Schattenblick →INFOPOOL →RELIGION → BUDDHISMUS

PRESSE/650: Editorial - Der Mittlere Weg Ausgabe 1/2008 (DMW)


Der Mittlere Weg - Nr. 1, Januar - April 2008
Zeitschrift des Buddhistischen Bundes Hannover e.V.

Editorial

Von Axel Rodeck


Der Schrecken der Gewalttaten wegen "Mohammed-Karikaturen" steckt uns allen noch in den Gliedern, da holt die bayrische CSU zum Schlag aus: Verschärfung des "Gotteslästerungsparagrafen" Paragraph 166 Strafgesetzbuch! In Heft 2/2006 "DMW" hatten wir bereits dargelegt, dass damit die dem alten Judentum entstammende Vorstellung einer weltlichen Strafe für Gott angetanes Unrecht, entgegen unserer römisch-rechtlichen Tradition, wieder aufzuleben droht - ein Rückschritt für unsere Rechtskultur.

Warum, so fragt neuerdings auch der Berufs-Atheist Richard Dawkins in seinem Buch "Der Gotteswahn", strafen Jahwe, Gott oder Allah alle Beleidigungen ihnen oder der Religion gegenüber nicht spontan, tunlichst abgestuft vom leichten Stolpern bis zum Schlaganfall? Dann müsste sich nicht ein wüster Mob zum Vollstrecker der Rachsucht machen und Unbeteiligte blieben verschont. Wir haben die bayrische Nachricht vorerst unter "Auch das noch..." auf der religiösen Kuriositätenseite abgedruckt - doch man sollte den Anfängen wehren und alle Angriffe auf die Freiheit der Meinungsäußerung sehr kritisch prüfen.

Zum Glück dürfen wir (noch?) ungestraft die Entmystifizierung uralter religiöser Vorstellungen erörtern: Lassen sich der "Blick über den Zaun" des Lebens und damit zusammenhängende Erscheinungen wissenschaftlich erklären? Der Aufsatz "Neues vom Nahtod" soll auf den jetzigen Kenntnisstand hinweisen, nicht jedoch den Glauben an nachtodliche (Zwischen-)Zustände widerlegen. Es kann ja niemals schaden zu beobachten, wie die Dinge im "grenzüberschreitenden Verkehr" zwischen Leben und Tod aus neutraler Sicht so ablaufen.

Und noch einmal muß die "Auch das noch"-Rubrik erwähnt werden: Die Nachricht vom "Buddha Boy" in Nepal (Heft 3/2007) hat Dr. H.W. Schumann veranlasst, uns freundlicherweise einen Beitrag über Scharlatanerie im frommen Gewand zur Verfügung zu stellen: "Ein misslungenes Encroachment" (für Nicht-Anglisten:Der Ausdruck wird im Text erklärt). Ob Ost oder West - Religion wird überall zur Erlangung materieller Vorteile missbraucht.

Wir haben auch in diesem Heft versucht, vielfältige Themen zusammen zu stellen, vom Reisebericht aus China bis zur Frage, ob der Buddhismus eine Religion und ob er atheistisch ist. Der Redaktion schien angesichts des breiten Spektrums von Meinungsäußerungen in unseren Heften die Bezeichnung als "Nachrichtenblatt" auf der Titelseite nicht mehr sachgerecht zu sein. Daher wird - haben Sie es bemerkt? - unser Blatt nunmehr als "Zeitschrift" des BBH ausgewiesen und wir wollen diese Bezeichnung beibehalten.

Trotz aller Bemühung um Vielseitigkeit beschweren sich einige Leser, die Beiträge seien zu intellektuell, der "Mittlere Weg" möge doch besser Trost für den leidhaften Alltag sowie Ratschläge geben, wie dieser (buddhistisch) zu meistem sei. Wir kennen derartige Bitten aus der Gesprächsgruppe und daher auch die Schwierigkeiten: Zum einen fehlen uns erfahrene Berater, nicht jeder Buddhaschüler ist "seelsorgerisch" geeignet. Zum anderen werden Gespräche, die den (meist weiblichen) Fragestellern Auskunft zu Alltagssorgen geben, von manchen (meist männlichen) Beteiligten als langweilig, gar als "buddhistischer Kaffeeklatsch" angesehen (rechte Rede üben!). Das ist unbefriedigend.

Vielleicht helfen ja unsere Hinweise auf Ratschläge in anderen Publikationen weiter (S. 30/31). Im Übrigen ist Vereinszweck die Bekanntmachung der Buddhalehre, nicht die Lebenshilfe. Gleichwohl wollen wir uns aus dem Gesichtspunkt von Güte und Mitgefühl bemühen, keinen Hilfesuchenden den kalten Winden des "Samsara" zu überlassen. Und - wer mithelfen (statt kritisieren!) will, ist herzlich willkommen!

In diesem Sinne verbleiben wir mit den besten Wünschen für das neue Jahr 2008

Ihre Redaktion


*


Quelle:
Der Mittlere Weg - majjhima-patipada
39. Jahrgang, Januar - April 2008/2551, Nr. 1, Seite 5
Herausgeber: Buddhistischer Bund Hannover e.V.
Drostestr. 8, 30161 Hannover,
Tel. und Fax: 05 11/3 94 17 56
E-mail: info@buddha-hannover.de
Internet: www.buddha-hannover.de

"Der Mittlere Weg - majjhima-patipada" erscheint
nach Bedarf und ist für Mitglieder kostenlos.


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2008