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EDITORIAL/015: Flucht und flüchten (SB)


Wochendruckausgabe 15 der Elektronischen Zeitung Schattenblick zum 08.10.2016


Flucht und flüchten

Aufgeschlagene Schattenblick-Zeitung in den Händen eines Lesers - Foto: © 2013 by Schattenblick

Foto: © 2013 by Schattenblick
Nach jedem Schlaf und nach jedem Vergessen der Beginn und die Fortsetzung einer Flucht, die sich ihrem Wesen nach offensichtlich jedem Versuch, sie zu erfassen, sie zu begreifen oder ihrer habhaft zu werden, zielstrebig entzieht. Eher getrieben von mit ihr verknüpften Hoffnungen, Kalkülen und Perspektiven, Schatten, Unabsehbarkeiten oder fehlgeschlagenen Erwartungen löst sie aller Erfahrung nach ihre Versprechen doch nie ein.

Stattdessen entfaltet sie trotz vieler erreichter Ziele und mancher erfüllter Wünsche einen ungebrochenen Sog sicher nicht immer auszumachender Stetigkeit. Sie bleibt der Spannkraft und Dynamik nicht endender Ambivalenz in der Pflicht und versieht auf diese Weise den Verlauf jeder Strecke mit einem Anfang und mit einem Ende. Daraus leitet sich leichterhand die perfekte Erst- und Letztbegründung zur Ergebnislosigkeit und Wiederholung her. Schmerzlich, trügerisch und unvermeidbar bleibt die Flucht dann auch, wenn ihrer Natur durch vergebliche Ausweichmanöver und durch spontane Vermeidung immer wieder Rechnung getragen wird.

Es könnte mit entschiedener und unaufhörlicher Verweigerung allerdings ihr Ende gefunden und ihre Vorherrschaft gebrochen werden. Der Mensch hätte fortan nicht mehr den Widerstreit im Haus, sondern sein Zuhause im Streit und nichts müßte mehr über die Routinen des Vertrauten und durch die Aussicht auf Erkennen aufgeschoben werden.

Redaktion Schattenblick

4. November 2016


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