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PRESSE/862: Über Zazen-Regeln - Teil 1 (Zenshin)


ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 1/10

Über Zazen-Regeln (Teil 1)

Teisho von Hozumi Gensho Roshi vom 08.02.20 10


Das erste Sesshin im Jahr 2010. Genau vor einem Jahr wurde der Shoboji als offizieller Übungsort und Zweigtempel vom Myoshinji anerkannt. Das ist eine großartige Sache und alle wünschen, dass es hier gut läuft.

Unsere Zeit im Leben ist beschränkt. In der verbliebenen Zeit müssen wir versuchen unser Leben so gut wie möglich zu führen, um unser Ziel erreichen zu können. Wie kann man das Ziel erreichen, wie sollen wir leben? In meinem heutigen Teisho möchte ich deshalb über Zazen-Regeln sprechen.

Vor 1500 Jahren ist Bodhidharma von Indien nach China gekommen und hat dort die Zen-Schule gegründet. Von Bodhidharma stammt die Methode, Buddhas Lehre in tiefer Meditation zu erforschen. Neun Jahre saß er streng auf dem Kissen und hat meditiert. Die Zazen-Regeln, über die ich heute sprechen möchte, stammen von ihm. Ein Schüler von ihm, Sosan, hat schriftlich aufbewahrt, wie er geübt hat, über ihn selbst hat er nichts geschrieben.

Ihr versammelten Schüler hier, die ihr Zen studieren wollt. Zen zu studieren bedeutet "Hannya" zu lernen, wer Hannya lernt, ist ein Bodhisattva. Es gibt unterschiedliche Bodhisattvas mit verschiedenen Merkmalen. Monju Bosatsu oder Bodhisattva steht für Weisheit, Hugen Bosatsu hilft und rettet die Kranken, Jizo Bosatsu ist Wegzeiger. Wenn jemand verzweifelt ist, die Richtung verloren hat, nicht weiß, wie es weitergeht, zeigt er den Weg. Es gibt so viele verschiedene Bodhisattvas. So wie ihr hier sitzt mit unterschiedlichen Eigenschaften, so gibt es unterschiedliche Bodhisattvas mit verschiedenen Eigenschaften. Ihr, die ihr hier sitzt, möchtet Weisheit studieren. Zuerst solltet ihr Buddhas großartige Warmherzigkeit versuchen zu erfassen und versprechen, das ebenso zu schaffen. Wir versprechen das jeden Tag, an dem wir Shikuseigan rezitieren. Es geht darum, Shikuseigan zu verwirklichen - Shu Jo Mu Hen Sei Gan Do - Im Leben gibt es sehr viel komplizierte Probleme, die wir lösen müssen. Wir müssen die Welt selber retten, dieser Wunsch muss stark in unserem Herzen sein. Zuerst kümmern wir uns um unsere Familie. Es gibt so viel Probleme in den Familien, jeden Tag passiert etwas. Zuerst müssen wir also in unseren Familien alles klar machen. Die Eltern haben die Aufgabe, die Kinder zu versorgen, sich um die Familie zu kümmern, finanziell muss es auch stabil sein - sie haben viel mit der Außenwelt zu tun.

Wie schaffen wir Erwachsene eine friedliche Gesellschaft, wie kann man sich ändern? Sich Frieden nur für das eigene Land zu wünschen, ist nicht genug Unsere Begierden sind grenzenlos. Deshalb müssen wir versuchen, uns frei von Begierden zu machen.

Das Leben theoretisch zu verstehen, ist nicht so schwer, aber die Wirklichkeit zu verstehen und entsprechend zu leben, ist sehr schwer. Wir Menschen müssen die weltlichen Begierden aufgeben. Bei dem Studium, der Suche nach Weisheit müssen wir so viele Dinge lernen. Lernen, lernen und nochmals lernen. Buddhas Weg ist sehr lang. Manchmal kommt es uns endlos vor, deshalb dürfen wir nicht warten, wir müssen anfangen, jetzt!

