Schattenblick →INFOPOOL →RELIGION → BUDDHISMUS

PRESSE/695: Ein Buddhayana? (DMW)


Der Mittlere Weg - Nr. 2, Mai - August 2008
Zeitschrift des Buddhistischen Bundes Hannover e.V.

Ein Buddhayana?

Von Axel Rodeck


Schon seit langem pflegen wir engen Kontakt zu unseren buddhistischen Freunden, die ihr Zentrum in der hiesigen vietnamesischen Pagode "Vien Giac" haben und sich bislang "Tibetisch-Buddhistische Gemeinschaft Chöling e.V." nannten. Sie haben nun das Wort "Tibetisch" aus ihrem Namen gestrichen und damit ihre Offenheit auch für andere Buddhismusinterpretationen dokumentiert. Wir finden diese Entscheidung gut und verweisen darauf, dass auch wir laut Satzung für alle buddhistischen Traditionen offen sind, allerdings hauptsächlich den Theravada lehren und praktizieren.

Mit Aufgabe der satzungsgemäßen Bindung an den tibetischen Buddhismus seitens "Chöling" ist ein weiteres Maß der Annäherung zwischen unseren Vereinen erreicht und es ist Aufgabe der Mitglieder und Vereinsvertreter, sich über künftige Gemeinsamkeiten Gedanken zu machen. Wenn zwei lokale Gemeinschaften weltoffen sind und bei Beibehaltung ihrer jeweiligen Hauptrichtung miteinander kooperieren, kann das dem Anliegen, zeitgemäßen Buddhismus für jeden Interessenten anzubieten, nur dienen. Der Grundsatz von Effizienz und Synergieeffekten darf heutzutage auch im religiösen Bereich nicht vernachlässigt werden, wie die christlichen Kirchen mit ihrer Zusammenlegung von Gemeinden ja derzeit anschaulich demonstrieren.

In unserer Zeitschrift haben wir schon oft die Frage gestellt, was aus dem Buddhismus allgemein und unserem Verein im Besonderen wird. Die Dinge sind - wie man ja im buddhistischen Umfeld nicht weiter zu begründen braucht - in ständigem Fluß und werden zu neuen Buddhismusinterpretationen führen, eventuell zu einem aus den drei bisherigen Fahrzeugen ("yanas") gebildeten westlichen "Buddhayana", vielleicht auch zu einer Entmystifizierung und Entmythologisierung des Buddhismus. Es war schon bemerkenswert (wenn auch wohl bisher ohne Resonanz), dass der auch in der mönchischen Praxis erfahrene Indologe Alois Payer in "Ursache & Wirkung" 12/2007 hierzu die provozierende Aussage machte:

"Zur rechten Weltsicht gehört auch, dass wir endlich den Mut zur radikalen Entmythologisierung der Buddhalehre aufbringen. Es ist eine Schande, dass ausgerechnet die so "rationalen" Buddhisten noch nicht die "Wahrhaftigkeitstat" vollbracht haben, die das protestantische Christentum mit der konsequenten historischen Erforschung und Entmythologisierung der Bibel geschafft hat." Payer beklagt, dass in buddhistischen Ländern die Lehre Buddhas nicht "unbefangen mit dem Licht unserer heutigen Wissenschaft durchleuchtet" wird und mahnt: "Kauen wir nicht jeden Unsinn nach, nur weil er von östlichen Lehrern verzapft wird. Leben wir den Buddhismus als aufgeklärte Menschen des 21. Jahrhunderts."

Uns liegt der Buchentwurf eines Theravadamönchs vor, aus dem wir vorab (noch ohne Mitteilung des Namens des Autors) zitieren dürfen. Zum Thema "Buddhayana" führt der Autor aus, der jetzige Theravada habe sich für und in einer Welt entwickelt, die heute fast komplett verschwunden sei. Ein neuer Theravada würde sich "so sehr von seinem lustlosen und beschränkten Vorgänger unterscheiden", dass ein neuer Name für ihn erforderlich sei. Hier komme "Dhammavada" (Lehre Buddhas) oder "Buddhayana" (Weg des Buddha) in Betracht.

"Buddhayana" wird hier also nicht als übergeordneter Begriff für einen neuen (Gesamt-)Buddhismus, sondern als Bezeichnung für einen modernen Theravada verstanden. Dieser stütze sich, so der Autor, zwar auch auf theravadische Interpretationen über den Pali-Tipitaka, doch auch andere Quellen böten Material für diesen "neuen Buddhismus". So könne eine "Vermischung katholischer Praktiken mit den besten Praktiken des Vinaya" für die Klöster des Buddhayana als Modell dienen. Die interessanten Thesen unseres (derzeitigen) Anonymus werden sicherlich noch für manche Diskussion über den zeitgemäßen Stand der eigenen Lehrtradition sorgen.

Die Frage (in abendländisch-östlichem Gewand) bleibt jedenfalls: Quo vadis, Buddhismus?


*


Quelle:
Der Mittlere Weg - majjhima-patipada
40. Jahrgang, Mai - August 2008/2552, Nr. 2, Seite 26
Herausgeber: Buddhistischer Bund Hannover e.V.
Drostestr. 8, 30161 Hannover,
Tel. und Fax: 05 11/3 94 17 56
E-mail: info@buddha-hannover.de
Internet: www.buddha-hannover.de

"Der Mittlere Weg - majjhima-patipada" erscheint
nach Bedarf und ist für Mitglieder kostenlos.


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2008