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PRESSE/787: Buddhistische Ansätze für eine Bewahrung der Erde (Buddhismus aktuell)


Buddhismus aktuell, Ausgabe 3/2009
Zeitschrift der Deutschen Buddhistischen Union

Aus Sorge für die Umwelt
Buddhistische Ansätze für eine Bewahrung der Erde

Von Ringu Tulku Rinpoche


Auf Einladung des Kamalashila Instituts sprach der tibetische Gelehrte Ringu Tulku Rinpoche im Bonner Paramita-Projekt aus buddhistischer Sicht über das Thema Ökologie. Wir bringen seine Rede in gekürzter Fassung.


Es scheint, als würde über das Thema Buddhismus und Ökologie nicht sehr oft gesprochen, und das, obwohl im Buddhismus von Anfang an ein großes Bewusstsein für die Umwelt bestand. Im Buddhismus sprechen wir vom Gefäß und vom Inhalt. Das Gefäß ist das Land, die Elemente, die Umwelt, und der Inhalt darin sind die Lebewesen. Ohne das Gefäß können sie nicht enthalten sein. Dieser Hintergrund ist sehr wichtig, besonders da die grundlegende buddhistische Philosophie auf dem Wissen vom abhängigen Entstehen basiert: Nichts funktioniert aus sich allein, und alles beeinflusst sich gegenseitig.

Kümmern wir uns also nicht um unsere Umwelt, müssen wir unter den Konsequenzen leiden. Dieses Verständnis gab es von Anfang an, und blicken wir in die Zeit des Buddha zurück, so finden wir in den Vinaya- und natürlich in den Mahayana-Belehrungen sehr viel Bewusstsein und Sorge nicht nur um alle lebenden Wesen, sondern auch um die lebenden Dinge wie Wasser, Berge und Pflanzen. Laut Vinaya ist es zum Beispiel nicht einmal zulässig, grundlos Gras zu schneiden, und das hat sich über sehr lange Zeit gehalten.

In Tibet - und das war sicherlich anderswo auch so - hatte jedes Kloster seinen eigenen Wald, und nicht nur dieser, sondern auch die Tiere darin wurden vom Kloster beschützt. ... In Sikkim, früher ein buddhistisches Land mit eigenem König, erließen sie eine Ordnung, dass in den Wäldern niemand ohne wichtigen Grund und offizielle Erlaubnis jagen, fischen oder einen Baum fällen durfte. Später, als es ein indischer Bundesstaat wurde und diese Regeln beibehielt, erwies sich das für Sikkim als äußerst nützlich. Es ist heute der einzige indische Bundesstaat im Himalaja, dessen Waldbestände in den letzten 50 Jahren gewachsen sind, statt wie überall sonst zu schwinden.

Tatsächlich wurden Flüsse, Seen, Berge und Bäume früher fast wie Personen behandelt oder sogar wie Gottheiten. Manchmal wagten sich die Tibeter nicht einmal in den Flüssen zu waschen. Als wir(*) Tibet verließen, gab es unterwegs einen sehr schönen See, und die Kinder spielten darin. Wir konnten nicht schwimmen, aber wir wateten hinein und versuchten, Enten zu fangen. Man kann ihnen sehr nah kommen, aber wenn man sie dann packen will, klappt es nie. Dann hatte einer der Jungen eines Nachts ein sehr schmerzhaft geschwollenes Bein. Ich weiß nicht, was wirklich geschehen war, aber jeder sagte: "Oh, das kommt davon, dass du den See beschmutzt hast."

Aber insgesamt hatten wir Tibeter nie ein besonders gutes Verhältnis zur Hygiene. Der Dalai Lama spricht viel darüber und fordert zu Sauberkeit und Umweltbewusstsein auf. Er spricht dann eine halbe Stunde darüber, alle hören ihm sehr aufmerksam und respektvoll zu. Beendet er seine Rede, gehen alle und - alles ist voller Abfälle.

Es ist gut möglich, dass einfach das Verständnis fehlt, weil früher alles biologisch abbaubar war. Es gab kein Plastik, alles kam aus der Natur und war organischen Ursprungs. Eine neue Mentalität braucht ihre Zeit. Es scheint also auch mit einer buddhistischen Sichtweise nicht ganz so einfach zu sein, ein neues ökologisches Bewusstsein zu entwickeln, obwohl Seine Heiligkeit der Dalai Lama schon seit Langem über Ökologie spricht. Als er China seinen Fünf-Punkte-Vorschlag zur friedvollen Beilegung des Tibetkonflikts vorlegte, war die Ökologie einer der Hauptpunkte. Nicht nur in diesem, sondern in allen Punkten hat er diese Frage mit berücksichtigt. Schon oft sprach er darüber, wie wichtig die Sorge für die Umwelt, nicht nur für Tibet oder für einzelne Regionen, sondern für die Zukunft der gesamten Welt ist.


Neues ökologisches Bewusstsein

Seit Kurzem wird dies auch allgemein spürbar, insbesondere die globale Erwärmung wird bedrohlicher und wichtiger. Und es ist nicht mehr nur die wissenschaftliche Welt, es sind nicht mehr nur die Forscher, die sehr deutliche Zeichen und Auswirkungen beobachten.

