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PRESSE/573: Buddhistische Bestattungen in Deutschland (Der Mittlere Weg)


Der Mittlere Weg - Nr. 1, Januar - April 2007
Nachrichten des Buddhistischen Bundes Hannover e.V.

Buddhistische Bestattungen in Deutschland

von Axel Rodeck


1. Vorbemerkungen

Die tibetisch-buddhistische Gemeinschaft Chöling e.V. in Hannover hat eine Arbeitsgruppe "Krankheit und Sterben" gegründet, an der sich der Buddhistische Bund Hannover e.V. und an dere Interessierte aus dem buddhistischen Umfeld beteiligen. Aus dem umfangreichen Themenkomplex wurde zunächst der Bereich "Buddhistische Bestattungskultur" in Arbeit genommen mit dem Ziel, eine westliche Gegebenheiten berücksichtigende Verfahrensweise für alle buddhistischen Richtungen zu entwickeln, die der jeweiligen Schule entsprechend ergänzt werden kann. Zu behandeln war also allein der zeitlich nach Sterbebegleitung und Tod folgende Abschnitt.

Die Frage, ob der Bestattungsritus dem Verstorbenen, seinen Angehörigen oder beiden dient, wird im Buddhismus unterschiedlich beantwortet. Fest steht lediglich, dass der Buddha zwei Extreme abgelehnt hat, nämlich einerseits die Vorstellung, mit dem Tod sei alles Leben zu Ende (Materialismus), andererseits die Vorstellung, es gebe eine ewige Seele (Eternalismus, also monotheistische Religionen und Hinduismus). Dazwischen finden sich die buddhistischen Schulen auf einem "mittleren Weg" mit der Annahme, ein konditionaler Prozeß führe entweder unmittelbar oder mit zeitlicher Unterbrechung zur Wiedergeburt. Bei Unmittelbarkeit der Wiedergeburt schließt an den letzten Moment des Sterbenden unmittelbar - ohne Zwischenzustand - der erste Moment des im Mutterleib neu entstehenden Wesens an, dem Verstorbenen geltende Rituale erscheinen daher zweifelhaft. Wird jedoch von einem nachtodlichen Zwischenzustand ausgegangen - der nach tibetischer Ansicht bis zu 49 Tage dauern kann - ist eine postmortale Beeinflussung des Verstorbenen möglich und wünschenswert.

Ein beide Auffassungen berücksichtigender Entwurf muß sich außerdem mit der Frage befassen, wie eine Einbindung buddhistischer Bestattungen in die hiesige Rechtsordnung unter Berücksichtigung einheimischer Kultur erfolgen kann. Hier ist hilfreich, dass sich in Deutschland in einem langen Ablöseprozeß eine nichtkirchliche Bestattungskultur entwickelt hat, auf die hiesige Buddhisten zurückgreifen können. Entsprechend der Verfahrensweise bei christlichen Begräbnissen finden sich als Konstanten nichtkirchlicher Trauerfeiern die Ansprache eines Redners, musikalische Umrahmung (etwa mit Lieblingsmusik des Verstorbenen), Trauerzug zum Grab und dortige Rituale (wie der Erdwurf). An Stelle von Psalmen und Bibeltexten werden andere Texte, auch Gedichte, verlesen, dabei ist unbedingt auf eine klare Verständlichkeit des Vorgetragenen zu achten.

Die Arbeitsgruppe ist daher hinsichtlich ihres Entwurfs von folgenden Vorgaben ausgegangen:

1. Es wird in Anlehnung an die deutsche nichtkirchliche Bestattungskultur ein zweiteiliger Ritus durchgeführt, bestehend einerseits aus Ansprache(n) mit musikalischer Begleitung und andererseits Prozession zum Grab bzw. Verabschiedung am Sarg.

2. Die Ansprache(n) werden, solange eigene Fachkräfte, fehlen, von einem geeigneten, zum Buddhismus positiv stehenden (freien) Redner gehalten und durch Musik und Rezitationen von Sutras oder Gedichten ergänzt. Für letzteres müssten sich aus dem Sangha Kräfte finden lassen.

3. Der Inhalt der Rezitationen richtet sich nach der jeweiligen Buddhismusinterpretation des Verstorbenen und/oder seiner Angehörigen. Dasselbe gilt für spezifische Riten (z.B. Nachschicken von Verdienst, Lesung aus dem "Totenbuch" usw.)

Material für die konkrete Ausgestaltung wurde der mit Sorgfalt von der DBU zusammengetragenen Sammlung "Buddhistische Rituale" entnommen. An der praktischen Abwicklung wird noch gearbeitet, bitte diesbezügliche Fragen an Chöling oder BBH richten.

