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PRESSE/587: Rinzai-Zen Traditionslinie - Tekisui Giboku (Zenshin)


ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 2/06

Die Namen der Buddhas und Patriarchen der Rinzai-Zen Traditionslinie
Tekisui Giboku Zenji

Zusammengestellt von Nanshu Susanne Fendler


Mit der Zenshin-Ausgabe 1/03 haben wir diese Reihe begonnen und sie wird jetzt mit dem zwanzigsten Patriarchen Tekisui Giboku fortgesetzt. Schon vor längerer Zeit hat Hozumi Gensho Roshi bestimmt, dass wir alle zusammen morgens die Traditionslinie rezitieren. Sie erinnert uns daran, wieviel Mühen es viele Menschen gekostet hat, Zen zu üben, die Lehre und die Praxis weiterzugehen, so dass wir sie heute hier in Deutschland üben können. Wenn die Namen, gerade auch in der japanisierten Form uns nicht immer etwas sagen, weil die entsprechenden Patriarchen uns unter anderem Namen bekannt sind, oder wenn die Geschichte dieser Menschen und die Texte und Spuren, die sie hinterlassen haben, uns völlig unbekannt sind, kann dieses Bewusstsein nur bedingt eintreten. Viele Menschen im Westen denken, dass Zen losgelöst vom Buddhismus existiert und nichts mit ihm zu tun hat. Gerade in der Traditionslinie wird deutlich, dass Zen die gleichen Wurzeln hat und aus der gleichen Quelle schöpft, wie viele andere buddhistische Schulen auch. Wir beginnen alle bei Buddha Shakyamuni. Auf diese Wurzeln und Quellen soll hier ebenfalls aufmerksam gemacht werden.


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Tekisui Giboku (1822-1899) ist der XX. Patriarch der Traditionslinie. Bekannt ist er im Westen durch die Geschichte des 'einen Tropfen Wassers'

Tekisui Giboku lebte während des Beginns der Meiji-Zeit (1868-1912), die eine Modernisierung und grundlegende Veränderungen der japanischen Gesellschaft in allen Bereichen brachte. Außenpolitisch stellt sie das Ende einer langen Zeit der Isolation des Landes dar und die Öffnung Japans zur Welt, innenpolitisch wurde das Tokugawa-Shogunat abgeschafft und die Kaiserherrschaft wieder hergestellt. Der Buddhismus wurde zu Beginn dieser Zeit - also zu Tekisui Gibokus Lebzeiten - offiziell vom Shintoismus getrennt und dem Shintoismus wurde zuerst eins der sieben Ministerien der Regierung überlassen, während buddhistische Zeremonien am Hof untersagt wurden. Hintergrund dieser Trennung war unter anderem eine Volksbewegung, die mit dem Slogan "Nieder mit dem Buddhismus" agierte. Bereits nach einem Jahr wurde dieses Ministerium jedoch allgemeiner in ein "Ministerium für Religion und Erziehung" umgewandelt, in dem auch der Buddhismus vertreten war. Tekisui Giboku war der erste, der hier die Zen-Schulen vertrat. Über seine Tätigkeit in diesem Rahmen ist jedoch wenig bekannt.

Der weit verbreitete Unwille gegenüber dem Buddhismus zu dieser Zeit beruht auf der "moralischen Laxheit, Korruption und Arroganz", die sich offensichtlich bei einer größeren Anzahl der buddhistischen Mönche fand. So kam es auch mancherorts zu Ausschreitungen, von denen unter anderem auch der Tenryuji betroffen war. Die Trennung zwischen Shintoismus und Buddhismus führte zu einer Überprüfung einiger der Regeln. So wurde das Zölibat aufgehoben und das Essen von Fleisch und Fisch wurde erlaubt. Während ersteres sich durchsetzte, wurde jedoch auf Dauer in den zen-buddhistischen Hauptklöstern die vegetarische Ernährung beibehalten.