Das zeigt sich überall, aber in Tibet wird es besonders deutlich. All die Schneeberge, die das ganze Jahr hindurch weiß waren, werden dunkel. Das Eis schmilzt, und es ist sehr klar, dass dies große Auswirkungen hat. Fast alle Flüsse Asiens, Chinas, Indiens und der anderen südostasiatischen Länder, entspringen in Tibet. Einer, es ist wohl der Mekong, fließt durch neun Länder; Burma, Thailand und Vietnam werden vom Eis Tibets versorgt.

Manche Wissenschaftler nennen die tibetischen Gletscher auch den "dritten Pol", weil es dort so viel Eis wie am Südpol gibt. Darum hat auch der Karmapa das Thema Ökologie und globale Erwärmung mit großer Vehemenz aufgegriffen und während des letzten Kagyu Mönlam die nachdrückliche Aufforderung an alle Klöster ausgegeben, Bäume zu pflanzen, sich ökologischer Fragen und der globalen Erwärmung bewusster zu werden und sich Gedanken zu machen, welchen Beitrag jedes Kloster sowohl innerhalb als auch außerhalb seiner Mauern leisten könne. Zum diesjährigen Mönlam gab er ein kleines Heft heraus und unterstützte Zusammenkünfte aller Klöster der Linie, bei denen sie von Experten eine Art Einweisung und Training in ökologischen Fragen erhielten. Dieses Wissen und Bewusstsein sollen sie auch an die Menschen außerhalb der Klöster, die in Verbindung mit der Linie und den Lehren stehen, weitergeben. Es gibt also einige Aktivitäten in dieser Richtung. ...


Helfen Gebete?

Wir beten jedes Jahr für den Weltfrieden und alle guten Dinge, jeder Lama tut das, und dafür erhalten sie eine Menge speziell für die Umwelt und die globale Erwärmung geschriebener Gebete. Auch Seine Heiligkeit der Karmapa hat darüber ein schönes Lied geschrieben.

Ich selber glaube aber, dass Gebete allein keine Lösung herbeiführen werden. Masaru Emoto allerdings, der japanische Arzt, der das Element Wasser erforscht, glaubt an die Hilfe der Gebete. Ich habe ihn in Barcelona getroffen. . Er sprach über die Fotografien vom Wasser, die er sehr professionell macht. Er entnimmt Wasser aus unterschiedlichen Quellen, füllt es in ein Tablett mit 50 Vertiefungen und gefriert es in einem sehr starken Tiefkühlgerät. Ist es einmal gefroren, fotografiert er es stark vergrößert mit einer sehr professionellen Kamera. Die Eiskristalle von Wasser, für das gebetet wurde, und von solchem, für das nicht gebetet wurde, unterscheiden sich deutlich. Auch Wasser sehr sauberer Quellen und das großer Städte zeigt deutliche Unterschiede und sogar jenes, für das nicht gebetet, sondern das nur mit einem geschriebenen Wort wie "Liebe" oder "Dankbarkeit" versehen wurde. Weiter sagte er, da der menschliche Körper zu ungefähr 70 bis 80 Prozent aus Wasser bestehe und die Welt das gleiche Verhältnis an Wasser habe, könnten, wenn Wasser durch Gebete beeinflusst werden könne, auch der Mensch und die Welt von Gebeten beeinflusst werden. Also schlug er vor, jeder solle beten und seine positiven Gedanken in die Welt senden.

So weiß ich eigentlich nicht, ob Gebete nicht doch helfen. Außerdem sind Gebete in gewisser Hinsicht ein Denkprozess, eine Haltung, ein tiefes Gefühl, ein starker Wunsch. Und buddhistisch gesehen beginnt alles mit einem starken Wunsch. Wünscht man sich etwas sehr stark, wird es bewusst oder unbewusst zu Handlungen führen. Wünscht man sich also eine Veränderung sehr stark und betet dafür, dann setzt das etwas in Bewegung. So betrachtet sind Gebete tatsächlich hilfreich. Dazu kommt, dass im Beten auch etwas bewusst wird. Betet man, ein Problem möge gelöst werden oder etwas sich zum Besseren wandeln, ist man sich des Problems und der Möglichkeit einer Lösung bewusst, man zeigt die Bereitschaft, etwas zu beginnen. Also kann man nicht sagen, Gebete nützen nichts; nur müssen ihnen auch Handlungen folgen!


Wir schlachten unsere goldene Gans

Aus buddhistischer Sicht muss man sehr genau hinschauen, wie das Problem begonnen hat, welches die Hauptursachen sind und dies dann verstehen. Jeder kann leicht erfassen, dass wir unserer Umwelt gegenüber keinen Respekt gezeigt haben und unser Blick darauf gerichtet war, sie auszubeuten, uns zu nehmen, was wir wollten, und sie uns untertan zu machen. Auch dass wir sie weiterhin mit einer solchen Mentalität verwüsten und tun, was immer wir wollen, Bäume fällen, sie ausquetschen und keine Dankbarkeit, Nähe oder Achtung empfinden. Wenn wir allerdings abhängiges Entstehen, die Natur von Ursache und Wirkung verstehen, werden wir lernen, wie wir gegenüber unserem Gefäß Achtung empfinden. Schließlich zerstören wir ja auch nicht unsere eigene Wohnung, indem wir nach Hause kommen und alles zertrümmern, es sei denn, wir sind ein wenig neben der Spur.

