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INTERNATIONAL/154: Iran - Atomabkommen als Hoffnungsschimmer für inhaftierten Journalisten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. August 2015

Iran: Atomabkommen als Hoffnungsschimmer für inhaftierten Journalisten

von Nora Happel



Bild: © http://freejasonandyegi.com/

Der iranisch-US-amerikanische Journalist Jason Rezaian sitzt seit Juli 2014 im Iran im Gefängnis
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New York (IPS) - Nur noch wenige Tage, dann soll Jason Rezaian das Urteil erfahren. Der iranisch-US-amerikanische Journalist sitzt seit etwas mehr als einem Jahr in einem Gefängnis in Teheran, der Hauptstadt des Irans. Seit einer Woche ist der Gerichtsprozess abgeschlossen, das Urteil soll Ende dieser Woche verkündet werden. Menschenrechtsgruppen fordern seine Freilassung.

Jason Rezaian war Leiter des Korrespondentenbüros der Washington Post in Teheran, als er am 22. Juli 2014 zusammen mit seiner Frau Yeganeh Salehi, Journalistin für die Zeitung The National aus Abu Dhabi, und zwei US-amerikanischen Fotojournalisten festgenommen wurde. Während Salehi und die Fotografen kurz darauf wieder freigelassen wurden, blieb Rezaian in Haft. Vorgeworfen wurden ihm anti-iranische Propaganda und Spionage für sein Heimatland, die USA.

Es folgten Monate im Evin-Gefängnis in Teheran, in denen der Reporter befragt und bedroht wurde und einige Zeit in Isolationshaft verbringen musste, wie sein Bruder Ali Rezaian gegenüber Medienvertretern erklärte.

Jason Rezaian, der früher auch für IPS aus dem Iran berichtete, schrieb über die ganze Bandbreite an Themen in Iran. Doch während andere Journalisten stets nur das iranische Atomprogramm im Blickfeld hatten, blickte Rezaian auch nach links und rechts. Er schrieb vor allem über soziale und kulturelle Themen und gab so ein umfassenderes Bild des Landes.

"Ich kann wirklich nicht verstehen, warum man hinter Rezaian her war", sagte Haleh Esfandiari gegenüber IPS, selbst iranisch-US-amerikanischer Abstammung und Direktorin des Nahostprogramms des 'Woodrow Wilson International Center for Scholars'. Esfandiari war 2007 selbst auch schon einmal von iranischen Behörden gefangen genommen worden. "Er vermied kritische Themen soweit es ging und befasste sich vor allem mit gesellschaftlichen Fragen."


Rezaian als Spielball von Interessen

"Ich gehe davon aus, dass die Aktion vor allem ganz andere Hintergründe hatte", erklärte Esfandiari weiter. "Mit seiner Inhaftierung konnten die Hardliner des Landes der Regierung schaden, die gerade das iranische Atomabkommen aushandelte."

Bereits in einem kürzlich veröffentlichten Artikel für die New York Times brachte Esfandiari die Verhaftung ihres Kollegen in Zusammenhang mit Verhandlungen, die die iranische Regierung mit der Gruppe P5+1 (die USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland) bezüglich des iranischen Atomprogramms führte. Das Vorgehen gegen einen US-amerikanischen Staatsbürger sei dabei ein Schachzug gewesen, um Präsident Hassan Rohani zu schwächen.

Rohani gilt als moderater Reformer, der sich um eine Entspannung der Beziehungen zwischen den USA und dem Iran bemüht hatte. Das passte vielen Gruppen im Iran nicht. Hardliner der Geheimdienste, der Justiz und der Iranischen Revolutionsgarde haben seine Bemühungen und seine Reformpläne kritisiert und wollten ihn dazu drängen, in der Atomfrage in Konfrontation mit dem Westen zu gehen.

