent in staatlichem Besitz befindliche Unternehmen gilt international als Branchenführer und verfügt über die neuesten Technologien sowie hochspezialisiertes Personal.

Die Gesellschaft wurde 1971 durch die damalige sozialistische Regierung von Präsident Salvador Allende verstaatlicht und kontrolliert rund 20 Prozent der weltweiten Kupfervorkommen. In den vergangenen Jahren erzielte Kupfer an der Londoner Metallbörse Rekordpreise von mehr als vier US-Dollar das Pfund.

Die Gewinne von Codelco vor Abzug der Steuern stiegen 2011 um 21,2 Prozent und damit um 1,2 Milliarden Dollar. Das war der drittbeste Jahresabschluss in der Geschichte des Unternehmens, das im vergangenen Jahr rund 1,7 Millionen Tonnen Feinkupfer produzierte. Nach Angaben von Codelco stiegen die Einnahmen des Staates aus den Kupfergeschäften auf mehr als sieben Milliarden Dollar.

Von dem Boom können die einfachen Arbeiter bisher nicht profitieren. Sie verdienen nicht mehr als umgerechnet 300 Dollar im Monat - und das, obwohl ihre Arbeit gewisse Risiken birgt, wie die Ergebnisse einer Untersuchung belegen, die Oceana im Umfeld des Codelco-Hüttenwerks unter Aufsicht des Labors der 'Stiftung Chile' im Umfeld durchgeführt hat.


Schwermetalle in Meerestieren

Demnach fanden sich in Meeresressourcen wie Muscheln, Schnecken und Krebsen Schwermetalle in hochkonzentrierter Form. Die Stiftung Chile ist eine gemeinnützige Organisation, die sich im Interesse der chilenischen Wirtschaft für die Förderung und den Transfer von innovativen und ressourcenschonenden Technologien stark macht und unter anderem eng mit der chilenischen Regierung zusammenarbeitet.

Schwermetalle sind für die Organismen von Mensch und Tier vor allem deshalb so gefährlich, weil sie nicht ausgeschieden werden können. Kadmium etwa steht im Verdacht, krebserregend zu sein, das menschliche Erbgut zu schädigen und unter anderem Blutarmut, Knochenmarksschäden und Osteoporose herbeizuführen. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.fundacionchile.com
http://www.youtube.com/user/OceanaChile
http://www.ipsnews.de/news/news.php?key1=2012-05-2914:48:21&key2=1
http://www.tierramerica.info/nota.php?lang=esp&idnews=4321&olt=587

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2012