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PRESSE/866: Die Teezeremonie - der Teeweg "Chado" (Zenshin)


ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 1/10

Die Teezeremonie - der Teeweg (Chado)

Vortrag von D. G. H. Rudolf Döring
Schweisfurth-Stiftung München, am 24. September 2002


Chado - der Teeweg

Das, was bei uns unter dem Begriff Teezeremonie bekannt ist, wird in Japan "Chanoyu" genannt und bezeichnet einen Teil (einen Ausschnitt) des Teeweges. Chanoyu bedeutet eigentlich nur "Teewasser" oder "Tee und Wasser" und steht für ein spezifisch japanisches gesellschaftliches Ereignis, die Teezusammenkunft. Sie kann öffentlichen oder privaten Charakter haben. Es gibt in Japan verschiedene Tee-Schulen, die sich um die Weitergabe des Teeweges verdient machen.

Chado, der Teeweg Japans, steht in enger Verbindung mit der buddhistischen Lehre, insbesondere mit dem Zen-Buddhismus. Chado ist eine Kulturform, die aus der Suche nach dem Ursprünglichen, aus dem Streben nach Einklang und Harmonie mit der Natur selbst entstand. Der Teeweg vereinigt in sich verschiedene Aspekte der Kunst, der Ethik und der Moral, sowie der Philosophie und der Religion. Im Vordergrund steht jedoch nicht die theoretische Beschäftigung mit diesen Dingen, sondern es geht hauptsächlich um die praktische Umsetzung des "Erlernten" im Alltag. Besonderer Wert wird auf sachgerechte Behandlung und entsprechenden Umgang mit den Gegenständen des täglichen Gebrauchs gelegt. Wobei es als notwendig erachtet wird, ihren jeweils eigenen Charakter kennen zu lernen und richtig einzusetzen. Aus dieser Erkenntnis entsteht Offenheit und Kommunikationsfähigkeit gegenüber der jeweiligen Umwelt und die Beherrschung der grundlegenden Umgangsformen (in der Gesellschaft) in der "Tee-Welt".

Es ist gerade der einfache Genuss einer Schale Tee, der den Übenden dazu führt, in einer Synthese der oben genannten Aspekte aufzugehen.


Doch zunächst zur Geschichte:

Etwa im 8. Jahrhundert gelangte der Tee von China nach Japan. Tee war zu dieser Zeit etwas sehr kostbares, er wurde nicht nur als Getränk, sondern aufgrund seiner Heilwirkung auch als Arznei benutzt. Es bildete sich bald eine Art und Weise des Tee-Gebrauchs die im Einklang mit den Prinzipien des Zen stand. Desweiteren gebrauchten die Zen-Mönche den Tee auf Grund seiner anregenden Wirkung, um bei ihren anstrengenden Meditationen wach zu bleiben. In den Klöstern wurde es dann üblich, dem Bildnis Buddhas Teeopfer darzubringen. Aus diesem Zeremoniell entwickelte sich im Laufe der Zeit der Teeweg. Der Brauch, Matcha, gemahlenen grünen Tee, zu trinken, verbreitete sich ab dem 12. Jahrhundert nicht nur in Tempeln und Palästen, sondern auch im Volk, besonders in der wohlhabenden Bürgerschicht. Der Adel verfeinerte diese Art des Teetrinkens, bis schließlich die Ritterklasse, die Samurai, die zur politisch und kulturell führenden Kraft des Landes wurde. Sie übernahm die Philosophie des Zen als wesentliches Element und fügten diese in ihren Kodex "Bushido" ein und den Teeweg als direkten Ausdruck des Zen übernahmen und in diesem Sinne entwickelten und pflegten.

Die traditionelle Entwicklung der Teezeremonie, die ein Teil des Teeweges ist, begann mit NOAMI (1397-1471) der sie in adligen Kreisen verbreitete und fand über MURATA SHUKO (1423-1502) und TAKENO JOO (1502-1555) in SEN NO RIKYU (1522-1591) und KOBORI ENSHU (1579-1647), sowie KATAGIRI SEKISHU (1605-1673) in ästhetischer und weltanschaulicher Sicht ihre Vollendung.

Wie in allen anderen Wegen des Zen besteht das "Ziel" des Teeweges darin, den Teemenschen (chajin) durch das Erleben der kosmischen Gesamtheit zur inneren Vollendung, zum wahren Selbst, zu führen.

Die Grundregeln verlangen von dem Übenden:

1. WA - Harmonie und Frieden, die aufrichtig tiefe Anteilnahme an allem
2. KEI - die Wertschätzung aller Dinge und Wesen (Ehrerbietung und Ehrfurcht)
3. SEI - Innere und äußere Reinheit - auch in Gedanken, Taten und Worten
4. JAKU - Stille

Das Ideal "WABI und SABI" steht an der Spitze der Teeprinzipien.