II. Vorschlag einer buddhistischen Bestattungsfeier westlicher Art

1. Vor der Bestattung zu beachtende Aufgaben

Der Tod des (in diesem Sinne auch der) Verstorbenen kann vorhersehbar gewesen oder überraschend gekommen sein, er kann im Hause oder im Krankenhaus oder anderswo erfolgt sein. Deshalb sind die nötigen oder wünschenswerten folgenden Aufgaben organisatorischer Art je nach vorhandener Situation auszuführen:

a) Kontaktaufnahme seitens des Sanghas mit den nächsten Angehörigen des Verstorbenen (soweit bekannt) und Angebot der Hilfestellung bei buddhistischer Bestattung. Voraussetzung fÜr eine Hilfe ist, daß die verstorbene Person wn eine Abschiedsfeierlichkeit im Stil einer buddhistischen Abschiedsstunde gebeten hat oder sich dies aus den Umständen ergibt. Hier ist dringend zu empfehlen, schriftlich eine "Regelung für meine Trauerfeier" zu treffen und diese bei dem jeweiligen buddhistischen Zentrum zu hinterlegen.

b) Bald nach dem Tod Einschaltung eines Bestattungsinstituts durch die Angehörigen zur Durchführung der bei Sterbefällen unverzichtbaren Formalitäten und Handlungen (z.B. Beantragung der ärztlichen Todesbescheinigung bei Sterbefall in der Wohnung, Veranlassung der Überführung usw.) Denn all diese Formalitäten sollten in der Hand eines professionellen Bestatters liegen! Empfohlen wird die Beauftragung eines mit dem Sangha zusammenarbeitenden und mit den buddhistischen Wünschen vertrauten Instituts. Wünschenswert ist, dass ein Sangha-Mitglied beim Erstgespräch zwischen Angehörigen und Bestattungsinstitut teilnimmt.

c) Ebenfalls bald nach dem Tod Benachrichtigung und Einbindung des mit dem Sangha und dem Bestattungsunternehmen zusammenarbeitenden freien Redners. Erforderlich sind Gespräche mit Freunden und Verwandten des Verstorbenen, um Daten und Fakten über den Lebensweg zu erhalten. Organisation der gewünschten buddhistischen Riten durch Sangha- Mitglieder oder buddhistische Mönche.

d) Im Benehmen mit den Angehörigen klären, ob im Haus/Sterbezimmer Blumenschmuck usw. erfolgen soll, event. während der Aufbahrung bis zur Abholung.

Besonderheiten: Rezitationen und Vorlesungen am Leichnam nach jeweiliger Buddhismusinterpretation, auch durch in Deutschland befindliche Mönche

e) Mit dem Bestattungsunternehmer und dem Redner die Einzelheiten der Bestattungsfeier besprechen (z.B. Ausschmückung der Kapelle für die Abschiedsstunde, Bild einer Buddhastatue, Blumenschmuck, Musik, Abstimmung auf den erwarteten Teilnehmerkreis). Organisation des "Leichenschmauses" nach der Bestattung.

2. Ablauf der Feier

Im Regelfall wird die Feier in der Kapelle eines kommunalen Friedhofs stattfinden. Die äußeren Gegebenheiten (schnell entfernbare buddhistische Gegenstände, keine Räucherstäbchen usw.) und der zeitliche Rahmen (in Großstädten idR eine halbe Stunde) sind damit vorgegeben. Auszugehen ist von einer Verabschiedung am Sarg, gleich ob Erd- oder Feuerbestattung. Die Feierlichkeit sollte in meditativer Ruhe abgehalten werden. Ruhige, langsame Sprechweise, deutliche Ausdrucksweise, so dass jeder Teilnehmer die Worte verstehen kann.

a) Versammlung: Statt der üblichen drückenden Stille zwischen Öffnung der Kapelle und Beginn der Feier sollte während der Ansammlung der Trauergäste die für den Verstorbenen als adäquat gehaltene oder von ihm gewünschte Musik (weder lustig noch traurig) gespielt werden. (veranschlagte Zeit: 9 Min.)

GONG - Ein Gongschlag leitet die Feierlichkeit ein.

b) Begrüßung der Trauergäste und Vorlesen eines buddhistischen Verses etwa aus dem Dhamma pada, (oder auch, bei überwiegend buddhistischen Trauergästen, des Buddhistischen Bekenntnisses) durch ein Sangha- Mitglied. (veranschlagte Zeit: 3 Min.)

