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PRESSE/947: Angst und ihre Überwindung durch die Lehre des Buddha (Buddhistische Monatsblätter)


Buddhistische Monatsblätter Nr. 2/2012, Mai - August
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.

Angst und ihre Überwindung durch die Lehre des Buddha

von Wolfgang Krohn



Alle Wesen außer einem Erwachten haben Angst. Der Buddha hat die Angst durchschaut und überwunden.

Was ist Angst? Enge! Angst äußert sich bei Mensch und Tier, sowohl im Körper als auch im Geist, als Leid (dukkha) in allen Schattierungen. In einer Gefahrensituation sieht man nur das Eine. Wegen dieser Beengung können andere wichtige Informationen nicht in das Bewusstsein einfließen. Den Angstmechanismus bekommen die Wesen bei der Geburt als Schutz mit auf den Weg. Darüber hinaus gibt es eine Unzahl geistiger Ängste bis hin zu krankhaften Ängsten, den sogenannten Phobien etwa beim Anblick von Spinnen oder Schlangen, bis hin zum Verfolgungswahn. Kürzlich bat mich ein junges Mädchen, sie ein Stück zu begleiten, weil sich am Wegesrand eine Hornisse aufhielte. Es handelte sich aber um eine Libelle, die in ihrer lila Farbe wirklich nett anzuschauen war. Sogleich hatte das Mädchen keine Angst mehr und konnte allein weitergehen.

Man sehe sich einmal im Tierreich um. Das Kaninchen erstarrt vor Angst, wenn es einer Schlange begegnet. Die Gazelle, das Gnu oder das Zebra, vom Löwen verfolgt, setzen entweder alle Kräfte ein, um davonzulaufen, oder sie wehren sich mit dem Gehörn, dem Gebiss oder den Hufen. Beim Menschen ist es nicht anders. Er flüchtet vor einem bissigen Hund und anderen Tieren, die für ihn eine Gefahr darstellen. Er geht mit Fäusten oder Waffen auf seinen Gegner los. Mensch und Tier ergreifen entweder die Flucht, setzen sich zur Wehr oder aber greifen an, was mit starken Hassgefühlen verbunden ist. Wer dagegen statt des Hasses Mit gefühl entwickelt, überwindet dadurch zugleich die Angst.

Wie äußert sich Angst? Im Hier und Jetzt, sobald sich eine Gefahr zeigt. Blitzschnell werden im Körper und Geist unter erhöhtem Adrenalinausstoß Befehle erteilt, wodurch Flucht, Verteidigung oder Angriff ausgelöst werden.

Wie entsteht Angst? Durch Wahrnehmungen aller sechs Sinne: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen und Denken. Beim Menschen kommt noch das sogenannte "Ich" hinzu. Das Ich oder auch das Selbstbewusstsein zu verlieren, ist für fast jeden Menschen wohl das Schlimmste. Deswegen machen sie alle möglichen Anstrengungen, um eine Ich-Beschädigung zu vermeiden. Je stärker sich der Mensch mit seinem Körper und Geist identifiziert, umso mehr Angst entwickelt er.

Arten der Ängste: Verlust von Vermögen, Gesundheit, des Partners, des Arbeitsplatzes, globale Angst, ausgelöst durch Nachrichten über Bankenkrise, Euro-Crash und Klimakatastrophe.

Wann tritt Angst auf? Immer dann, wenn Subjekt und Objekt aufeinander treffen und die Wahrnehmung durch die Sinne funktioniert. Ein Blinder kann nicht erkennen, wenn eine sichtbare Gefahr naht. Ein Tauber ist durch sein defektes Gehör nicht in der Lage, bedrohliche Laute und Schritte wahrzunehmen.

Da der Bereich der Ängste sehr groß ist und Ängste alle Lebensbereiche betreffen und viele geistige Schmerzen erzeugen, ist es nicht verwunderlich, dass nach Abhilfe gesucht wird. Der Heilsanweisungen und Heilsmethoden gibt es viele. Eine unüberschaubare Schar von Heilern und Helfern bietet sich an. Auch Anrufungen jenseitiger Wesen und Beten zu Gott werden empfohlen.

