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DILJA/183: Publizistin verurteilt - Paragraph 129a zielt auf kritische Medien (SB)


Bundesdeutsche Gesinnungsjustiz wird "internationalisiert"

Linke Publizistin wegen ihrer politischen Arbeit nach Paragraph 129a zu einer Bewährungsstrafe verurteilt


Die Paragraphen 129 und 129a sowie der im August 2002 in Kraft getretene Ergänzungsparagraph 129b, der aus dem lapidaren Satz besteht, daß die beiden Paragraphen 129 und 129a "auch für Vereinigungen im Ausland" gelten, umschreiben per se Gesinnungs- bzw. Organisationsdelikte, mit deren Hilfe nicht bestimmte Straftaten verfolgt, sondern unliebsame politische Organisationen sowie Diskussions- und Arbeitszusammenhänge überwacht, erfaßt und gegebenenfalls kriminalisiert werden können. Diese Einschätzung hat sich einmal mehr bewahrheitet mit der Verurteilung der linken Publizistin, Übersetzerin und Autorin Heike Schrader, die am Dienstag vom Oberlandesgericht Düsseldorf für schuldig befunden wurde, eine "terroristische Vereinigung" unterstützt zu haben.

Die Journalistin, die seit 2003 als Griechenland-Korrespondentin der jungen Welt tätig ist und in Griechenland lebt, wurde nach Paragraph 129a zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, die für eine Zeit von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Heike Schrader hat zudem die Kosten eines Verfahrens zu tragen, das in seinem Kern den Ruch einer politischen Gesinnungsjustiz in Reinform in sich trägt und unschwer als Beeinträchtigung, wenn nicht gar als Angriff auf die in der Verfassung verankerte Presse- und Meinungsfreiheit zu verstehen ist.

Vor genau einem Jahr, am 10. Dezember 2007, war die Publizistin bei ihrer Ankunft auf dem Köln-Bonner Flughafen verhaftet worden. Die Bundesanwaltschaft (BAW) wollte diese Festnahmeaktion in der Presse als einen großen Erfolg im Kampf gegen den internationalen Terrorismus behandelt wissen, dabei hätte sie die vollkommen legal und offen lebende Journalistin schon längst verhaften lassen können. Die Tatsache, daß in Deutschland bereits im Jahre 2001 ein Haftbefehl gegen Schrader erwirkt worden war und seit 2005 sogar ein internationaler Haftbefehl gegen sie bestand, ein behördlicher Zugriff jedoch bis vor einem Jahr nicht erfolgte, spricht Bände über die Gefährlichkeit, die die Bundesanwaltschaft dieser vermeintlichen "Terroristin" oder "Terrorunterstützerin" selbst zuerkannt haben mußte.

Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) hob den gegen Schrader verhängten Haftbefehl bereits einen Tag nach ihrer Festnahme wieder auf und entließ sie gegen Zahlung einer geringfügigen Kaution auf freien Fuß. Wenn schon der BGH keinen Grund für ihre Inhaftierung sah und die Bundesanwaltschaft über Jahre hinweg von einer Verhaftung abgesehen hatte - Heike Schrader war wiederholt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und als Referentin sogar öffentlich aufgetreten -, wirkte die Festnahmeaktion wie eine zum damaligen Zeitpunkt gezielt eingefädelte politische Inszenierung. Eine Sprecherin der Generalbundesanwaltschaft reagierte denn auch recht ratlos, als sie nach Schraders Verhaftung mit der Information konfrontiert wurde, daß die Journalistin beim zuständigen Ministerium in Athen offiziell als Junge-Welt-Korrespondentin akkreditiert ist.

Da liegt es schon nahe, einen Zusammenhang zu der Lesereise zu vermuten, derentwillen Schrader vor einem Jahr nach Deutschland gekommen war. Als Übersetzerin des Buches "Guantanamo auf griechisch. Zeitgenössische Folter im Rechtsstaat", das Savvas Xiros, der als führendes Mitglied der griechischen Guerillagruppe "Revolutionäre Organisation 17. November", kurz "17N", im Jahre 2002 festgenommen und 2003 zu sechsmal lebenslänglich verurteilt wurde, verfaßt hatte, wollte sie dieses Werk hier in Deutschland vorstellen. Der Bonner Pahl-Rugenstein-Verlag hatte die Festnahme Schraders seinerzeit als gezielten Einschüchterungsversuch bewertet. Die Lesereise mit öffentlichen Auftritten in Berlin, Hamburg und Nürnberg konnte nach ihrer Freilassung mit eintägiger Verzögerung durchgeführt werden. Heike Schrader selbst stellte das Buch, in dem der bei seiner Festnahme schwerverletzte Xiros - ihm war ein Sprengsatz in der Hand explodiert - beschreibt, wie er noch auf der Intensivstation von den Sicherheitsbehörden gefoltert und zu Aussagen genötigt worden ist, der interessierten Öffentlichkeit vor.