Aus buddhistischer Sicht befriedigen die Welt, das Land und das Wasser unsere Bedürfnisse. Sie sind also wie unser größter Schatz, unsere "goldene Gans". Ihr kennt die Geschichte von der alten Frau, die eine goldene Gans hat, die jeden Tag ein goldenes Ei legt? Sie verkauft das Ei und lebt ziemlich gut davon. Aber nach einiger Zeit wird sie etwas gierig und sagt sich: "Ach, ein Ei pro Tag, davon werde ich nicht richtig reich! Ich sollte aber doch sehr, sehr reich sein. Warum nehme ich nicht alle Eier auf einmal? Wenn diese Gans jeden Tag eins legt, dann muss es doch ganz viele davon geben." Also schlachtete sie die Gans und wollte alle Eier herausnehmen. Aber es gab nur eins, und danach war's aus mit dem Eierlegen. Unsere Haltung ist ein wenig so, wir schlachten unsere goldene Gans und das funktioniert nicht. Also müssen wir zu einem tieferen Verständnis gelangen und so vielleicht den Weg finden, es besser zu machen.


Weitsichtig denken

Daher sollten wir nicht aus Egoismus und nach dem kurzfristigen Gewinn sehend denken, sondern das Ganze, die gesamte Welt, alle menschlichen und anderen Wesen sowie das, was getan werden kann, betrachten, sodass auf lange Sicht mehr Wohlergehen für jeden daraus entstehen kann. Darüber sollte jeder nachdenken, dieses Verständnis müssen wir entwickeln. Ein Verständnis, bei dem das Wohlergehen eines jeden Wesens und der gesamten Welt im Zentrum stehen. Bislang waren wir sehr engstirnig, dachten nur an unsere Gemeinschaft, unsere Gruppe, unser Land, unsere Religion, unser . sehr kleiner Bereich. Wenn unser Denken so eingeengt ist, tragen wir nicht einmal zu dessen Gewinn bei.

Besonders heutzutage, wo die Welt in gewisser Hinsicht so klein, so abhängig geworden ist, müssen wir weitsichtig denken, ohne Einteilung in kleine Identitäten oder Identifikationen. Das ist auch buddhistisch betrachtet sehr wichtig, denn wir sagen im Gebet immer: "Mögen alle Wesen ..." Allerdings sind Gebete manchmal nur im Mund, auf der Zunge: "Mögen alle Wesen glücklich sein ..., mögen alle Wesen glücklich sein, nur mein Nachbar nicht!" Wenn wir also alle Wesen sagen, sollten wir einen Moment innehalten und auch wirklich alle Wesen einschließen. Es ist sehr wichtig, dass wir die Dinge, die wir sagen, auch tatsächlich fühlen und zudem merken, wie wichtig das in einem ganz pragmatischen Sinn ist.

Um dieses Verständnis und Bewusstsein geht es, auch weil ich denke, viele von euch stimmen mir zu, dass der Buddhismus eine sehr, sehr schöne Philosophie ist. ... Jetzt müssen die Menschen sie nur noch benutzen und wirklich danach leben, sonst nützt es nichts. Übersetzung und Bearbeitung von Annette Bungers und Anne-Katrin Voss.

(*) In den 50er-Jahren, als Rinpoche ein kleines Kind war, flohen er, seine Familie und viele seiner Verwandten.


Ringu Tulku Rinpoche ist ein tibetischer Lama der Kagyu- und Nyingma-Schule. Er lebte seit seiner Flucht aus Tibet während der Jahre 1957 bis 1959 in Sikkim/Indien. Er war 18 Jahre lang als Professor an einer Universität in Gangtok tätig. Danach begann er auf Wunsch von Dilgo Khyentse Rinpoche und Akong Rinpoche seine Lehrtätigkeit im Westen. Jedes Jahr besucht er Zentren und Universitäten in Europa und den USA, um Vorträge, Vorlesungen und Übertragungen zu geben. Insbesondere besucht und betreut er auch verschiedene Meditationszentren, die unter seiner direkten Führung stehen.

Informationen zu seinen Zentren und zu seiner internationalen Organisation Bodhicharya unter:
www.bodhicharya.org; www.bodhicharya-huttenried.de; www.bodhicharya.de

Weitere Infos: www.paramita-projekt.de und www.kamalashila.de;
www.kagyumonlam.org; www.ecobuddhism.org


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Quelle:
Buddhismus aktuell, Ausgabe 3/2009, S. 26-29
Herausgeberin: Deutsche Buddhistische Union (DBU)
Buddhistische Religionsgemeinschaft e.V.
www.dharma.de
www.buddhismus-deutschland.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2009