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VERKEHR/558: 53. Deutscher Verkehrsgerichtstag - Automatisiertes Fahren und rechtliche Hürden (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin/Goslar, 28. Januar 2015
53. Deutscher Verkehrsgerichtstag in Goslar (28. bis 30. Januar 2015)

Arbeitskreis II: Automatisiertes Fahren

Automatisiertes Fahren und rechtliche Hürden
DAV fordert Gesetzgeber zum Handeln auf



Goslar/Berlin (DAV). Audi-Chef Rupert Stadler sprach der Autoindustrie auf dem Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung Ende November aus der Seele, als er auf die baldige Freigabe des autonomen Fahrens auf Pilotstrecken drängte. Nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hinken die Gesetze aber der neuen Technologie dramatisch hinterher. Letztlich geht es aber nun um die Verantwortlichkeit, wenn etwas passiert. Allerdings sind die Hersteller auch mit schuld, da sie zum Schutz ihrer Algorithmen auf Daten sitzen, die zum Beispiel über das Versagen von Assistenzsystemen Aufschluss geben könnten. Auch Gerichte erhalten kaum oder keinen Zugang, so dass es schwerfällt, mit dem Fortschritt Schritt zu halten.

"Es reicht nicht, alte Gesetze unter den neuen Gegebenheiten neu zu interpretieren", so Rechtsanwältin Dr. Daniela Mielchen von den DAV-Verkehrsrechtsanwälten in Goslar. Es müssten neue Gesetze her. Hierbei bietet der Deutsche Anwaltverein mit seinen Verkehrsrechtsexperten seine Expertise an.

Wenn der Fahrer als Verantwortlicher bei einem von seinem Fahrzeug verursachten Verkehrsunfall ausscheidet, dürfte das Produkthaftungsgesetz und die Haftung des Herstellers nach § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine durchaus hinreichende Haftungsalternative für das mögliche Entstehen von Sach- und Personenschäden bei Systemfehlern oder Systemversagen darstellen. Derartige Ansprüche können aber nur durchgesetzt werden, wenn der Zugriff auf entsprechende Beweisdaten - anders als bisher - neben den Herstellern auch den ansonsten Betroffenen rechtlich und tatsächlich möglich ist. Nach Schadenfällen müssen sämtliche Systemhandlungen und relevanten Daten wie auch möglich Systemeingriffe durch den Fahrer beweissicher dokumentiert den Parteien zur Verfügung stehen. Hier brauchen wir entsprechende Gesetze. Bei der Ausgestaltung sollte ein besonderes Augenmerk auf Transparenz bei der Datenerhebung und - speicherung sowie einen ausgedehnten Datenschutz gelegt werden.

Auch wird es nicht ganz einfach sein, die Verkehrssünder im Griff zu behalten, wenn sich diese auf einen Rechtsbruch durch den Pkw ohne eigenes Zutun berufen. Hier sind Überlegungen notwendig, wie man in verkehrsrechtlichen Massenverfahren wie z. B. bei Geschwindigkeitsverstößen Klarheit darüber erlangen kann, ob das System oder ein selbst verantwortlicher Fahrzeugführer gefahren ist. Sanktionen sind nach deutschem Recht an fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln geknüpft. Ein solches liegt bei systemseitigem Fehlverhalten nicht vor. Es wäre zukünftig mithin notwendig, jedem einzelnen Fahrer bei jeder einzelnen von vielen Millionen Ordnungswidrigkeiten jährlich nachzuweisen, dass er selbst gefahren ist, um einen Bußgeldbescheid gegen ihn auszubringen. Es ist zu überlegen, wie dies gesetzlich gelöst werden kann, ohne weitgehende und datenschutzrechtlich bedenkliche Überwachungen in Form von anlasslosen Massenüberwachungen notwendig zu machen.

Autos vernetzten sich zum Zweck der Datenkommunikation untereinander und mit der Umgebung. Niedersachsen möchte nun die bisher in Deutschland abgelehnte Streckengeschwindigkeitsüberwachung auf seinen Straßen testen und das Notrufsystem E-Call macht es ab Frühjahr 2018 erforderlich, dass alle Neuwagen mit GPS-System sowie Sende- und Empfangsmöglichkeiten ausgestattet werden. Wir sehen uns zunehmend einer Infrastruktur gegenüber, die neben dem autonomen Fahren auch Überwachung und Datenmissbrauch möglich macht. Hier muss der Datenschutz Schritt halten! Es kann nicht reichen, alte Gesetze unter den neuen Gegebenheiten frei zu interpretieren. Es müssen eilig auch ein paar neue Gesetze her, die der Zukunft Rechnung tragen.

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Quelle:
Pressemitteilung VGT 2/15 vom 28. Januar 2015
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2015


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