Schattenblick →INFOPOOL →RELIGION → BUDDHISMUS

PRESSE/669: Nach-Gedanken zum Shodo-Workshop (Zenshin)


ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 1/07

Nach-Gedanken zum Shodo-Workshop

Von Ensho Margrit Andres


Im Sommer des Jahres 2003 fand auf Initiative von Dorin Genpo Zenji und Toshiko Döring in der Kulturwerkstatt in Dinkelscherben ein Shodo-Workshop mit den beiden international bekannten Kalligraphiemeistern Itto Sakurai und Yoshiyasu Kawakami statt. Zwei in ihrem Temperament und ihrer Ausstrahlung sehr unterschiedliche Künstler - beide äusserst flexibel, wach und konzentriert. Den Teilnehmern des Workshops wurde in sehr präzisen Angaben die einzelnen Schritte der Shodo-Technik vermittelt, angefangen mit den Vorbereitungen der Tusche und dem Auslegen des Papiers. Auf einem Reibstein (die meisten Reibsteine sind aus Schiefer) wird der Tuscheriegel in einer Kreisbewegung mit etwas Wasser abgerieben, bis sich eine dickliche Masse bildet. Der Tonwert der Tusche kann dabei in sehr feinen Nuancen selbst bestimmt werden. Je mehr Wasser ich dieser dunklen Masse beifüge, umso hellere Grautöne werden erzielt. Dieses Vorbereiten der Tusche wird zu einer Übung der Achtsamkeit und Konzentration - es ist wie ein innerliches Vorbereiten auf das bevorstehende Tun.

Nächste wichtige Schritte, die erklärt wurden, waren die Körperhaltung, sowie die Haltung des Pinsels. Aufrechtes Sitzen mit geradem Rücken, die Füße fest auf dem Boden. Die linke Hand liegt locker auf dem Tisch, der rechte Arm angewinkelt, der Pinsel senkrecht stehend in der Hand. Eine Haltung, die vorerst sehr gewöhnungsbedürftig ist, deren Sinn man nach und nach erfassen sollte. Diese Armhaltung ermöglicht beim Ausführen der Pinselstriche eine weitgreifende Beweglichkeit aus Schulter und Arm. Die Führung des Pinsels sollte in Einklang mit der Atmung gebracht werden. Durch unterschiedlich starken Druck der Pinselspitze ergibt sich der Rhythmus des Einzelstrichs. Der Duktus soll Leichtigkeit besitzen und gleichzeitig kraftvoll sein. Einfache Zeichen wurden den Teilnehmern vorgeführt, danach übte jeder in eigener Regie weiter. Jedes Zeichen baut sich in einer bestimmten Regelhaftigkeit aus unterschiedlichen Elementen auf, die sich dann zu einem Ganzen zusammenfügen. Eine für mich eigenartige Erfahrung, Zeichen zu malen, die ich weder lesen noch verstehen und die ich nur in ihrer Abstraktion nachvollziehen kann. Gelingt es einem, sich über dieses 'Verstehen-Wollen' hinwegzusetzen, gewinnen andere Dinge an Bedeutung. Wie weit bin ich bereit, mich mit meiner Konzentration und Energie auf diesen Dialog mit Pinsel und Tusche einzulassen? Wie weit kann ich mich, ohne zu blockieren, in diesen Prozess hineinbegeben und einen Spannungsbogen zwischen Linie und Leere herstellen? Die Ermunterungen der beiden Meister wirkten äußerst motivierend auf die Teilnehmer, so dass die intensiven Übungen von einer fröhlichen Grundstimmung begleitet wurden. Viele interessante Ergebnisse haben sich daraus entwickelt.

Seit diesem Workshop ist nun eine lange Zeit vergangen und ich muss gestehen, dass ich nicht sonderlich viel weitergeübt habe. Allerdings stelle ich des Öfteren fest, dass viele daraus entstandene Denkanstösse mich nach wie vor in meinem Alltag und meiner Arbeit begleiten. Wie oft habe ich mich schon dabei ertappt, nachlässig und merkwürdig verkrampft an meinem Arbeitstisch zu sitzen. Und wie oft schon sind meine Gedanken während der Arbeit unruhig hin und her gewandert. Wie können wir gemachte Erfahrungen konstruktiv in unsere Alltagssituationen integrieren?

Es sind diese vielen, unscheinbaren Dinge, die eine besondere Achtsamkeit erfordern. Immer wieder muss ich mich aufs Neue mit meiner ganzen Energie und meiner Präsenz auf meine Tätigkeit vorbereiten, um dann in meinem Tun zu verweilen. Die Einfachheit der Mittel - Pinsel, Tusche, Papier - hat dabei etwas Bestechendes. Gerade in unserer stark technisierten Welt empfinde ich diese Einfachheit und auch Direktheit der Mittel als eine besondere Kostbarkeit. Jederzeit kann ich mir Freiräume schaffen und mich, ohne grossen Aufwand dem Dialog mit Pinsel, Tusche und Papier widmen.

Dieses Wissen darum, sowie die beim Workshop gewonnene Erfahrung bedeuten für mich ganz einfach Luxus.


*


Quelle:
ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 1/07, S. 21-22
Herausgeberin: Hakuin Zen Gemeinschaft Deutschland e.V. (HZG)
Burggasse 15, 86424 Dinkelscherben
Redaktion: Nanshu Susanne Fendler / Bunsetsu Michael Schön
Übelherrgasse 6, 89420 Höchstädt a.d.D.
Telefon: 09074/92 28 32; Fax 09074/92 28 31
E-Mail: zen-edition@t-online.de

ZENSHIN erscheint halbjährlich.
Einzelheft 7,50 Euro inklusive Versand


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2008