Schattenblick →INFOPOOL →RELIGION → BUDDHISMUS

PRESSE/690: So meditiert Buddha (Buddhismus aktuell)


Buddhismus aktuell, Ausgabe 2/2008
Zeitschrift der Deutschen Buddhistischen Union

So meditiert Buddha

Von Paul Köppler


Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Dem Artikel "So meditiert Buddha" von Paul Köppler stellen wir
das Editorial der Ausgabe von Buddhismus aktuell 2/2008 voran,
die zum Schwerpunktthema Meditation erschienen ist.


Editorial von Buddhismus aktuell 2/2008

Liebe Leserin, lieber Leser, es gibt heute unzählige Meditationsmethoden und die Auswahl fällt schwer. Mit diesem Heft möchten wir Sie unterstützen, die geeignete Meditationsmethode für sich herauszufinden. Aus den großen Haupttraditionen des Buddhismus wollen wir Ihnen zumindest einige vorstellen. Für den Autor Paul Köppler ist vor allem die Frage wichtig: Durch welche Übungen werde ich klarer, ruhiger, liebevoller und weiser? In den Lehrreden des Buddha gibt es kaum konkrete Anweisungen, aber viele Erläuterungen über den Sinn und Zweck der Meditation. So lehrte Buddha die Meditation nicht nur als stilles Sitzen, sondern als umfassenden Übungsweg, der das ganze Leben einbezieht.

Der "Erfolg" der Meditation hängt also sowohl von der Meditation selbst als auch von der Zeit zwischen den Meditationssitzungen ab. "Durch die Art, die Lehre mit Achtsamkeit und Selbstbeobachtung im täglichen Leben umzusetzen, wird man mit der Zeit positive Veränderungen feststellen", so der buddhistische Mönch und Gelehrte Fedor Stracke. Während die praktizierenden Buddhisten mit dem Mittel der Meditation die Erleuchtung anstreben, verordnen viele Krankenkassen heute einige Meditationsformen lediglich zu Gesundheits- und Regenerationszwecken. So werden Yoga, Taijiquan oder Qigong in Europa immer populärer. Der Meditationslehrer Manfred Folkers warnt jedoch vor dem Konsum rein kommerzieller Wellness-Angebote, wenn sie ausschließlich dazu benutzt werden, uns für dieses System noch leistungsfähiger zu machen.

Die positiven Wirkungen der Meditation sind dennoch unbestritten. Viele Krankheiten in unserer Gesellschaft wurzeln im Stress. Und da Geist und Körper voneinander abhängig sind, kann eine Meditation, die zu Ruhe und Einsicht führt, heilen. Achtsamkeit, klare Bewusstheit, Friedfertigkeit führen zu körperlichem Wohlbefinden ... Die Früchte der Meditation sind also gar nicht genug zu loben und die Flut der diesbezüglichen Glücksratgeber scheint nahezu unendlich.

Zum Trost für Meditationsanfänger und um der Wahrheit die Ehre zu geben, möchte ich jedoch nicht unerwähnt lassen, dass eventuelle Glückszustände sich meist erst nach der Überwindung etlicher Anfangsschwierigkeiten wie Knieschmerzen, Frustattacken etc. einstellen. Eine gelungene Meditation ist am Ende halt doch immer harte Arbeit an sich selbst. Aber das Durchhalten lohnt sich. Und als weitere Ermutigung auf dem Weg zum Kissen möchte ich den bekannten Zen-Meister Suzuki Roshi zitieren, der gesagt hat: "Im Anfängergeist sind viele Möglichkeiten offen, im Expertengeist nur wenige."

In diesem Sinne wünsche ich viele gute Anregungen bei der Lektüre

Michaela Doepke
Chefredakteurin BUDDHISMUS aktuell


*


So meditiert Buddha

Von Paul Köppler


Es gibt unzählige Meditationsmethoden. Welche die individuell passende ist, lässt sich nicht immer leicht bestimmen. Wichtig ist dabei vor allem die Frage: Durch welche Übungen werde ich klarer, ruhiger, liebevoller, weiser und freier? Dann fällt die Auswahl der persönlich "richtigen" Methode schon bedeutend leichter.

Wenn ich einen Kurs für Meditation gebe, so sind erfreulicherweise fast immer Anfänger und weniger Geübte mit dabei. Bei diesen, aber auch bei Geübten, kommt natürlich die Frage: Was genau sollen wir denn üben? Wir sind heute, was die buddhistische Praxis betrifft, in einer besonderen Lage. Noch nie gab es innerhalb einer Kultur so viele verschiedene buddhistische Wege und Übungen, gab es solch eine Auswahl und damit verbunden einen großen Reichtum, aber auch große Unsicherheit, was denn nun am besten ist.