Beispiel: Liebe Freundinnen und Freunde, wir sind heute zusammen gekommen, um dem von uns gegangenen (Vorname und Name) ein letztes Geleit zu geben. Der Verstorbene hat zu seinen Lebzeiten den Weg zur Lehre des Buddha gefunden und darum gebeten, unsere Feierstunde im Sinne dieser Lehre zu gestalten. Die buddhistischen Schriften befassen sich tief und umfangreich mit dem jedem Wesen bestimmten Schicksal des Todes, und wir lesen im Samyutta-Nikaya:

GONG

(event. anderer Sprecher:)

Alle Wesen sind dem Tode unterworfen, enden im Tod, können dem Tode nicht entgehen.

Wie jedes irdene Gefäß, gebildet von des Töpfers Hand, ganz einerlei, ob klein ob groß, am Ende zerbrechen muß.

Genau so auch sind alle Wesen dem Tode unterworfen, enden im Tode, können dem Tode nicht entgehen.

GONG

c) Ansprache durch den freien Redner (oder, falls geeignet vorhanden, ein Sangha-Mitglied)

(Schilderung des Lebenslaufs unter besonderer Berücksichtigung der Konversion zum Buddhismus)(veranschlagte Zeit: 5 Min.)

GONG

d) Vortrag eines Sutras oder sonstigen Werkes durch ein Sangha- Mitglied (veranschlagte Zeit: 3 Min.)

Beispiel:

Drei Schrecken aber gibt es, ihr Mönche, wobei Mutter und Sohn einander nimmer helfen können. Welche drei? Den Schrecken des Alters, den Schrecken der Krankheit, den Schrecken des Todes.

Nicht kann, ihr Mönche, die Mutter bei ihrem alternden Sohne dies erreichen: "Ich altere zwar, doch möge mein Sohn altern!" Und auch der Sohn kann es bei seiner alternden Mutter nicht erreichen: "Ich altere zwar, doch nicht möge meine Mutter altern!"

Nicht kann, ihr Mönche, die Mutter bei ihrem erkrankten Sohne dies erreichen: "Ich erkranke zwar, doch nicht möge mein Sohn erkranken!" Und auch der Sohn kann es bei seiner erkrankten Mutter nicht erreichen: "Ich erkranke zwar, doch nicht möge meine Mutter erkranken!"

Nicht kann, ihr Mönche, die Mutter bei ihrem sterbenden Sohne dies erreichen: "Ich werde zwar sterben, doch möge mein Sohn sterben!" Und auch der Sohn kann es bei seiner sterbenden Mutter nicht erreichen: "Ich werde zwar sterben, doch nicht möge meine Mutter sterben!"

Diese drei Schrecken gibt es, wobei Mutter und Sohn einander nimmer helfen können.

Es gibt aber, ihr Mönche, einen Weg, es gibt einen Pfad, der zum Vermeiden und Überwinden dieser drei Schrecken führt. Welches aber, ihr Mönche, ist dieser Weg? Es ist eben dieser edle achtfache Pfad, nämlich: rechte Erkenntnis, rechte Gesinnung, rechte Rede, rechtes Tun, rechter Lebensunterhalt, rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit und rechte Sammlung. Dies, ihr Mönche, ist der Weg, dies ist der Pfad, der zum Vermeiden und Überwinden dieser drei Schrecken führt, bei denen Mutter und Sohn einander nimmer helfen können.

GONG

e) Besonderheiten: Ansprache oder Rezitationen gemäß der jeweiligen Buddhismusinterpretation durch Sangha-Mitglied oder Ordinierten, z.B. Anrede gemäß Tibetischem Totenbuch (veranschlagte Zeit: 4 Min.)

Beispiel: Höre mich! Höre, bevor du dich auf den Weg durch das Zwischenreich der Reinigung begibst! O Sohn (Tochter) aus edler Familie: Du hast den irdischen Leib abgelegt, um dich einer neuen Geburt zuzuwenden. - Als dir der Schreck des körperlichen Todes die Sinne raubte, hat dein Bewusstsein mit dem letzten Atemzug die körperliche Hülle verlassen. Als dir das Erkennen wiederkam, glaubtest du geschlafen zu haben; aber bald erkanntest du, dass man dich nicht mehr wahrnehmen konnte.

Noch siehst du uns, noch hörst du uns; aber schon stehst du an der Schwelle des Zwischenreiches, das 49 Tage andauern wird. Du wirst durch ein Reich friedlicher Gottheiten gehen; aber beachte, dass dies deine eigenen Bewusstseinsgestaltungen sind. Beachte es jetzt, solange du uns noch wahrnimmst. - Dann wirst du durch das Reich der furchterregenden Gottheiten gehen. Auch dort werden es nur deine eigenen Bewusstseinsgestaltungen sein, die dir diese Bilder vorgaukeln. Denke jetzt aufmerksam daran, damit du dich dort nicht fürchtest.