"Die Verhaftung Rezaians kam für Rohani und sein Kabinett wahrscheinlich genauso überraschend wie für uns alle. Ich bin mir sicher, dass er hinter den Kulissen alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um die Justiz dazu zu bringen, Rezaian freizulassen", sagte Esfandiari gegenüber IPS.

Auch die Washington Post sieht Rezaian als Spielball der Interessen. Die Zeitung geht aber eher davon aus, dass der Präsident seinerseits vorhatte, Rezaians Inhaftierung als Druckmittel bei den Verhandlungen einzusetzen.

Nachdem im vergangenen Monat der Atomdeal zustande kam, hofften viele, dass der Journalist damit endlich auf freien Fuß gesetzt werde. Doch bisher ist das nicht passiert. Allerdings muss der Deal auch noch vom US-Kongress verabschiedet werden. Und immerhin wurde der Prozess gegen Rohani mittlerweile beendet.

Nun wird mit Spannung das Gerichtsurteil erwartet. Während einige Quellen davon ausgehen, dass es bereits Ende dieser Woche verkündet wird, hält Rezaians Anwältin Leila Ahsan es für wahrscheinlicher, dass die Entscheidung Anfang kommender Woche verkündet wird.

Für das Ergebnis gibt es mehrere mögliche Ausgänge. Esfandiari nannte gegenüber IPS drei: Die beste alle Möglichkeiten wäre, dass Rezaian zu der Zeit im Gefängnis verurteilt wird, die er bereits hinter sich gebracht hat. Damit wäre er sofort auf freiem Fuß. Ein anderes Szenario sieht eine Strafe von 15 bis 16 Monaten vor, dann müsste er noch zwei Monate im Gefängnis bleiben. Und schließlich könnte eine weitaus längere Haftzeit auf ihn warten, gegen die er allerdings Berufung einlegen könnte.

Menschenrechtsgruppen prangern nicht nur die Verhaftung selbst an, sondern auch den gesamten Gerichtsprozess sowie insbesondere die ständige Verzögerung der Verhandlungen. "Nach iranischem Recht darf kein Mensch länger als ein Jahr im Gefängnis bleiben, wenn er nicht des Mordes angeklagt wurde", erläutert Sherif Mansour vom in den USA ansässigen 'Committee to Protect Journalists' (CPJ) gegenüber IPS. "Das bedeutet, dass Rezaian spätestens am 22. Juli hätte entlassen werden müssen."


Washington Post reicht Petition bei UN-Ausschuss ein

Im Juli wandte sich die Washington Post formell an die UN und bat um dringendes Eingreifen in den Rezaian-Fall. Die Zeitung reichte eine Petition bei der Arbeitsgruppe für Willkürliche Verhaftungen des UN- Menschenrechtsrates ein. Darin verurteilte die Zeitung den ungesetzlichen Prozess, die Einzelhaft des Journalisten und die unzureichende medizinische Versorgung.

Im Mai hatte sich bereits Ahmed Shaheed, UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechtssituation im Iran, mit dem Fall beschäftigt. "Die Verhandlungen wurden hinter verschlossenen Türen geführt", kritisierte Shaheed gegenüber IPS. "Außerdem wurde Rezaian über zehn Monate festgehalten, ohne dass eine formelle Anklage gegen ihn vorlag. Dann musste er mehrere Monate in Einzelhaft verbringen." Er fürchte daher weiterhin, dass der Gerichtsprozess nicht ganz fair abgelaufen sei. Er hoffe aber, dass das Gericht die Willkür anerkennen und entsprechend urteilen werde.

Für den Sonderberichterstatter ist der Fall symbolisch dafür, wie der Iran mit der freien Meinungsäußerung umgehe. "Zur Zeit sind mindestens 40 Journalisten im Iran im Gefängnis. Dazu kommen mindestens zwölf Facebook-Aktivisten." (Ende/IPS/jk/17.08.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/08/nuclear-deal-could-offer-glimmer-of-hope-for-jailed-journalist-in-iran/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 17. August 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. August 2015

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