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MELDUNG/376: Deutscher Anwaltverein lehnt Vorratsdatenspeicherung nach wie vor ab (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 11. Juni 2015
66. Deutscher Anwaltstag in Hamburg (11. bis 13. Juni 2015)

DAV lehnt Vorratsdatenspeicherung nach wie vor ab

Schutz von Berufsgeheimnisträgern unzureichend


Hamburg (DAV). Anlässlich des 66. Deutschen Anwaltstages in Hamburg betont der DAV erneut seine entschiedene Ablehnung des Gesetzentwurfs zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherpflicht für Verkehrsdaten, kurz: die Vorratsdatenspeicherung. Das Gesetz soll nach der Sommerpause verabschiedet werden: Eine erste Lesung ist für Freitag vorgesehen. Die anlasslose Speicherung der Verbindungsdaten von sämtlichen Bürgerinnen und Bürgern in der Bundesrepublik Deutschland ist nicht notwendig. Die Verfasser des Entwurfs können außerdem die Erforderlichkeit und die Angemessenheit der Maßnahme nicht begründen. Es bestehen Zweifel, ob die sicherheitspolitischen Ziele überhaupt erreicht werden. Auch der Schutz von Berufsgeheimnisträgern ist unzureichend. Ebenso können Journalistinnen und Journalisten nach diesem Entwurf Gefahr laufen, sich bei Ausübung ihres Berufs wegen Datenhehlerei strafbar zu machen.

"Am sichersten sind die Daten, die gar nicht erhoben werden", betont Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, DAV-Präsident, in Hamburg. Das anlasslose Speichern der Verbindungsdaten von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern müsse verhindert werden. Das Bundesverfassungsgericht habe mit seiner Entscheidung vom 2. März 2010 klargestellt, dass die vorsorgliche anlasslose Speicherung die Ausnahme bleiben müsse. Zur Begründung führte das Gericht an, dass die Vorratsdatenspeicherung einen besonders schweren Eingriff in die Rechte der Betroffenen mit sich bringt. Auch der Europäische Gerichtshof habe am 8. April 2014 klargestellt, dass die Einschränkung des Schutzes von personenbezogenen Daten sich auf das absolut Notwendige beschränken müsse.

Laut Medienberichten habe auch der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages Zweifel, ob das vorliegende Gesetz dem gerecht wird.

Dass die Vorratsdatenspeicherung nicht das Allheilmittel für die Erreichung des sicherheitspolitischen Ziels darstellt, wird schon dadurch deutlich, dass auch die Anschläge in Paris nicht verhindert werden konnten, obwohl es dort eine umfassende Vorratsdatenspeicherung gibt. So hat auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages festgestellt, dass die Vorratsdatenspeicherung auf die Aufklärungsquote in den EU-Mitgliedsstaaten "praktisch" keine Auswirkungen habe. Auch die kriminologische Abteilung des Max-Planck-Institutes für ausländisches und internationales Strafrecht hat im Juli 2011 festgestellt, dass die Vorratsdatenspeicherung der Telekommunikation nur in einer sehr kleinen Zahl von Verfahren notwendig ist. "Daher stellt sich die Frage: Warum dann der Angriff auf die Privatsphäre von Bürgerinnen und Bürgern?", so Ewer weiter.

"Anlasslos wird die anlasslose Speicherung der Verkehrsdaten beschlossen", so Ewer. Es sei fraglich, warum die Bundesregierung hier national vorpresche und nicht im europäischen Rahmen eine Abstimmung vornehme. Der Gesetzgeber verkenne, dass gerade die Skandale der Datenüberwachung in der jüngeren Zeit die Akzeptanz weiterer Überwachungsmaßnahmen bei der Bevölkerung auf null habe schwinden lassen. Daher müsse die Überwachung die absolute Ausnahme sein.

Der unzureichende Schutz der Berufsgeheimnisträger sei auch vom Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestage festgestellt worden.

Unzureichender Schutz von Berufsgeheimnisträgern

Der DAV bemängelt auch, dass die Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwälte und Ärzte nur unzureichend geschützt werden. Ein effektiver Schutz eines engen Kreises von auf besondere Vertraulichkeit angewiesenen Berufsgeheimnisträgern müsse bereits bei der Datenerhebung beginnen. Dies ist auch bei anderen Überwachungsmaßnahmen der Fall. "Zwar sollen laut den Plänen die Daten nicht ohne weiteres "abgerufen werden dürfen". Richtig ist es aber, sie erst gar nicht zu erheben", so Ewer weiter.

Datenhehlerei - strafbar, aber nicht für alle

Der Gesetzentwurf legalisiert auch den Ankauf der sogenannten Steuer-DVDs durch die Finanzbehörden mit illegal erhobenen Daten. Dies ist ein fragwürdiges Ziel.

Auf der anderen Seite soll der Straftatbestand der "Datenhehlerei" auch Pressevertreter bei ihrer alltäglichen Arbeit treffen. Wenn Journalisten Daten aus Behörden, Wirtschaftsunternehmen oder von anderen Personen bekommen und einsehen, würden sie sich grundsätzlich strafbar machen. Zwar erkennt der Gesetzgeber ganz offenbar auch einen Widerspruch in dieser Bewertung, doch löst er ihn nicht auf. In der Begründung heißt es, dass nur "die journalistischen Tätigkeiten in Vorbereitung einer konkreten Veröffentlichung" von der Strafbarkeit ausgenommen werden sollen. "Dies verkennt die tägliche Arbeit von Journalisten", so Ewer. Ein Journalist, der Daten zugespielt bekäme, könne naturgemäß erst nach der Sichtung des Datenbestandes beurteilen, ob daraus auch eine konkrete Veröffentlich werden kann bzw. soll. "Hier ist eine Klarstellung unbedingt erforderlich, um die Arbeit kritischer Medien zu schützen", so Ewer.

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Quelle:
Pressemitteilung DAT 5/15 vom 11. Juni 2015
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2015

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