Ich versuche dann den Teilnehmen den zu erklären, dass ich nicht so sehr eine bestimmte Methode empfehle, sondern den Weg des Buddha als ein großes Angebot von unterschiedlichen Methoden verstehe. Ich möchte klar machen, dass es ein Teil der Praxis ist, durch eigenes Tun die jeweils geeignete Methode zu finden. Dennoch merke ich, dass es für viele Menschen gerade am Anfang ein hoher Anspruch ist, selbst zu prüfen, was passend ist und der Wunsch nach einfachen und klaren Methoden im Vordergrund steht. Wie kann ich die Unsicherheiten beseitigen, die dadurch entstehen, dass jemand ge rade in einem Buch oder von anderen Lehrern gelernt hat, dass es einzig rich tig ist die Atemzüge von eins bis zehn zu zählen, oder jeden Vorgang innerlich zu benennen, oder durch den Körper zu wandern und die Organe wahrzunehmen, ein Mantra zu sprechen, sich zu entspannen oder einfach nur zu sitzen? Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.


Wenig konkrete Anweisungen in den Lehrreden

Vertiefen wir uns in die ursprünglichsten Quellen der buddhistischen Lehre, nämlich in die gesammelten Lehrreden, so finden wir etwas Erstaunliches: Was der Buddha darin vorschlägt, unterscheidet sich sehr von vielen bekannten und häufig unterrichteten Methoden. Das ist selbst so bei den Schulen, die sich gerade auf diese alten Quellen beziehen. Beispielsweise gibt es in Myanmar unter anderem eine Schule, die lehrt, den Atem an der Nasenspitze betrachten und nicht davon abzuweichen. Eine andere Schule lehrt, den Körper Stück für Stück zu durchwandern. Eine dritte Schule lehrt, alles, was man bemerkt, geistig mit einem Wort zu versehen, zum Beispiel "Heben und Senken der Bauchdecke". In den Lehrreden findet sich aber keine dieser Methoden auf gleiche Weise beschrieben. Dennoch haben sie viele Praktizierende gefunden, führen zu guten Ergebnissen, sind weltweit als buddhistische Methoden anerkannt. Wie ist das zu erklären? Dazu möchte ich einige Aspekte erläutern.

In den Reden des Buddha finden wir wenig konkrete Anweisungen, dafür aber viel mehr weitergehende Erläuterungen zu Sinn und Zweck des Vorgehens, zur Bedeutung, zum Grundlegenden, so dass wir durch die Anweisung zu verstehen, worum es eigentlich geht. Dazu ein Beispiel aus dem Handwerk: Nehmen wir an, wir möchten lernen, wie man einen Nagel in die Wand schlägt, um ein Bild daran aufzuhängen. Im Sinne Buddhas gibt es keine Aussagen darüber, mit welcher Hand wir Hammer und Nagel nehmen sollen, wie oft wir auf den Nagel schlagen müssen und so weiter, dafür aber grundlegende Erläuterungen, dass es darum geht, den Nagel gut zu treffen, in einem schrägen Winkel zu befestigen und nicht ganz in die Wand zu versenken. Wie wir das konkret tun, müssen wir bei der Tätigkeit selbst lernen. Wenn wir dabei unseren Daumen treffen, so gehört das zum Prozess des Lernens, doch werden wir vermutlich zumindest einen Hinweis auf diese Gefahr finden.


Die grundlegenden Prinzipien verstehen

In den Anweisungen des Buddha geht es darum, dass wir die grundlegenden Prinzipien verstehen, dann werden wir auch die für uns passende, richtige Methode finden. Betrachten wir dazu den Anfang der berühmten Lehrrede über die "Gebiete der Achtsamkeit" (Satipatthana-Sutta). Nachdem man sich zur Übung an einen ruhigen Platz aufrecht hinsetzt, beginnt man den Atem zu betrachten, wie er gerade ist.

"Atmet er tief ein, so weiß er 'Ich atme tief ein', atmet er tief aus, so weiß er 'Ich atme tief aus'. Atmet er kurz ein, so weiß er 'Ich atme kurz ein', atmet er kurz aus, so weiß er 'Ich atme kurz aus.'"

Wie viele andere Anweisungen ist auch diese auf das Wesentliche konzentriert und muss einerseits gedeutet werden und andererseits müssen wir eine konkrete Form finden, wie man das üben kann. Ich meine, dass diese Anweisung ein grundlegendes Prinzip der buddhistischen Lehre zeigt, das auf dem Gebiet der stillen Meditation geradezu eine Revolution im Denken darstellt. Es ist der Hinweis, den Atem - und nicht nur den Atem - zu beobachten, aber nicht zu beeinflussen, das bedeutet ihn so sein zu lassen, wie er eben ist, sei er lang oder kurz. Es ist das Prinzip des "So-Sein-Lassens." Die nachfolgende Anweisung ist ebenso revolutionär, wird jedoch auf Grund einer Schwierigkeit der Übersetzung kaum wahrgenommen.

