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MELDUNG/332: Aufruf zur Blockade des Atomwaffenlagers Büchel ist keine Straftat (IPPNW)


IPPNW-Pressemitteilung vom 17. September 2014
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland

Aufruf zur Blockade des Atomwaffenlagers Büchel ist keine Straftat

Landgericht Koblenz trifft wegweisende Entscheidung zur Nötigungsrechtsprechung



Das Landgericht Koblenz hat den Heidelberger Atomwaffengegner Hermann Theisen vom Vorwurf der Aufforderung zu Straftaten freigesprochen. Theisen hatte im Sommer 2013 Flugblätter verteilt, um für eine Teilnahme an Sitzblockaden vor dem Atomwaffenstützpunkt Büchel zu werben. Das Amtsgericht Koblenz sah darin eine Aufforderung zu Straftaten und verurteilte ihn im April d.J. zu einer Geldstrafe von 600 Euro (30 Tagessätze), da mit der Flugblattverteilung öffentlich zu Nötigungshandlungen aufgerufen worden sei (§ 111 StGB, § 240 StGB).

In der heutigen Berufungsverhandlung konnte das Landgericht Koblenz dieser Auffassung nicht folgen und traf stattdessen eine wegweisende Entscheidung zur Nötigungsrechtsprechung. Der Vorsitzende Richter am Landgericht Koblenz, Bernd Minnebeck, hob das Urteil das Amtsgerichts Koblenz auf und sprach den Angeklagten vollumfänglich frei. In seiner Urteilsbegründung nahm er ausführlich Stellung zu der seit Jahrzehnten höchst umstrittenen Nötigungsrechtsprechung. Dabei verwies er auf einschlägige Urteile des Bundesverfassungsgerichts, wonach den Strafgerichten klare Vorgaben hinsichtlich der Grundrechtswirkung nach Artikel 5 GG (Meinungsfreiheit) und Artikel 8 GG (Versammlungsfreiheit) auferlegt worden seien. Es sei somit eine umfassende Abwägung zwischen der Strafbarkeit von Sitzblockaden vor dem Hintergrund jener Grundrechte vorzunehmen. Deshalb könne er hinsichtlich des von Theisen verteilten Aufrufs zu Sitzblockaden vor dem Atomwaffenlager Büchel keine Strafbarkeit erkennen.

Minnebeck verwies auch auf die im Februar 2014 ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Koblenz, das ebenso auf eine Straflosigkeit des verteilten Aufrufs erkannt hatte und schloss sich dieser Entscheidung an.

Der Friedensaktivist zeigt sich nach der Urteilsverkündung in seinem Engagement gegen die in Büchel gelagerten Atomwaffen bestätigt: "Insbesondere vor dem Hintergrund der geplanten Modernisierung der Bücheler Atomwaffen, sind Sitzblockaden und andere Gewaltfreie Aktionen nötiger denn je, um damit auch weiterhin deutlich für eine Abschaffung dieser Atomwaffen einzutreten. Deshalb wird es auch weiterhin Sitzblockaden in Büchel geben", bereits für März 2015 seien wieder Sitzblockaden in Büchel geplant. Das Landgericht Koblenz habe hierfür eine "ermutigende Entscheidung getroffen", so Theisen.

Rechtsanwalt Martin Heiming (Vorsitzender des Republikanischen Anwältevereins), der Theisen verteidigte, betont die Bedeutung der Grundrechte, die für das Landgericht Koblenz eine herausragende Rolle gespielt haben: "Es ist erfreulich, wenn Strafgerichte Grundrechte derart verfassungsfreundlich anwenden", so Heiming.


Die Kampagne:
Ziel unserer Kampagne ist, Atomwaffen durch einen juristisch verbindlichen Vertrag weltweit zu ächten, so wie es bei anderen Massenvernichtungswaffen schon geschehen ist. Denn es gibt nur eine Antwort auf die Gefahren, die Atomwaffen mit sich bringen: ihre vollständige Abschaffung. Auf dem Weg zur weltweiten Abrüstung ist ein erster wichtiger Beitrag der Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland. Deswegen setzen wir uns mit Nachdruck dafür ein. Die geplante Modernisierung der in Europa stationierten Atombomben ist kontraproduktiv und außerdem eine Verschwendung von Finanzressourcen. Daher fordern wir einen Stopp dieser Pläne.

www.atomwaffenfrei.de

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Quelle:
Pressemitteilung vom 17. September 2014
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2014