Ihr solltet Shikuseigan im Herzen festhalten und streng üben, um Samadhi zu erreichen und um das Leben wirklich zu verstehen!

Dabei solltet ihr nicht vergessen, dass es nicht darum geht, nur euch selbst retten zu wollen, sondern es geht um die ganze Welt! Nicht nur für euch allein, sondern für alle! Deshalb studieren wir den Weg.

Dafür ist es nötig, sich Urlaub vom Alltag zu nehmen, hierher in den Tempel zu kommen, am Sesshin teilzunehmen und nur noch Zen zu studieren. Ob man sich bewegt oder nicht bewegt, auf dem Kissen sitzt oder nicht sitzt, während des ganzen Tages, mit dem Körper und mit dem Herzen, nur noch Zen üben, nichts anderes - so eine konzentrierte Phase ist sehr wichtig.

Auf das Essen achten, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig! Ebenso mit den Schlafzeiten - nicht zu viel, nicht zu wenig! Kontrolliert euch selbst!

Wenn ihr zu Hause sitzt, achtet auf eure Umgebung. Es sollte nicht zu laut sein, die Unterlagen für das Kissen müssen dick genug sein, damit wir fest sitzen können. Die Kleidung locker und gemütlich, und den Gürtel nicht zu fest binden. Es ist bei uns nicht egal, wie die Zazen-Kleidung ausschaut - haltet euch bitte an die Vorschriften, damit die Atmosphäre nicht gestört wird.

Legt den rechten Fuß auf den linken Oberschenkel und den linken Fuß auf den rechten Oberschenkel. Das ist Kika-Husa. Das ist natürlich eine schwierige Haltung und es dauert, bis ihr sie beherrscht. Bis dahin habt ihr körperliche Probleme. Wenn man Kika-Husa nicht schafft, ist Hanka-Husa auch in Ordnung. Dazu legt ihr den linken Fuß auf den rechten Oberschenkel (oder auch umgekehrt), also nur auf eine Seite den Fuß legen, das ist auch in Ordnung. Der wichtige Punkt ist, dass die Füße oder eben ein Fuß auf dem Oberschenkel liegt. Also die Füße sollen nicht irgendwie auf den Beinen liegen, sondern sie sollten nach oben schauen. Das ist Husa. Sitzen, sitzen, sitzen - damit euer Körper sich an die Haltung gewöhnt. Wenn man eine Verletzung an den Beinen hat oder erkrankt ist, dann geht es natürlich nicht. Als nächstes kommen die Hände. Die rechte Hand liegt auf dem Bein und die linke Hand ruht in der Rechten. Die einander gegenübergestellten Daumen berühren sich. Im europäischen Zendo ist es warm und gut geheizt, ihr friert ja nicht. Drum sitzt ihr ganz gemütlich. Dann kommt die Müdigkeit und ihr schlaft ein. Im japanischen Zendo ist es nicht geheizt. Im Winter ist es so kalt, dass wir unsere Hände zusammenlegen. Wir zittern vor Kälte. Dann sind wir gezwungen, sehr stark zu kämpfen um Samadhi zu erreichen. Das ist ja eine gute Hilfsmethode zur Konzentration.