"'Den ganzen Körper empfindend, will ich einatmen.' 'Den ganzen Körper empfindend, will ich ausatmen.', so übt er sich."

Hier streiten sich die Gelehrten, ob es nun wirklich "Körper" heißt oder vielleicht eher "Atem". In jedem Fall wird hier eindeutig empfohlen, sich nicht auf eine Stelle zu konzentrieren, also den Betrachtungswinkel völlig einzuengen und einspitzig zu werden, sondern im Gegenteil, den Fokus auszudehnen, und irgendwie das Ganze wahrzunehmen. Wenn wir diese Stelle als eine Weitung und Öffnung deuten, so ist die Frage, wie wir das konkret üben können. Es mag einfacher erscheinen, den Atem an einer kleinen, eingegrenzten Stelle zu beobachten, aber tatsächlich wird man merken, dass die Achtsamkeit ständig davon abschweift. Anderseits ist es mit einiger Übung durchaus möglich, den Atem als ein ganzheitliches Geschehen zu betrachten, ja wirklich den Atem auf eine natürliche und einfache Weise im ganzen Körper zu spüren.

In der nächsten Anweisung wird etwas korrigiert, was möglicherweise durch die ersten Sätze entstanden ist. Es geht nicht darum, durch das Sein-Lassen eine Haltung zu entwickeln, der alles gleich ist, die nichts anstrebt, die kein Ziel kennt, in der alles so bleiben soll, wie es ist. Im Gegenteil: Dieses Prinzip des Nachgebens soll doch zu Ergebnissen führen, die wir im Auge behalten sollten.

"Diese Körperverbindung besänftigend, will ich einatmen. Diese Körperverbindung besänftigend, will ich ausatmen."

Diese dritte Anweisung zeigt uns, dass es darum geht den Körper, oder besser dieses ganze körperliche Geschehen zu beruhigen, also in einen entspannten Zustand zu kommen. Dieser Hinweis ist besonders für jene wichtig, die Meditation immer nur mit Anstrengung und Bemühen in Verbindung bringen. Auch in den folgenden Anweisungen verbergen sich noch viele weitere wichtige Methoden und Übungen.

Dem Buddha geht es auch darum, in den Anweisungen den Sinn der Übung, ihre eigentliche Bedeutung und die darin enthaltenen Ziele zu formulieren. So finden wir an einer mehrfach wiederholten Stelle, unter anderem die Hinweise, das Entstehen und Vergehen des Körpers zu beachten, das Da-Sein des Körpers, aber eben nur zu dem Zweck, wie es zur Einsicht, zum Wissen taugt und dazu dient, frei und unabhängig zu leben und an nichts in der Welt zu hängen.


Meditation als umfassender Übungsweg

Der Buddha lehrt nicht nur die Meditation als eine Übung in der Abgeschiedenheit und im stillen Sitzen, sondern als einen umfassenden Übungsweg, der das ganze Leben einbezieht. Sehr viele Anweisungen, die wir auf den ersten Blick vielleicht nicht als Meditation einordnen, sind aber tatsächlich konkrete Übungen, die auf dem Weg, gerade am Anfang mindestens ebenso wichtig sind, wie die Zeiten der stillen Einkehr. So ist es kein Zufall, dass zum Beispiel der bekannte buddhistische Lehrer Thich Nhat Hanh die fünf als Tugendregeln bekannten Silas als Übungen der Achtsamkeit bezeichnet. Es ist auch kein Zufall, dass in der vorher behandelten Rede von den Gebieten der Achtsamkeit gleich nach der Anweisung für den Atem empfohlen wird, die Achtsamkeit im täglichen Leben, bei jeder Bewegung zu schulen. Das ist eine sehr konkrete Anweisung und viel schwieriger als man zunächst denken mag.

Man ist "klar bewusst beim Kommen und Gehen, klar bewusst beim Hinblicken und Wegblicken, klar bewusst beim Neigen und Erheben, klar bewusst beim Tragen des Gewandes ... klar bewusst beim Essen, Trinken und Kauen ..."

Man kann folgende große Gruppen von Meditation erkennen, wie ich sie auch in meinem Buch "So meditiert Buddha" eingeteilt habe. Grundlegende Methoden und Prinzipien, Übungen im Alltag, Entfaltung von positiven Eigenschaften, Übungen zur Überwindung von Hindernissen und Übungen, die zur Einsicht und Erkenntnis verhelfen sollen.