Tekisui Giboku wurde in der Nähe von Kyoto geboren und machte seine ersten Erfahrungen in kleinen Tempelklöstern der Gegend. Er wurde mit 18 Jahren Schüler von Gizan Zenrai Zenji im Sogenji in Okayama, der nach 10 Jahren seine Erfahrung bestätigte. 1849 kehrte er nach Kyoto zurück, wo er ca. 10 Jahre in einem Tempelkloster lebte. 1863 besuchte er anlässlich einer Zeremonie den Tenryuji, wo er blieb, auch als ein Jahr später bei einer kriegerischen Auseinandersetzung der Tempel in Flammen aufging. Durch Spenden schaffte er es, den Tempel wieder aufzubauen, aufgrund der schwierigen Zeiten dauerte es jedoch recht lange, so dass Tekisui im zerstörten Tempel seine Vorträge hielt. 1871 wurde er Abt des Tempels, 1872 Vorsteher der Tenryuji-Linie. Im Rahmen der Veränderungen zu Beginn der Meiji-Zeit bereiste er das Land. Besonders lag ihm dabei die Förderung des Nachwuchs am Herzen.

Raute

[Auszug aus "Zenherz" von Hozumi Gensho Roshi]

Ein Tropfen Wasser

Als Giboku 9 Jahre alt war, wurde er Mönch und begann im Ryushoji in Kyoto mit seiner Ausbildung. Nach zehn Jahren asketischer Übung wollte er sein Kloster verlassen und durch Japan pilgern. Sein Meister war jedoch nicht mit seinem Vorhaben einverstanden. Da er gerne andere Klöster und Meister besuchen wollte, beklagte er sich bei den Gläubigen seines Klosters und erzählte ihnen von seinen Plänen. Ein alter Mann hatte großes Mitleid mit ihm und wollte ihn unterstützen. "Wenn man Mönch geworden ist, dann ist es selbstverständlich sehr wichtig, dass man sich auf Pilgerschaft begibt und sich weiterbildet. Gerne bezahle ich für Sie die Reisekosten und Sie können sich auch gleich auf den Weg machen. Aber eines mache ich zur Bedingung. Wenn Sie diesen Tempel verlassen haben, kommen Sie bitte nur als großartiger Osho zu uns zurück".

Giboku schwor den Gläubigen, dass er diesen Ort nie wieder betreten wurde, falls seine Pilgerreise keinen (spirituellen) Erfolg hätte.

Auf seiner Wanderschaft kam er in das Zenkloster Sogenji nach Okayama. Dort wurde er Schüler von Gisan Zenrai Zenji (gest. 1877), einem hervorragenden Zenmeister, der für seine Strenge und Genauigkeit berühmt ist.

Folgende Geschichte wird erzählt:

An einem Sommerabend nahm Meister Gisan ein Bad. Da das Wasser zu heiß war, rief er nach Giboku und trug diesem auf, kaltes Wasser zu holen. Giboku schleppte vom Brunnen Wasser heran und goß es in die Wanne. Als diese voll war, schüttete er den Rest gedankenlos auf den Boden. In diesem Moment fuhr ihn Meister Gisan barsch an: "Idiot! Jedes Ding ist verwendbar, ob groß oder klein. Warum hast du das verschüttete Wasser nicht für irgend etwas benutzt? Mit jeder noch so geringen Menge Wasser kann man den Garten gießen. Warum konntest du es nicht für das Leben einer Pflanze, eines Baumes oder einer Blume verwenden? Verstehst du denn nicht, was "verborgene Wohltat" heißt? Du unmoralischer Mönch"!

Von diesem Tag an änderte sich Giboku. Um seine Achtung auszudrücken, die er jedem Tropfen Wasser entgegenbrachte, nannte er sich von da an 'Tekisui' - ein Tropfen Wasser.

Auf seinem Sterbebett sagte er:

"Sogens ein Tropfen.
Etwa 70 Jahre lang versuchte ich, mich nützlich zu machen.
Ich lebte im Einklang mit der Erde und dem Himmel,
um diese Lehre zu verwirklichen.
Aber noch immer ist es nicht genug."

Die Lehre seines Meisters hatte so stark in ihm gewirkt. Das ist großartig. Der asketisch übende Schüler sollte ihn sich zum Vorbild nehmen. Besonders in unserer Zeit sollte man von "einem Tropfen Wasser" lernen. Denn wir denken immer noch nicht genug darüber nach, wie wir uns nützlich machen können.

Raute

Quelle:
ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 2/06, S. 22-24
Herausgeberin: Hakuin Zen Gemeinschaft Deutschland e.V. (HZG)
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Redaktion: Nanshu Susanne Fendler / Bunsetsu Michael Schön
Übelherrgasse 6, 89420 Höchstädt a.d.D.
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ZENSHIN erscheint halbjährlich.
Einzelheft 7,50 Euro inklusive Versand


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2007