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PRESSE/641: Ordination von Nonnen (Buddhistische Monatsblätter)


Buddhistische Monatsblätter Nr. 4/2007, Oktober-Dezember
Buddhistische Gesellschaft Hamburg e.V.

Internationaler Kongress über die Rolle buddhistischer Frauen im Sangha bezüglich der Ordination von Nonnen

Von Dr. Holger Stienen


Vom 18.-20. Juli 2007 fand bei uns in Hamburg der erste Internationale Buddhistische Nonnenkongress seit Bestehen des Buddhismus' statt. "Und das in einem christlichen Land", wie der Dalai Lama am letzten Tag bei der Podiumsdiskussion über die Ergebnisse der Konferenz lachend befand. Fast 500 Nonnen und Mönche sowie Wissenschaftler aus ca. 40 Ländern waren in der Universität anwesend und diskutierten lebhaft über. die ca. 80 Vorträge, in denen alte und neue Praxis sowie die Hintergründe aus Schriften und Geschichte präsentiert wurden.

Weltweit gibt es heute über 100.000 buddhistische Nonnen. Viele von ihnen sind jedoch nicht "vollordiniert" (im Sinne der Anerkennung durch die Mönchssangha ihres Landes). In Sri Lanka z. B. gibt es 30.000 vollordinierte Mönche. Von den 2.000 Nonnen sind aber nur ca. 500 vollordiniert - dieses aber nicht in der Theravadatradition und daher von diversen Mönchsorden nicht anerkannt. Dennoch unterstützt die Regierung des Landes diese vollordinierten Nonnen, die immer mehr an Bedeutung gewinnen, seit die Praxis vor einigen Jahren, unterstützt von Nonnenorden in Ostasien, auf die Insel zurückkehrte. In Sri Lanka war der Nonnenorden, der auf die Linie des Shakyamuni Buddha zurückging, nach Invasionen aus Indien vor 900 Jahren ausgestorben, und die traditionellen Mönchsorden wollten ihn nicht wiederbeleben, weil es Praxis geworden war, dass nur der Sangha von Mönchen und Nonnen gemeinsam Nonnen voll ordinieren kann. Diese Ansicht muss jedoch als falsch angesehen werden, denn Buddha selbst hat seinen Mönchsorden unter Leitung Anandas veranlasst, Nonnen voll zu ordinieren. Zu diesem ersten Zeitpunkt gab es aber noch gar keinen Nonnenorden, also keine Möglichkeit der "dualen" Ordination. Nach Tibet ist die Praxis der Nonnenordination jedoch nie gelangt. Tibetische Nonnen sind alle in Ostasien ordiniert, wo die Nonnenordination bruchlos als Dharmaguptaka fortbestand, da die letzten vor 900 Jahren von Sri Lanka geflüchteten Nonnen diese Tradition nach China mitgenommen hatten. In dieser Linie sind heute die Nonnen Chinas, Taiwans, Vietnams und Koreas voll ordiniert. Im Himalaja gibt es heute demzufolge ca. 1.300 voll ordinierte Nonnen in tibetischer Tradition, die jedoch nicht in der tibetischen Mulasarvastivada-Tradition ordiniert sind. Es ist eine der Forderungen dieser Nonnen, auch in gemeinsamer Zeremonie mit ihren männlichen Pendants ordiniert zu werden. Der Dalai Lama und andere Lamas erkennen diese Nonnen als vollordiniert an und versprachen, sich gegenüber den anderen Mönchsorden dafür einzusetzen, dass Frauen nun auch in der tibetischen Tradition ordiniert werden können. Hierfür will der Dalai Lama 2008 ein Meeting der wichtigsten tibetischen Mönchsoberen einberufen.

Dieses ist jedoch nur die formale Seite. Wichtig ist es, dass den Nonnenorden auch entsprechende Hilfen und Mittel zufließen, um sie den männlichen Orden gleichzustellen. Oft sind Nonnenklöster ärmlich ausgerüstet und eine höhere Bildung und buddhistische Ausbildung, z. B. zum Geshe (Doktor der buddh. Philosophie) für Nonnen kaum erreichbar. In den westlichen Ländern weichen sie deshalb häufig auf ein adäquates Universitätsstudium aus. Es ist zudem auffällig, dass in Asien viele Nonnen in Sozialprojekten arbeiten und so erstmals in seiner Geschichte den Buddhismus auch in der Praxis als soziale Bewegung etabliert haben. Dennoch soll auch diesen Nonnen eine umfassende höhere Ausbildung zukommen. Dem stehen im Grunde genommen nur verkrustete Strukturen auf Seiten der Mönche entgegen, die sich erst langsam auflösen. Der Kongress war auch insofern interessant, als dort viele in Pali und Sanskrit bewanderte Wissenschaftler neue Untersuchungsergebnisse vorstellten. Ich fand hiervon eines sehr wichtig, was auch der Dalai Lama in der abschließenden Podiumsdiskussion bestätigte, dass nämlich jede (auch volle) Ordination durch einen buddhistischen Ordinierten grundsätzlich gültig ist und nicht aberkannt werden kann. Hierzu bedarf es keinem anwesenden Sangha, und erst recht keiner Mönche. Daher ordinieren bereits vereinzelt Äbtissinnen in Ostasien wie auch in westlichen Ländern allein Nonnen aus allen Traditionen, sofern diese ein anspruchsvolles Training im Kloster durchlaufen haben. Hierzu kann hinzugefügt werden, dass die drei Ordinationstraditionen sich nur sehr geringfügig, und zwar hinsichtlich der Anzahl der Regeln (Vinayas), unterscheiden.

Es war sehr schön, festzustellen, dass nach so vielen hunderten von Jahren der Stagnation in die Nonnenfrage eine große Dynamik gekommen ist. Hierbei stand die Frage von Theravada und Hinayana ganz im Hintergrund und eher die alten Traditionen Ostasiens und neuen Entwicklungen im Westen im Vordergrund, welche diese Dynamik entscheidend ausgelöst haben. Der Kongress war, trotz noch unterschiedlicher Positionen, von einem großen Geist der sachlichen und spirituellen Gemeinsamkeit geprägt. Neben Stiftungen und Firmen war auch unsere Buddhistische Gesellschaft ausdrücklich als Sponsorin dieses historischen Kongresses aufgeführt.


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Quelle:
Buddhistische Monatsblätter Nr. 4/2007, Oktober-Dezember, Seite 35-37
Herausgeberin: Buddhistische Gesellschaft Hamburg e.V.,
Beisserstr. 23, 22337 Hamburg
Tel.: 040 / 6313696, Fax: 040 / 6313690
E-Mail: bm@bghh.de
Internet: www.bghh.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Oktober 2007