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STRAFRECHT/482: Corona-Steuerhilfegesetz - Kein Deckmantel für härteres Steuerstrafrecht (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 16. Juni 2020

Corona-Steuerhilfegesetz: Kein Deckmantel für härteres Steuerstrafrecht

Statement von Rechtsanwalt Dr. Rainer Spatscheck, Vorsitzender des Ausschusses Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV)


Das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz soll nicht nur die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise bekämpfen. Es ist auch der Versuch des Gesetzgebers, heimlich steuerstrafrechtliche Vorschriften zu verschärfen. Dies geschieht zudem unter dem Vorwand der Eilbedürftigkeit in einem rasanten Gesetzgebungsverfahren: Die temporäre Herabsetzung der Umsatzsteuer, die in dem Gesetz auch geregelt ist, soll schon ab 1. Juli 2020 gelten. Der DAV kritisiert diese Vorgehensweise vehement. Eine Verschärfung steuerstrafrechtlicher Vorschriften ist im Corona-Steuerhilfegesetz völlig fehl am Platz. Sie ist nicht zeitkritisch wie die Corona-bedingten steuerlichen Hilfen. Das Bundesfinanzministerium scheint hier mit allen steuerrechtlichen Ärgernissen der letzten Jahre in einem Rutsch unbemerkt aufräumen zu wollen.

Konkret sieht der Gesetzesentwurf eine Ausdehnung der strafrechtlichen Einziehung auf nach steuerlichen Vorschriften verjährte Steuerbeträge und eine Verlängerung der Verfolgungsverjährung für Steuerhinterziehung auf 25 Jahre vor. Dies kritisiert der DAV ebenfalls. Der Bundesgerichtshof hat im vergangenen Jahr entschieden, dass eine strafrechtliche Einziehung von steuerlich verjährten Ansprüchen nicht zulässig ist. Andernfalls wäre die strafrechtliche Einziehung bis in Ewigkeit möglich.

Steuerhinterziehung verjährt derzeit nach zwanzig Jahren. Das ist länger als bei allen anderen Vermögensdelikten. Ein Bedürfnis, den Ermittlungsbehörden und Strafgerichten noch mehr Zeit zu verschaffen, ist nicht erkennbar. Es gibt gute Gründe für die strafrechtliche Verjährung, etwa der Umstand, dass eine Rekonstruktion mit zunehmender Zeitdauer kaum mehr möglich ist oder dass nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nur unzweifelhaft nachgewiesene Schuld zur Verurteilung führen darf. Das ist bei einer Verjährung von 20 Jahren schon fraglich und scheint bei 25 Jahren nahezu aussichtslos. Eine solche Verjährungserweiterung widerspricht zudem dem Grundgedanken der Verjährung. Ihm liegt zugrunde, dass das gesellschaftliche Bedürfnis nach Strafe mit der Zeit nachlässt und die dauerhafte Bindung von Ermittlungs-Ressourcen verhindert werden soll.

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Quelle:
Statement vom 16. Juni 2020
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2020

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