Um unseren Körpermittelpunkt zu finden, bewegen wir unseren Oberkörper nach vorn und nach hinten, nach links und nach rechts. Extreme gilt es zu vermeiden, den Mittelpunkt finden, nicht zu sehr nach links, nicht nach rechts, nicht zu sehr nach vorn oder nach hinten kippen, sondern gerade sitzen. Unseren schweren Kopf setzen wir auf unsere Wirbelsäule wie die 55 Teile einer Pagode aufeinander sitzen. Manche sitzen in sehr aufgeblähter Haltung, man könnte Angst bekommen, wenn man sie sieht. Sie sitzen mit Kraft und wollen ihre Stärke nach außen zeigen. Leider sieht man diese Haltung sehr häufig. So zu sitzen ist natürlich nicht in Ordnung. Ohr und Schulter bilden eine Linie. Wenn man von der Nasenspitze einen Faden herab lassen würde, sollte er den Nabel berühren, die Nasenspitze mit dem Nabel verbinden. Die Zunge wird an den Gaumen angelegt, die Zähne liegen aufeinander. Die Augen sind geöffnet, damit man nicht einschläft. All unsere Vorgänger, große Zen-Mönche haben immer wieder betont, dass bei geschlossenen Augen unser Ziel nicht zu erreichen ist - also immer die Augen geöffnet halten. Wenn man sehr müde ist, schläft man beim Zazen ein, und wir machen die Augen zu. Aber irgendwann kommt die Zeit, da wachen wir wieder auf. Welche Energie benutzt ihr beim Aufwachen? Darüber solltet ihr euch bewusst sein. Auch über die Schlafenszeit gilt wieder die Regel: nicht zu viel und nicht zu wenig schlafen. Es ist sehr wichtig, dass der Körper gesund bleibt, also achtet auf eure Gesundheit! Nur im gesunden Körper kann man gut üben. Diese Erklärungen haben einen tiefen Sinn und nur, wer Erleuchtung erlangt hat, diese Übungen durchgemacht hat, weiß, wie wichtig diese Vorschriften sind. Wer noch nicht genug geübt hat, denkt vielleicht, ach, Zazen ist so einfach, hier kriege ich meine Ruhe, hier kriege ich Essen und Trinken, hier habe ich Ruhe vor meinen Kindern, hier habe ich keine Alltagsprobleme, ich brauche gar nichts zu denken, das ist ja wunderbar. So solltet ihr allerdings nicht denken. Vom Alltag weg zu laufen und hierher zu kommen ist keine Lösung. Mit so einem kleinmütigen Herzen könnt ihr keine Erleuchtung schaffen. Wir sitzen hier für die ganze Welt, für alle Menschen, für den Frieden, das ist unsere Aufgabe! Weil wir als Menschen auf die Welt gekommen sind, können wir uns für den Frieden einsetzen und die Welt retten. Zen ist niemals nur für einen selbst, immer auch für andere! Was wir für Möglichkeiten haben, Möglichkeiten, die Zukunft zu gestalten, das ist unser Thema! Ihr könnt alles schaffen, wenn ihr wollt; mit kräftigem und wunderbarem Herzen. Hannya, das ist das Herz des Hannya-Bodhisattvas. Studiert Hannya, übt es beim Zazen. Dieses Zazen findet beim Sesshin statt, beim Sutra rezitieren, beim Arbeiten, beim Essen, bei allen Bewegungen. Benutzt euren Körper frei, ohne nachzudenken, so einen Gemütszustand müsst ihr erreichen. Beim Zazen nicht mit dem Kopf arbeiten und überlegen. Der Verstand, die Kopfarbeit ist nur ein sehr kleiner Prozentsatz von unserem Leben. Unseren Körper, den ganzen Körper müssen wir benutzen. Die Energie kommt vom Tanden. Tandenenergie solltet ihr benutzen, mit dem Tanden denken! Diese Haltung ist sehr wichtig!

Übt streng, kontrolliert euch selbst, seid genau mit euch, überprüft eure Haltung! Wenn man Zazen übt, wird man gesund. Im gesunden Körper lebt ein gesunder Geist. Haltet aus, gebt euch Mühe und übt fleißig!


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Quelle:
ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 1/10, S. 9-11
Herausgeberin: Hakuin Zen Gemeinschaft Deutschland e.V. (HZG)
Burggasse 15, 86424 Dinkelscherben
Redaktion: Nanshu Susanne Fendler / Bunsetsu Michael Schön
Übelherrgasse 6, 89420 Höchstädt a.d.D.
E-Mail: s-fendler@t-online.de / schoen-bio@gmx.de
Internet: www.shoboji.de

ZENSHIN erscheint halbjährlich.
Einzelheft 7,50 Euro inklusive Versand


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2010