Wabi kann man in etwa mit Reinheit, Schlichtheit, Armut, Stille, das Reduzieren einer Handlung auf das Wesentliche erklären. Es bedeutet auch die Suche - den wahren Charakter einer Sache kennenzulernen und zu erfahren, dass sie Teil der Natur ist, wie man selbst auch eins mit ihr ist. Das Kunstwort Sabi kann man eigentlich nur umschreiben. Ein alter Teemeister sagte einmal dazu: "Es verhält sich damit so, als würde man ein edles Rennpferd vor einer armseligen strohgedeckten Hütte anbinden".

Es geht darum, die Harmonie zwischen geistigen Inhalten und äußeren Formen herzustellen.

Der Einfluss des Teeweges erstreckt sich nicht nur auf die Gestaltung des Teezimmers oder -hauses und das Teegerät, sondern hat stets eine wichtige Rolle im künstlerischen Leben des japanischen Volkes gespielt. Die Entwicklung der Architektur, Landschaftsgärtnerei, Töpferei, Tuschemalerei, Dichtkunst, Kunst des Blumenstellens und die Teeblumenkunst verdanken dem Teeweg viel. Der Teeweg bildet einen Schlüssel zum Verständnis japanischen Geistes und japanischer Wesensart.

Das Teehaus besteht aus natürlichen Materialien, wie Holz, Bambus, Lehm, Stroh, Papier und befindet sich in einem Garten mit Teich, Felsen, Bäumen und Büschen, Steinlaterne und Brunnen oder Steinwaschbecken. Der Teeraum (chashitsu) ist meist sehr klein - traditionell drei oder viereinhalb Tatami (Matten) - er enthält eine Feuerstelle und eine Bildnische. Neben dem Teeraum befindet sich das Vorbereitungszimmer. Durch die Papiertüren (Shoji) dringt gedämpftes Licht. Die Eingangstüre für die Gäste ist nur halb so groß wie eine Shoji und ermöglicht es, nur in gebückter Haltung in den Raum zu gelangen.



Zur Zeremonie selbst:

Rein äußerlich betrachtet kann die Tee-Zeremonie ganz einfach dazu dienen, in der Hast des Alltagslebens zu innerer Ruhe und Sammlung zu gelangen. Sie ist daher, wie alles im Zen, auch losgelöst von jeglichem religiösen Hintergrund denkbar.

Nachfolgend in etwa der Ablauf einer Usucha-Zeremonie (gemahlener grüner Tee, der schaumig gerührt wird):

Der Gast betritt den Garten und schreitet ruhig über Trittsteine die zum Brunnen oder einem Steinwaschbecken führen. Hier schöpft er mit einer Bambuskelle Wasser, spült den Mund und wäscht sich die Hände. Falls er noch ein wenig früh ist oder noch auf weitere Gäste zu warten ist, führt ihn der Gastgeber oder ein Gehilfe zu einer Bank oder einer Nische von wo er aus einen besonders schönen Blick auf den Garten und den Teich hat. Hier bekommt er evtl. ein wenig Tee (Sencha) und etwas Gebäck. Ein Glockenklang oder ein Ton aus dem Teehaus zeigt den Gästen - meist sind es drei bis fünf Personen - dass alles bereits ist und sie sich nun in den Teeraum begeben möchten. Sie nähern sich der kleinen Türe, ziehen ihre Sandalen oder Schuhe aus und rutschen, einer nach dem anderen, auf den Knien in den Teeraum. Die Gäste haben natürlich ihr persönliches Zubehör für die Teezeremonie dabei: eine kleine Tasche mit Teetuch und Serviette, Papier, Kuchenmesser und einem Fächer. Die Gäste grüßen mit dem Fächer und betrachten den Raum und die Einrichtung, die Feuerstelle, gusseisernen Wasserkessel, die Bildnische mit dem Rollbild, dem Blumengesteck und evtl. einem Räucherstäbchengefäß. Wenn sich die Gäste gesetzt haben, erscheint der Gastgeber in der Türe, kniet sich nieder und begrüßt die Gäste auf traditionelle Weise. Ein Helfer oder Schüler bringt in einer Schale Süßigkeiten (z.B. Bohnengelee) und stellt sie vor den ersten Gast. Dieser nimmt sich etwas und reicht die Schale an den nächsten Gast weiter. Während dessen betritt der Teebereiter den Raum. Er bringt ein Frischwassergefäß, dann Teeschale und Teedose, sowie Schmutzwasserbehälter und Bambusschöpflöffel in den Raum. Hat er alles Zubehör an den richtigen Platz gestellt, begrüßt er die Gäste und beginnt damit alle Teeutensilien (symbolisch) mit seinem Teetuch zu reinigen. Anschließend bereitet er für jeden Gast eine Schale Matcha. Nachdem alle getrunken haben, wird wieder alles sauber gemacht und dann hinaus getragen. Nach dieser Zeremonie wird es vermutlich ein gemeinsames Essen geben, dann erbauliche Gespräche und gemütliches Zusammensein. Es kann auch sein, dass sich noch eine Zeremonie mit z. B. dickem Tee anschließt.

