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MELDUNG/202: Dritter Jahrestag des Kunduz-Bombardements - Opfer warten auf Gerechtigkeit (IALANA)


IALANA
Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen
Für gewaltfreie Friedensgestaltung
Deutsche Sektion der International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms

Pressemitteilung vom 2. September 2012

Dritter Jahrestag des Kunduz-Bombardements: Opfer warten auf Gerechtigkeit



Berlin, 2. September 2012 Zum dritten Jahrestag des Bombardements bei Kunduz am 4. September, das durch den deutschen Bundeswehr-Oberst Klein befohlen wurde, erinnern ECCHR und IALANA an die über 100 Opfer. Während die meisten afghanischen Familien, die bei dem Angriff Angehörige verloren haben, drei Jahre danach weiterhin auf eine Entschuldigung, angemessene Entschädigung und Bestrafung der Täter warten, dauern die juristischen Verfahren in Deutschland an. Eine politische Lösung und angemessene Aufarbeitung des Luftangriffs wurde bereits verpasst, seither bleiben den Hinterbliebenen nur komplizierte und langwierige juristische Auseinandersetzungen mit der Bundesregierung.

Im Dezember 2011 reichte Opferanwalt Karim Popal zusammen mit Rechtsprofessor Peter Derleder eine Zivilklage für mehrere Betroffene gegen die Bundesregierung vor dem Landgericht Bonn ein, um eine angemessene Entschädigung zu erreichen. Die Bundesregierung hat auf die Klage reagiert und beantragt, den Rechtsstreit bis zum Ende des bewaffneten Konflikts in Afghanistan auszusetzen. Dies brächte aber eine unkalkulierbare Verzögerung auf Kosten der Betroffenen mit sich. Gegen die weitere Argumentation der Bundesregierung, dass deutsches Haftungsrecht im Krieg nicht anwendbar sei, können zahlreiche rechtliche Argumente vorgebracht werden; höchstrichterlich ist diese Frage bislang noch nicht entschieden worden. Schließlich versucht sich die Bundesregierung unter Hinweis auf die Beteiligung an der ISAF-Mission einer eigenen rechtlichen Verantwortlichkeit zu entziehen. Vor allem durch die großen Entscheidungsspielräume der Bundeswehr innerhalb der Mission, die auch im Luftangriff bei Kunduz genutzt wurden, ist diese Position rechtlich nicht haltbar. Mit einem Gütetermin vor dem Landgericht Bonn ist noch in diesem Jahr zu rechnen.

Gegen die Einstellungsentscheidung der Bundesanwaltschaft im Strafverfahren gegen Oberst Klein ist seit April 2011 eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Darin werden vor allem Versäumnisse durch die Bundesanwaltschaft bei den Ermittlungen des Vorfalls sowie die Überschreitung ihrer Zuständigkeit, das gesamte strafrechtliche Verfahren einzustellen, bemängelt. Mit einer kurzfristigen Entscheidung ist hierbei nicht zu rechnen.

ECCHR und IALANA kritisieren, dass es zu keiner zufriedenstellenden politischen Lösung gekommen ist und die Betroffenen auf den Rechtsweg angewiesen sind. Bei der politischen Aufarbeitung des schwersten Angriffs der Bundeswehr gegen die afghanische Zivilbevölkerung seit ihrer Gründung wurden die Lage, Interessen und Rechte der Hinterbliebenen nur unzureichend berücksichtigt. Es bleibt abzuwarten, ob die deutsche Justiz oder internationale Rechtsinstanzen in der Lage sind, die Position der Betroffenen zu verbessern.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 2. September 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2012