Die Versuche, mit Heike Schrader eine kritische Journalistin mundtot zu machen, hatten damit jedoch noch nicht ihr Ende gefunden. Die Bundesanwaltschaft hatte ihr keineswegs diese Übersetzungstätigkeit oder ihre journalistische Arbeit in Griechenland zum Vorwurf gemacht, sondern ihre politische Arbeit hier in Deutschland in den 1990er Jahren. In dieser Zeit hatte sie sich politisch für die linke türkische Organisation DHKP-C (Devrimci Halk Kurtuluc Partisi-Cephesi - Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) eingesetzt. In der Zeit zwischen 1996 und 1998 hatte sie als Übersetzerin und Redakteurin für das "Informationszentrum für freie Völker" in Köln gearbeitet, einer Einrichtung, die der DHKP-C zugerechnet wird. Der damalige Bundesinnenminister Manfred Kanther verhängte am 13. August 1998 ein Verbot gegen die DHKP-C, die inzwischen sowohl in der Türkei als auch in Deutschland von den Behörden als "terroristische Vereinigung" eingestuft wird.

Ein Jahr nach ihrer Verhaftung, am 8. Dezember 2008, wurde vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf im Hochsicherheitsbereich der Prozeß gegen Schrader eröffnet, nachdem die Bundesanwaltschaft im Juli dieses Jahres Anklage gegen sie erhoben hatte auf der Grundlage des Paragraphen 129a StGB. Ihr wurde vorgeworfen, zwischen 1996 und 1999 Mitglied einer "terroristischen Vereinigung" gewesen zu sein, die hier in Deutschland innerhalb der DHKP-C bestanden haben soll. Diese Gruppierung innerhalb einer ihrerseits inzwischen verbotenen linken Organisation wurde für Brandanschläge, Spendengelderpressungen und Morde an Abweichlern verantwortlich gemacht. Einen Beweis für die behauptete Zugehörigkeit Schraders zu einer solchen Gruppierung konnte die Bundesanwaltschaft allerdings nicht erbringen, und so führte sie ersatzweise deren publizistische Arbeit an sowie die Tatsache, daß sie Kontakte zu politisch aktiven Migranten und Migrantinnen aus der Türkei gepflegt hatte.

Selbstverständlich ließ sich der zuvor erhobene Vorwurf, Schrader habe von geplanten Gewalttaten und sogar Morden gewußt und diese gebilligt, in der zweitägigen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf nicht aufrechterhalten. Gegenüber der jungen Welt hatte Schraders Verteidigerin Waltraut Verleih noch vor Prozeßbeginn erklärt, sie gehe davon aus, daß nach der Beweisaufnahme feststehen werde, daß die politische Betätigung ihrer Mandantin für die bis August 1998 nicht einmal einem Vereinsverbot unterliegene DHKP-C zu Unrecht als "mitgliedschaftliche Betätigung in einer sogenannten terroristischen Vereinigung" bewertet worden ist. Und tatsächlich konnte die Bundesanwaltschaft die Anklage, Schrader sei Mitglied in einer "terroristischen Vereinigung" gewesen, was als Verbrechen schwerer hätte bestraft werden können als das Vergehen einer bloßen Unterstützung, nicht durchsetzen.

Die Anklagebehörde hatte diesen Vorwurf jedoch aufrechterhalten und eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren sowie eine Geldstrafe von 5.000 Euro gefordert. Da das Wissen und Verschweigen von Mordplänen, wie Schrader unterstellt, bereits eine schwere Straftat darstellt, scheint die Bundesanwaltschaft ihre eigenen Behauptungen nicht recht geglaubt zu haben. Bei dem einzigen Belastungszeugen gegen Schrader handelte es sich zudem um einen Kronzeugen, um dessen Glaubwürdigkeit es aufgrund der Verdachtes, es könnte sich um einen Spitzel gehandelt haben, nicht eben gut bestellt war. Da ein Freispruch für Heide Schrader wenn auch indirekt als Ohrfeige für die Ermittlungsbehörden hätte aufgefaßt werden können, sah sich das Oberlandesgericht Düsseldorf wohl veranlaßt, den eingeschlagenen Weg der Diskreditierung und strafrechtlichen Verfolgung dieser kritischen Journalistin fortzusetzen.

Heike Schrader wurde, obwohl ihr eine konkrete Beteiligung an einer "terroristischen Vereinigung" ebensowenig nachgewiesen werden konnte wie eine Mitgliedschaft, zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Zwei Tage nach diesem Urteilsspruch erschien in der jungen Welt ein von ihr mitverfaßter Artikel über die aktuelle Lage in Griechenland [2], und so steht zu erwarten, daß die Publizistin ihre journalistische Arbeit ungeachtet dieser auf sie wie auf eine kritische Berichterstattung generell abzielenden Einschüchterungskampagne nahtlos fortsetzen wird.

[1] "Guantanamo auf griechisch. Zeitgenössische Folter im Rechtsstaat", von Savvas Xiros. Mit einer Einführung von Heike Schrader, Pahl-Rugenstein Verlag, 2007, ISBN 978-3-89144-394-1

[2] "Griechenland steht still", von Heike Schrader und Rüdiger Göbel, junge Welt vom 11.12.2008, S. 1

11. Dezember 2008



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