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MELDUNG/047: 61. Deutscher Anwaltstag - Stärkung des Anwaltsgeheimnisses gefordert (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - 13. Mai 2010

61. Deutscher Anwaltstag in Aachen (13. bis 15. Mai 2010)

Anwälte fordern Stärkung des Anwaltsgeheimnisses


Aachen/Berlin (DAV). Das Anwaltsgeheimnis bedarf einer Stärkung durch die Erweiterung der Zeugnisverweigerungsrechte der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Diese Forderung erhebt der Deutsche Anwaltverein (DAV) anlässlich des 61. Deutschen Anwaltstages in Aachen. Wenn der Mandant den Rechtsanwalt von seiner Verschwiegenheitspflicht befreit, muss gewährleistet sein, dass dies ohne Druck und unter Wahrung der Interessen des Mandanten erfolgt. Der Rechtsanwalt sollte daher immer dann zur Zeugnisverweigerung berechtigt sein, wenn die Zeugnisverweigerung im wohlverstandenen Interesse des Mandanten liegt. Dies sollte auch dann gelten, wenn der Mandant erklärt hat, dass er den Rechtsanwalt von der Verschwiegenheitspflicht entbindet.

Die Anwaltschaft stellt fest, dass sich in der letzten Zeit die Fälle, in denen beispielsweise in Steuerverfahren der Mandant von finanzamtlicher oder staatsanwaltschaftlicher Seite oder von Seiten des Gerichts aufgefordert wird, den Anwalt von der Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, häufen. Zur Begründung für diese Forderung wird auf die Mitwirkungspflicht des Steuerschuldners verwiesen.

Begleitet werde der Vorgang von der Inaussichtstellung einer niedrigeren Strafe bzw. Steuerfestsetzung. Solche Fälle gäbe es auch in verwaltungs- und zivilrechtlichen Verfahren. Es komme dabei oft vor, dass der Mandant die Entbindung ausspricht, ohne dass er sich über die Rechtsfolgen vorher anwaltliche hatte beraten lassen. "Wenn der Anwalt gegen die objektiven Interessen des Mandanten durch seine Zeugenaussage verstößt, lässt sich dies mit der verfassungsrechtlichen Ableitung der anwaltlichen Verschwiegenheit nicht vereinbaren", betont der Präsident des DAV, Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer. Ansonsten werde unter Druck das Zeugnisverweigerungsrecht unterlaufen.

"Die Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht kann auch dazu führen, dass der Rechtsanwalt dazu veranlasst wird, Geheimnisse Dritter preiszugeben", so Ewer weiter. Gedacht sei dabei z. B. an Betriebsgeheimnisse, über die der Mandant sich gegenüber seinem Anwalt äußert. Da sie im Rahmen des Mandats erlangt worden sind, müsste der Anwalt diese offenbaren. Auch dies läge nicht immer im Interesse des Mandanten.

Es entspräche auch der Verfassung, eine solche Erweiterung zu schaffen. "Das Anwaltsgeheimnis hat auch einen Gemeinwohlbezug und dient nicht allein den Individualinteressen der Mandanten", erläutert Ewer. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei eine funktionstüchtige Anwaltschaft zur Wahrung des Rechtstaatsprinzips unerlässlich. Zu den Grundvoraussetzungen einer funktionstüchtigen Anwaltschaft gehöre das Anwaltsgeheimnis. Diese Ansicht vertrete auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

Im europäischen Vergleich fällt der Vertraulichkeitsschutz in Deutschland derzeit schwach aus, so der DAV. In zahlreichen anderen europäischen Staaten - z. B. Frankreich, Österreich, Schweiz, Niederlande - hat der Rechtsanwalt ein eigenständiges Zeugnisverweigerungsrecht, unabhängig von einer Entbindung. Eine mögliche Regelung kann an das "wohlverstandene Interesse des Mandanten" anknüpfen und dem Rechtsanwalt ein eigenes Zeugnisverweigerungsrecht geben. Es ist denkbar, dieses Zeugnisverweigerungsrecht einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich zu machen.


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Quelle:
Pressemitteilung DAT 4/10 vom 14. Mai 2010
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2010