Nur kurze Zeit werden diese Vorstellungen andauern; aber der Zeitbegriff des irdischen Daseins hat in diesen Zuständen des Zwischenreichs keine Gültigkeit mehr und du wirst keine Wahrnehmung einer Zeitdauer haben. Denke schon jetzt daran, dass dieser Zustand nur von kurzer Dauer ist. - Nach Ablauf dieser 49 Tage seit dem Tag deines irdischen Abscheidens wirst du in einem neuen Mutterschoß eintreten. Wisse, dass dich auf diesem Wege unsere liebevollsten Wünsche begleiten, denn wir wissen: Auch wenn du dann nicht mehr den Namen ........... tragen wirst, eines Tages wird uns ein Kind begegnen, und du wirst es sein; aber du wirst es nicht wissen.

Immer wollen wir daran denken, dass in jedem Kinde, das uns entgegentritt, das sein kann, was wir in dir geliebt haben. Etwas von dir, das in uns allen ist: eine göttliche Kraft, die des Namens und nicht des Bildes bedarf, um uns Gewissheit zu geben, dass wir alle Brüder und Schwestern sind, gespeist aus der gleichen Quelle eines unteilbaren Lebens.

Mögen unsere guten Wünsche den (die) Dahingegangene(n) begleiten. Möge die Buddhaweisheit bald in ihm(ihr) aufleuchten. Möge er(sie) die Heiligkeit erringen und erkennen: "Vollbracht ist die Aufgabe, getan ist, was zu tun war, vollendet ist das Reinheitsleben - nicht mehr ist diese Welt!"

GONG

f) Gemeinsame Meditation (Leitung durch Sanghamitglied, event. Ordinierten) (veranschlagte Zeit: 3 Min.)

Beispiel: Liebe Freundinnen und Freunde unseres (Vorname und Name)! Wir wollen uns zunächst mit unseren geistigen Kräften an die weltliche Persönlichkeit, das Charakteristische des Verstorbenen erinnern. Lassen wir das Bild vor unserem Geist aufsteigen. Betrachten wir es aufmerksam. (Pause). Laßt uns nun für einige Minuten meditativ über das Kommen und Gehen im Kreislauf der Wiedergeburten sinnen.

GONG

kurze Meditation

GONG

g) Verabschiedung am Sarg. Eventuell leise Hintergrundmusik. (veranschlagte Zeit: 3 Min.)

Beispiel: Wir alle sind traurig, wenn wir von einem lieben Menschen Abschied nehmen müssen. Dies war auch dem Buddha klar, weswegen er kurz vor seinem Parinirvana seinen Lieblingsjünger Ananda ermahnte:

"Sei nicht traurig, Ananda, jammere und klage nicht! Habe ich dir nicht schon früher gesagt, daß man von allem, was einem lieb und wert ist, scheiden und sich trennen muß, und daß alle unsere Beziehungen sich wandeln? Auch ist es unmöglich und ganz ausgeschlossen, daß das, was geboren, entstanden, bedingt und der natürlichen Vernichtung anheim gegeben ist, nicht zerfiele.

Lange Zeit, Ananda, hast du dem Erwachten zur Seite gestanden, warst um sein Wohl und sein Glück besorgt, mit liebevollen Taten von Körper, Mund und Gedanken. Du hast Gutes getan, Ananda, sei eifrig bestrebt, dann wirst auch du auf gutem Wege sein."

GONG

Die Trauergäste verabschieden sich mit stummem Gruß und Niederlegung von Blumen vom Sarg, bevor dieser zum Einäscherungsort gefahren wird. Musik im Hintergrund.

h) Ende der Feier. Aufbruch zum Leichenschmaus in Gaststätte, Buddhistischem Zentrum oder Privatwohnung (Fahrgemeinschaften bilden!)


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Quelle:
Der Mittlere Weg - majjhima-patipada
39. Jahrgang, Januar - April 2007/2550, Nr. 1, Seite 24
Herausgeber: Buddhistischer Bund Hannover e.V.
Drostestr. 8, 30161 Hannover,
Tel. und Fax: 05 11/3 94 17 56
E-mail: info@buddha-hannover.de
Internet: www.buddha-hannover.de

"Der Mittlere Weg - majjhima-patipada" erscheint
nach Bedarf und ist für Mitglieder kostenlos.

den 12. Januar 2007