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STELLUNGNAHME/079: Opfer oder Täter? (anarchist-black-cross Flensburg)


anarchist-black-cross - Ortsgruppe Flensburg - 12. Juni 2019

Opfer oder Täter?
Strafprozess um Widerstand und Polizeigewalt

Am 18.6. um 14:00 Uhr wird am Mainzer Amtsgericht gegen Dörthe S. verhandelt.


Am 1.1.2018 um 7:45 Uhr umzingelten sieben Polizist*innen am Mainzer Hauptbahnhof eine augenscheinlich nicht-weiße Person. Als Dörthe S. zufällig vorbei kam, saß diese auf dem Boden, während sieben Polizist*innen um sie herum standen. "Wer die Gegend um den Mainzer Hauptbahnhof kennt, weiß, dass nicht-weiße Menschen, dort öfter von der Polizei willkürlich angehalten und durchsucht werden. Wer sich mit Rassismuserfahrungen im Alltag von Betroffenen auseinandersetzt, weiß auch, dass dazu gehört im öffentlichen Raum nur auf Grund einer angenommenen Herkunft oder des Aussehens als gefährlich identifiziert, herausgepickt und vor allen anderen gesondert behandelt zu werden. Aussehen wird zum Grund von Kriminalisierung. Eine solidarische Gesellschaft greift in diesen Situationen ein, statt stumm, blind und taub vorbei zugehen", so Dörthe.

Um Solidarität mit der Betroffenen zu demonstrieren, stellte sich Dörthe S. dazu und beobachtete die Maßnahme. Die Polizei reagierte ungehalten. In den folgenden Minuten wurde Dörthe mehrfach zu Boden und schließlich mit dem Kopf gegen eine Glastür geworfen, gefesselt und zur Wache gebracht. Damit nicht genug. Monate später wurde gegen Dörthe S. Anklage erhoben. Sie soll die Polizist*innen beleidigt, getreten und mit Pfefferspray bedroht haben. Seit der Strafrechtserweiterung im Sommer 2017 ist das als "tätlicher Angriff" strafbar und im Falle einer Verurteilung mit einer Mindeststrafe von sechs Monaten Haft bedroht.

"Der "Tätliche Angriff" ist ein Nachtrittsparagraph, der es der Polizei ermöglicht ihre Opfer juristisch zu belangen und gleichzeitig ihre eigenen Taten nachträglich zu rechtfertigen.

Aktivist*innen, die sich mit Polizeigewalt auseinandersetzen, wissen schon lange, dass diese Tatvorwürfe hauptsächlich dann zum Einsatz kommen, wenn die Polizei jemenschen misshandelt hat, und dafür eine Rechtfertigung braucht. In der Regel lässt sich dieses Vorgehen nicht beweisen. Eine Verurteilung wird oft auch nicht abgewendet, da Gerichte prinzipiell die Version der Polizei übernehmen, die Beamt*innen meist geschlossen agieren und sich gegenseitig decken", so Franz Tschockowski, von der Rechtshilfegruppe anarchist-black-cross.

"Ich hoffe, dass wir in dieser Verhandlung ein verhältnismäßig ungetrübtes Schlaglicht auf die Arbeitsweise der Polizei werfen können. Unser Ziel ist es, herauszuarbeiten, wie leichtfertig Beamt*innen im Dienst Gewalt anwenden und Tatvorwürfe konstruiert werden", so Tschockowski.

Treffpunkt 18.6.2019, 14.00 Sitzungssaal 16
EG Diether von Isenburg Straße Gebäude A

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Quelle:
anarchist-black-cross - Ortsgruppe Flensburg
E-Mail: repression-nicht-mit-uns@web.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2019

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