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VERKEHR/804: 58. Deutscher Verkehrsgerichtstag - Praxistauglichkeit des Bußgeldverfahrens (DAV)


Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) - Berlin/Goslar, 29. Januar 2020
58. Deutscher Verkehrsgerichtstag in Goslar (29. bis 31. Januar 2020)

Arbeitskreis IV: Praxistauglichkeit des Bußgeldverfahrens

Verkehrsanwälte: Das Bußgeldverfahren bedarf der Flexibilisierung


Goslar/Berlin (DAV). Aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) besteht das Bußgeldverfahren den Praxistest zurzeit nicht. Es bedarf unter anderem einer gesetzlichen Regelung für das "standardisierte Messverfahren". Betroffene müssen die Möglichkeit haben, den Inhalt der Messung vollständig zu überprüfen. Außerdem erweist sich das Bußgeldverfahren als sehr unflexibel. Es bedarf, ähnlich dem Strafverfahren, einer Individualisierung und Flexibilisierung. Vom Fahrverbot muss öfters abgesehen werden oder dieses aufgeteilt werden können.

"Eine wesentliche Forderung der Verkehrsrechtsanwälte ist eine gesetzliche Regelung des "standardisierten Messverfahrens", hebt Rechtsanwalt Dr. Michael Schulte von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins hervor. Im Moment beruhe der Begriff ausschließlich auf dem ausschließlich aus dem Richterrecht stammenden Begriff aus den 90er Jahren. Es bedürfe aber der Regelung, unter welchen Voraussetzungen der Tatrichter von einem standardisierten Messverfahren ausgehen kann und wann konkrete Anhaltspunkte für ein Abweichen von diesem gegeben sind. "Vor allem aber müssen Betroffene das Recht erhalten, standardisierte Messverfahren überprüfen zu können", so der Rechtsanwalt aus Lüdenscheid weiter.

Betroffenen muss die Möglichkeit gegeben werden, den Inhalt der Messung vollständig vorgerichtlich überprüfen zu können, fordert die DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht. Erst dann wären Betroffene in der Lage, gegenüber dem Gericht vorzutragen, welche konkreten Zweifel an der Messung bestehen. Aktuell ist dem Betroffenen, je nachdem in welchem Bundesland oder Oberlandesgerichtsbezirk sich der Verstoß ereignet, eine solche angemessene Rechtsverteidigung nicht möglich.

"Wir brauchen eine stärkere Flexibilisierung des Bußgeldverfahrens, um von den Rechtsfolgen zu Gunsten der Betroffenen abweichen zu können, ähnlich wie es im Strafverfahren Gang und Gäbe ist", betont Rechtsanwalt Dr. Schulte. Von den Rechtsfolgen müsse zu den Gunsten des Betroffenen abgesehen werden können, bei Umständen, die in der Tat oder in Person des Betroffenen liegen. Im Strafverfahren gibt es die Möglichkeit der Einstellung bei geringer Schuld mit Auflagen (§ 153 a Strafprozessordnung/StPO). Die Rechtsfolgen bei Verkehrsordnungswidrigkeiten sind äußerst unflexibel. Insbesondere ist die obergerichtliche Rechtsprechung zur Frage des Absehens vom Fahrverbot zu erwähnen. Ein tatrichterliches Ermessen ist hier jedenfalls nahezu nicht mehr vorhanden. Es sollte wieder mehr Flexibilität möglich sein, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Regelfahrverbot im Regelfall angeordnet werden "kann" (so nach § 25 Abs. 1 StVG). "In der Praxis ist aus dem "Kann" allerdings ein "Muss" geworden", so der DAV-Verkehrsrechtsanwalt. Die AG fordert daher auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Schaffung einer dem des § 153 a StPO entsprechenden Regelung.

Ein weiterer Denkansatz wäre es, ob ein Fahrverbot von einem Monat in zwei Teilen abgebüßt werden könnte. Damit ließe sich für viele Betroffene das Fahrverbot auch mit den Anforderungen an die Berufsausübung vereinbaren. Gerade im Hinblick auf die Umstände, der sehr weitreichenden Folgen eines Fahrverbots besteht hier nach Auffassung der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht dringender Handlungsbedarf.

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. VGT 4/20 vom 29. Januar 2020
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2020

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