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MELDUNG/137: Urteil zu Whistleblowerin - Konsequenzen gefordert (IALANA)


IALANA
Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen
Für gewaltfreie Friedensgestaltung
Deutsche Sektion der International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms

Pressemitteilung vom 21. Juli 2011

IALANA und VDW fordern Konsequenzen aus dem heutigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall der Whistleblowerin Brigitte Heinisch


Die Deutsche Sektion der internationalen Juristenvereinigung IALANA, die zusammen mit der u.a. von Prof. Otto Hahn und Prof. Carl Friedrich von Weizsäcker 1959 gegründeten "Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW)" vor kurzem zum siebten Mal den "Whistleblower-Preis" verliehen hat (vgl. dazu: www.ialana.de; www.vdw-ev.de), erklärt zu dem Whistleblower-Urteil des EGMR vom 21. Juli 2011:

Das Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs, das die Trägerin des Whistleblower-Preises 2007, die Altenpflegerin Brigitte Heinisch (Berlin), heute erstritten hat, offenbart:

1. Die bisherige Rechtsprechung der deutschen Gerichte bietet keinen hinreichenden Schutz für Whistleblower. Weder das Bundesarbeitsgericht noch das Bundesverfassungsgericht waren in der Lage, das schreckliche Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin zu korrigieren, mit dem die Kündigungsschutzklage von Frau Heinisch abgewiesen worden war.

Auch sonst haben deutsche Gerichte die Meinungsäußerungsfreiheit von Beschäftigten unzureichend geschützt, die - wie Frau Heinisch - in gutem Glauben und gestützt auf verlässliche Insider-Kenntnisse schwere betriebliche Missstände, gravierende Rechtsverletzungen oder gar Straftaten aufdeckten und den zuständigen Stellen oder der Öffentlichkeit zur Kenntnis brachten. Das Bundesjustizministerium (geführt von der damaligen SPD-Ministerin Brigitte Zypries) hat dies im Verfahren vor dem Straßburger Gerichtshof bis zuletzt verteidigt.

Das Urteil des Berliner Landesarbeitsgerichts muss jetzt im Wege der Restitutionsklage (auf der Grundlage von § 580 Nr. 8 der deutschen Zivilprozessordnung - ZPO -) förmlich aufgehoben werden. Frau Heinisch muss in vollem Umfang rehabilitiert werden. Die Straßburger Entscheidung hat bisher allein die Menschenrechtswidrigkeit des Berliner Urteils sowie der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts festgestellt. Das Land Berlin, dem die Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH als Mehrheitsanteilseignerin gehört, muss sich jetzt bereit erklären, ihrer früheren Arbeitnehmerin Frau Heinisch alle Nachteile und Schäden zu ersetzen, die ihr durch den vom Menschenrechtsgerichtshof festgestellten Rechtsbruch entstanden sind. Das betrifft sowohl ihre erlittenen und durch die Straßburger Entscheidung nicht ausgeglichenen Einkommenseinbußen als auch ihre Zusatzversorgungsrente, die ihr nicht länger vorenthalten werden darf.

Die Rechtsprechung allein kann in Deutschland für keinen hinreichenden Schutz von Whistleblowern sorgen. Hier ist der Bundesgesetzgeber gefordert. Hinreichende Vorschläge zur Behebung dieses Reformstaus liegen auf dem Tisch.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 21. Juli 2011
IALANA Geschäftsstelle, Schützenstr. 6a , 10117 Berlin
Tel. (030) 20 65-48 57, Fax (030) 20 65-48 58
E-Mail: info@ialana.de
Internet: www.ialana.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juli 2011