Auch wenn bestimmte allgemeine Prinzipien und Methoden der Übung zu erkennen sind, so darf man nicht vergessen, dass der Weg des Buddha auch ein individueller Weg war und ist. In vielen Geschichten aus Buddhas Leben wird deutlich, dass der Buddha und seine Nachfolger sehr bewusst auf die individuelle Situation der Übenden eingingen und manchmal Methoden lehrten, die man in den Reden kaum findet. Dazu ein kleines Beispiel: Ein Goldschmied bekam die Übung über das Unschöne und Vergängliche des Lebens zu meditieren. Er bekam also eine Übung der Achtsamkeit, die mit einer bestimmten Ausrichtung auf eine Einsicht verbunden war. Jedenfalls kam der Schüler damit nicht weit und nach einigen vergeblichen Anläufen lehrte ihn der Buddha das Gegenteil, nämlich über die Schönheit einer Blume zu meditieren, was schließlich zur Erleuchtung des jungen Mannes führte.


Anweisungen deuten und in konkrete Methoden fassen

Abschließend möchte ich noch betonen, dass ich die heute überwiegend gelehrten Methoden, auch wenn sie keine direkte Entsprechung in den Reden des Buddha finden, nicht als falsch oder nutzlos einstufe. Im Gegenteil, es ist geradezu die Aufgabe aller, die sich intensiver mit den buddhistischen Wegen befassen, die Anweisungen nicht nur zu deuten sondern in konkrete und hilfreiche Formen fließen zu lassen. Die Menschen brauchen auf dem Weg genaue Anweisungen, hilfreiche Methoden und manchmal auch für eine bestimmte Zeit nur ein einziges Werkzeug, obwohl es wirklich viele gibt, um eben an einer bestimmten Stelle auch tiefer zu kommen, Gewohnheiten zu überwinden oder zur Wahrheit durchzustoßen. So hat zum Beispiel die schon erwähnte Anweisung, den ganzen Körper zu betrachten bei einem anerkannten Lehrer dazu geführt, eine Methode zu entwickeln, bei der man nach und nach mit der Aufmerksamkeit durch den ganzen Körper wandert.

Ich empfehle den Übenden als Methode wirklich den ganzen Körper als eine Einheit und als einen lebendigen Prozess zu erfahren. Das sind zwei mögliche Methoden und es mag und darf noch mehr geben. Es kommt schließlich auf zwei Dinge an: Einerseits nicht in den Irrtum zu verfallen, nur den eigenen Weg als den einzig richtigen anzusehen und alle anderen zu verurteilen. Andererseits kommt es darauf an, nicht zu vergessen, dass nur das Ergebnis zählt. Durch welche Übungen werde ich klarer, ruhiger, liebevoller, weiser und freier? Das sind die für mich richtigen. Allerdings werden wir das nur wissen, wenn wir uns immer wieder überprüfen, wenn wir uns selbst oder im Spiegel der anderen aufrichtig anschauen. Diese ständige Überprüfung ist ebenfalls eine von Buddha sehr empfohlene Methode, vielleicht eine der wichtigsten Übungen zum Wohl aller Wesen.


Dr. Paul Köppler gründete den Verein Buddhismus im Westen und das Seminarzentrum "Waldhaus am Laacher See". Er unterrichtet und praktiziert die Meditation der Achtsamkeit (Vipassana). Sein Anliegen ist es, die ursprüngliche Lehre des Buddha so zu vermitteln, dass sie durch die Schulung des Geistes in der Stille eine positiv tragende Veränderung in unserem Leben bewirkt. Er lebt in Bonn und leitet das Stadtzentrum "Haus Siddharta".

Kontakt: www.Buddhismus-im-Westen.de


*


Quelle:
Buddhismus aktuell, Ausgabe 2/2008, S. 3 + 14-17
Herausgeberin: Deutsche Buddhistische Union (DBU)
Buddhistische Religionsgemeinschaft e.V.
www.dharma.de
www.buddhismus-deutschland.de

Chefredaktion Buddhismus aktuell:
Michaela Doepke, Uttingerstr. 37 A
86938 Schondorf a. A. , Tel. 081 92-99 64 79
E-Mail: redaktion@dharma.de
www.buddhismus-aktuell.de

DBU-Geschäftsstelle (Bestellungen, Abo-Service)
Amalienstr. 71, 80799 München
Tel.: 0700/28 33 42 33 oder 089/28 01 04
Fax: 089/28 10 53
E-Mail: dbu@dharma.de

"Buddhismus aktuell" erscheint vierteljährlich.
Einzelheft 8,00 Euro, Probeexemplar 4,00 Euro
Jahresabonnement: 32,00 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2008