In aller Kürze habe ich versucht, sie mit meinen Ausführungen in die Welt des Teeweges einzuführen. Vieles ist noch nicht gesagt worden - doch im Besonderen gilt, dass ich vieles nicht erklären kann. Es muss einfach mitgemacht und erfahren werden. So möchte ich sie gerne dazu einladen, einmal persönlich an einer Teezeremonie teilzunehmen. Über Möglichkeiten und Termine informiere ich sie gerne.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!



Sekishu-Ryu - Tee- und Blumenweg

Unsere Schule nennt sich nach ihrem Gründer KATAGIRI SEKISHU (1605-1673) SEKISHU RYU. Er war der Fürst von Iwami und Yamato-Koizumi, dem heutigen Nara. Sein Teeweg spiegelt den Einfluss des Zen-Buddhismus und der Umgangsformen, Regeln und Gepflogenheiten des japanischen Adels jener Zeit wider. Bereits im Kindesalter lernt er "Tee" unter Kuwayama Sakon (1563-1632). Später studiert er Zen unter Gyokushitsu Sohaku und Gyokusho Soban, Zenmeister im Daitokuji.

Einige Daten: 1633 kommt Sekishu nach Kyoto, dort baut er den Chion-in (-tempel), der durch Erdbeben und Feuer zerstört worden war, wieder auf. Er verkehrt mit den wichtigsten Teemeistern seiner Zeit. 1638 baut er im Daitokuji einen Untertempel, den Korin-an, mit einem Teeraum, der bereits seinen Stil erkennen lässt. 1647 wird Sekishu Teelehrer der Shogunfamilie.

1661 schreibt er den berühmten Aufsatz "wabi no fumi" (Schrift über das Prinzip WABI), worin er nachdrücklich erklärt, dass der innerste Sinn des Teeweges in einer "Sphäre des wabi" besteht.

1663 baut er in Koizumi einen Zweigtempel des Daitokuji, den Jiko-in, und beruft seinen Lehrer Gyokusho Soban als Gründerabt. Der Shoin-Teeraum und der Garten des Jiko-in drücken den Teestil des späten Sekishu aus. 1668 wird das Teehaus des Jiko-in vergrößert. Am

12. November 1673 stirbt Sekishu. Sein Grab befindet sich im Daitokuji.

Die Sekishu-ryu für Tee- und Blumenweg wird heute von Großmeister IEMOTO KATAGIRI TADAMITSU geleitet. Er ist Nachkomme des Gründers in der 16. Generation. Mit seiner Erlaubnis widmet sich die Tee- und Blumenmeisterin Toshiko Miyazaki-Döring-Shokinan-Rifusai Shunho der Weitergabe von Chado und Kado in Deutschland. Einzelunterricht für Anfänger und/oder Geübte findet nach Vereinbarung statt. Ausbildung bis zu Meistergraden ist möglich.


Sen no Rikyu lebte von 1521 bis 1591. Er ist einer der bedeutendsten Teemeister bis auf den heutigen Tag. Er diente Oda Nobunaga und Toyotomi Hideyoshi. Auf Befehl Hideyoshis musste er 1591 Seppuku begehen. Selbst bürgerlicher Herkunft, gelang ihm die Verschmelzung der verschiedenen Schulrichtungen aus adligen und bürgerlichen Elementen und somit die Vollendung der Teezeremonie.


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Quelle:
ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 1/10, S. 18-21
Herausgeberin: Hakuin Zen Gemeinschaft Deutschland e.V. (HZG)
Burggasse 15, 86424 Dinkelscherben
Redaktion: Nanshu Susanne Fendler / Bunsetsu Michael Schön
Übelherrgasse 6, 89420 Höchstädt a.d.D.
E-Mail: s-fendler@t-online.de / schoen-bio@gmx.de
Internet: www.shoboji.de

ZENSHIN erscheint halbjährlich.
Einzelheft 7,50 Euro inklusive Versand


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2010