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ÖFFENTLICHES RECHT/072: Fiskusprivileg bei Insolvenzverfahren gefährdet Arbeitsplätze (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 12. Juli 2010

Fiskusprivileg bei Insolvenzverfahren gefährdet Arbeitsplätze - Rückschritt in die Steinzeit -


Berlin (DAV). Die Bundesregierung hat im Zusammenhang mit dem aktuellen Sparprogramm angekündigt, dass sie das so genannte "Fiskusvorrecht" im Insolvenzverfahren wieder einführen will. Damit würden die Finanzämter regelmäßig vor den anderen Gläubigern aus der Insolvenzmasse ihre Forderungen geltend machen können. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) spricht sich entschieden gegen diese beabsichtigte Wiedereinführung aus, da sie nicht nur gegen elementare Grundsätze des Insolvenzrechts verstößt, sondern wohl auch zum Abbau von Arbeitsplätzen und zu Steuermindereinnahmen führen wird.

"Die Bundesregierung lässt sich mit ihrer beabsichtigten Entscheidung zur Wiedereinführung des "Fiskusvorrechts" von kurzfristigen und vordergründigen Überlegungen leiten. Sie sieht nur vermeintliche Mehreinnahmen, deren Höhe aus der Luft gegriffen erscheint und für die es jedenfalls keine empirische Grundlage gibt", so Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, DAV-Präsident. Die Bundesregierung bedenke nicht, dass es je nach Ausgestaltung des Vorrechts durch die drastische Aushöhlung der Insolvenzmassen in Zukunft wesentlich schwieriger wird, Unternehmen zu sanieren, da nicht genug Masse vorhanden ist.

"Weniger Sanierungen bedeuten aber den Verlust von Arbeitsplätzen, die sonst gerettet werden könnten", so Ewer weiter. Unternehmen, die nach dem heutigen Stand sanierungsfähig wären, müssten in der Zukunft liquidiert werden, dies würde auch zu Steuermindereinnahmen führen.

"Mit der Einführung des Fiskusprivilegs wird es für ab 01.Januar 2011 eröffnete Insolvenzverfahren zu Ausschüttungen auf vorrangige Forderungen der Finanzämter erst in den Jahren 2014 bis 2024 kommen. Die im Sparpaket der Bundesregierung vorgesehenen 500 Mio. Euro aus diesem Komplex sind damit völlig utopisch. Die Regierung gibt damit der eigenen Kasse Steine statt Brot. Das Fiskusprivileg würde damit das weltweit modernste Insolvenzrecht in die Steinzeit zurücksetzen", ergänzt Rechtsanwalt Horst Piepenburg, Mitglied des DAV-Vorstands und Vorsitzender der DAV-Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung. Da es keine Gegenrechnung für die normalen Insolvenzgläubigern entstehenden Quotenausfälle gäbe, sei davon auszugehen, dass es zu Steuermindereinnahmen kommen werde.

Das Fiskusvorrecht wurde 1999 abgeschafft mit der Begründung der damaligen Bundesregierung: "Die Konkursvorrechte beruhen auf keinem einleuchtenden Grundgedanken, sie sind wirtschaftlich nicht gerechtfertigt und sie führen zu ungerechten Verfahrensergebnissen. (...)" Dem ist nach Ansicht des DAV nichts hinzuzufügen.

Die angeblich von der Bundesregierung vorgebrachte Benachteiligung gegenüber Banken ist Folge des allgemeinen Privatrechts, da deren Forderungen regelmäßig mit Sicherheiten versehen sind. Die Bundesregierung begründet die Maßnahme damit, dass es wieder zu einer Gleichbehandlung kommt. Das Gegenteil ist allerdings der Fall: Es kommt zu einer Ungleichbehandlung der Gläubiger zugunsten des Fiskus. Beispielsweise würden künftig Lieferanten den Nachteil haben, dass der Fiskus durch sein Vorrecht bei dessen Kunden je nach Ausgestaltung entweder eine volle Befriedigung erhält oder zumindest bei der Restverteilung ebenfalls bevorzugt werden würde. Diese liefernden Unternehmen müssten dann sehen, wo sie bleiben.

Die Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins finden Sie hier
http://www.anwaltverein.de/downloads/stellungnahmen/SN-10/SN34-2010.pdf?PHPSESSID=557f9fe953a213f4342bd3f679c9ebfd


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 20/10 vom 12. Juli 2010
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2010