Wer dem Buddha folgt und seine Lehre kennt, findet viele Möglichkeiten, seine Ängste zu reduzieren oder sich gänzlich vom Leidensdruck zu befreien. Wer sich auf die Praxis des Mit gefühls konzentriert und dieses im täglichen Leben anwendet, braucht sich vor niemandem zu fürchten. In jedem Menschen steckt Erwachungspotenzial. Es muss nur aus der Latenz hervorgeholt werden. Wie eingangs erwähnt und wie es aus der vorstehend wiedergegebenen Lehrrede "Angst und Grauen" gezeigt wird, hat der Erwachte alle Ängste überwunden, weil er sie durchschaut und vollkommene Tugend erreicht hat.

Wenn auch wir uns in Tugend, Weisheit und Sammlung üben, werden wir nicht von Furcht erfasst. Nur, solange Gier, Übelwollen und Verblendung in uns sind, kann sich Angst breit machen. Der Buddha sagt: Wenn wir uns unserer guten Handlungen in Gedanken, Worten und Taten bewusst werden, vermindern sich unsere Ängste beträchtlich. Vertrauen zum Erwachten ist ein gut er Anfang, um sich in der Welt ohne Angst zu bewegen. - "Ein gutes Gewissen ist das beste Ruhekissen", sagt das Sprichwort. Wenn ich dagegen dauernd die Angst vermittelnden Medien auf mich einwirken lasse, nimmt diese ständig zu. Unser täglicher Aktivitätsdrang wird weitgehend von Ängsten geprägt. Es ist daher sinnvoll, diesen in der Einsichtsmeditation anzuschauen. Auch die drei Daseinsmerkmale Vergänglichkeit (anicca), Leiden (dukkha) und Nicht-Ich (anatta) sind zu betrachten. Weil nichts gleich bleibt, es nichts Befriedigendes in dieser Welt und keine Ich-Stütze gibt, kann Angst aufkommen. Ein Erwachter hat diese drei Daseinsmerkmale durchschaut. Damit sind für ihn Angst und Furcht dauerhaft abgetan. Vermutlich fragt sich der Leser, wie er von Gier, Übel-wollen und Ich-Verblendung loskommen kann. Hilfreich ist die Genügsamkeit oder Bedürfnislosigkeit. Wenn eines der fünf Sinnesobjekte auf uns einwirkt , können wir innehalten und uns fragen "brauche ich das jetzt?" z.B. "muss ich jetzt essen?" Bei richtiger Betrachtungsweise wird das Verlangen gemindert. Als Sokrates mit seinen Schülern auf den Markt ging, sagte er zu ihnen: "Wie viele schöne Dinge gibt es doch hier auf dem Markt" - und lachend fuhr er fort: "aber ich brauche nichts von dem, was sich hier in prächtigen Farben zeigt." Als zweites können wir die Meditation zu Hilfe nehmen. Wer vom Buddha belehrt ist, kennt das Gesetz von Ursache und Wirkung, den zwölfgliedrigen Bedingungszusammenhang zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Drei Glieder dieser Kette beziehen sich auf die Gegenwart, nämlich: "Es steigt als siebentes Glied das Gefühl, eine Empfindung (vedana) auf, wodurch das achte Glied Durst (Begehren) tanha bedingt ist. Dann folgt als neuntes Glied das Ergreifen upadana. Diese drei Glieder können wir in ihrem Entstehen, Bestehen und Vergehen durch die satipatthana-Methode bei voller Achtsamkeit recht gut wahrnehmen. Hier liegt die wirksamste Interventionsmöglichkeit des Meditierenden, wodurch als Frucht zunehmend Freiheit erfahren wird.

Wer zum Erwachten und zu seiner Lehre Vertrauen gefasst hat, dem bietet sich ein weiterer Vorteil mit Ängsten umzugehen. Gotamo durchschaute in seiner Erwachungsnacht alle Daseinzusammenhänge und die damit verbundenen Verhaftungen und erreichte Buddhaschaft. Er hat das Wünschen nach sinnlichem Begehren (kama-tanha), nach Dasein (bhava-tanha) und Nichtsein (vibhava-tanha) endgültig aufgegeben.

Angst und Vertrauen stehen in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander: Je mehr Vertrauen, desto weniger Angst. Mit Selbstvertrauen und Vertrauen zum Buddha können wir recht angstfrei leben. Wer sich konsequent an die Anweisungen des Buddha halten will, findet alles Nötige im Achtpfad.

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Quelle:
Buddhistische Monatsblätter Nr. 2/2012, Mai - August, Seite 7-9
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.
Herausgeberin: Buddhistische Gesellschaft Hamburg e.V.
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Die Buddhistischen Monatsblätter erscheinen
vierteljährlich.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juli 2012