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MENSCHENRECHTE/060: Menschenrechtsschutz nicht privatisieren (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 2. Dezember 2015

DAV: Menschenrechtsschutz nicht privatisieren

Zum Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte


Berlin (DAV). Anlässlich der morgigen Abschlusskonferenz zum Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte sieht der Deutsche Anwaltverein (DAV) die Gefahr einer Erosion rechtsstaatlicher Gewährleistungen und einer "Privatisierung" des Menschenrechtsschutzes. Der DAV fordert eine Beteiligung der Anwaltschaft im weiteren Verfahren. Klärungsbedarf sieht der DAV bei der Frage, was die "Respektierung der Menschenrechte" konkret bedeuten soll.

Der DAV setzt sich in vielen Bereichen für die Wahrung von Grund- und Menschenrechten ein und begrüßt daher Initiativen, die dafür Sorge tragen, dass wirtschaftliche Aktivitäten die Menschenrechte in Deutschland und weltweit nicht verletzen. Der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte wirft jedoch grundsätzliche rechtliche Fragen auf, die einer Diskussion bedürfen.

Der Nationale Aktionsplan wird durch drei "Interessengruppen" vorbereitet und ausgehandelt, die Ministerien, die NGOs und die Industrie. Der Prozess wird moderiert durch das Auswärtige Amt. Er erhebt den Anspruch, "inklusiv" zu sein, d.h. alle Betroffenen zu beteiligen. Seine Festlegungen sollen für alle "Unternehmen" gelten. Dazu gehören auch die freien Berufe, insbesondere die Anwaltschaft, die aber nicht beteiligt wurden. Weder NGOs noch Industrie sind demokratisch legitimiert, menschenrechtliche Agenden, gleichberechtigt neben Ministerien, "auszuhandeln", insbesondere mit Wirkung für nicht beteiligte Dritte wie die Anwaltschaft.

Im Rahmen eines National Baseline Assessment sollte überprüft werden, ob das deutsche Recht menschenrechtlichen Vorgaben genügt, und wo Handlungsbedarf besteht. "Die Menschenrechte sind jedoch", worauf Rechtsanwältin Dr. Birgit Spießhofer, Vorsitzende des Ausschusses Corporate Social Responsibility und Compliance im DAV, hinweist, "kein "Rezeptbuch", aus dem sich Vorgaben ohne weiteres ablesen ließen. Vielmehr sind die Festlegungen der UN-Menschenrechtskonventionen, der Europäischen Menschenrechtskonvention, der EU-Grundrechtecharta und des Grundgesetzes mitnichten kohärent. Dementsprechend kommen auch Bundesverfassungsgericht, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte und Europäischer Gerichtshof immer wieder im gleichen Fall zu verschiedenen Einschätzungen".

Die UN-Leitsätze für Wirtschaft und Menschenrechte haben nicht geklärt, was "die Respektierung der Menschenrechte" konkret bedeuten soll. Auch der Nationale Aktionsplan setzt sich damit nicht auseinander. Der deutsche Gesetzgeber hat menschenrechtliche Gewährleistungen in vielfältiger Weise bspw. im Arbeits-, Jugend- und Mutterschutz umgesetzt. Wenn nun Unternehmen und NGOs unter Rückgriff auf "die Menschenrechte" eigene Standards entwickeln, stellt sich nicht nur die Frage demokratischer Legitimation. Vielmehr besteht auch die Gefahr einer Parallelrechtsordnung, die auf Kosten der Rechtssicherheit gehen kann.

Im Rahmen des eintägigen DAV-Forums "Corporate Social Responsibility und Compliance" am 3. Dezember 2015 in Berlin geht der DAV diesen und anderen Fragen zur sozialen Verantwortung der Wirtschaft und der Anwaltschaft nach.

Details abrufbar unter:
www.anwaltverein.de/csr

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 50/15 vom 2. Dezember 2015
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2015

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