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MELDUNG/484: Prozessankündigung - Silvia Gingold gegen den hessischen Verfassungsschutz (Rote Hilfe)


Bundesvorstand Rote Hilfe e.V. - Pressemitteilung vom 04.01.2017

Prozessankündigung: Silvia Gingold gegen den hessischen Verfassungsschutz


Am Donnerstag, den 12. Januar, um 10.30 Uhr, findet in Wiesbaden der Prozess "Silvia Gingold gegen das Land Hessen" statt (AZ.: 6K1153/16, W1). Gingold klagt gegen den hessischen "Verfassungsschutz" auf die Beendigung ihrer fortgesetzten geheimdienstlichen Beobachtung und auf die Vernichtung der diesbezüglichen Akten.

Als Tochter des jüdischen Resistancekämpfers Peter Gingold war sie in den 70er Jahren eine der prominentesten Betroffenen des sogenannten 'Radikalenerlasses'. Dass ihr die Einstellung in den Staatsdienst verweigert wurde, sorgte damals für internationale Empörung. Der Inlandsgeheimdienst, der ihre Beobachtung nach eigenen Angaben zwischenzeitlich eingestellt hatte, begann im Jahr 2007 mit ihrer erneuten Überwachung.

Der angebliche Anlass war die Rede Gingolds bei einer Demonstration gegen das später als grundrechtswidrig eingestufte Berufsverbot des Heidelberger Lehrers Michael Csaszkóczy, dem sein antifaschistisches Engagement als "staatsfeindliche Betätigung" angelastet wurde. In dieser Rede war sie auf die Erfahrungen ihrer Familie in der Zeit des Faschismus eingegangen. Dazu merkt das hessische Innenministerium höhnisch an: "Der Bezug zu ihrer 'eigenen Familiengeschichte' wirkt dabei vordergründig, da sie sich erkennbar nicht nur auf die historisch belegten personellen Kontinuitäten zwischen Staatsbediensteten des Deutschen Reiches von 1933 bis 1945 bezieht, sondern diese Kontinuität im Sinne des kommunistisch orientierten Antifaschismus auf die gesamte politische und gesellschaftliche Ordnung der BRD bezieht".

Seit dieser Rede wird jede Betätigung Silvia Gingolds wieder geheimdienstlich beobachtet: Lesungen aus der Autobiografie ihres Vaters, Äußerungen zum 40. Jahrestag des Radikalenerlasses, friedenspolitische und gewerkschaftliche Aktivitäten.

Der deutsche Inlandsgeheimdienst fühlt sich trotz der öffentlich gewordenen Verstrickungen mit dem NSU und der militanten Naziszene offensichtlich unangreifbar. In der Verhandlung wird es nicht zuletzt darum gehen, ob dem "Verfassungsschutz" in der Verfolgung unliebsamer Linker überhaupt noch irgendwelche Grenzen gesetzt sind.

Wir fordern zur aufmerksamen Beobachtung und öffentlichen Begleitung des Gerichtsverfahrens auf.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 04.01.2017
Bundesvorstand Rote Hilfe e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2017

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