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PRESSE/959: Theravâda-Treffen in Langenselbold (DMW)


Der Mittlere Weg - Nr. 1, Januar - April 2013
Zeitschrift des Buddhistischen Bundes Hannover e.V.

Theravâda-Treffen in Langenselbold

von Michael Funk



Vom 10.-12.08.12 trafen sich 16 Aktive der Theravâda AG im Kloster Wat Puttabenjapon in Langenselbold. Bereits am Anreisetag wurden wir in die Tagesaktivitäten des Klosters eingebunden und nahmen an der Abendrezitation teil. Danach erläuterte uns die Ehrwürdige Akiñcanâ die acht wichtigen Regeln (Garudhammas) des Bhikkhuni-Patimokkha. Sie stützte sich dabei sowohl auf den Pâli-Kanon, als auch moderne Forschungsarbeiten u.a. von Bhikkhu Anâlayo, Ute Hüsken, Bhikkhuni Kusuma. Sie erklärte, dass diese Regeln erst nach Buddha entstanden sein können, da sie teilweise mit Regeln des Patimokkha überein stimmen (Dopplung), teilweise die Existenz des entwickelten Mönchs- und Nonnenordens voraussetzen, die Regel Nr. 5 hat gar ein anderes, schärferes Maß der Sühne als im Patimokkha festgelegt ist. Wahrscheinlich entstanden diese acht wichtigen Regeln nach der Regierungszeit Kaiser Asokas im 3. Jh. vor Christus, da sie in dieser Zusammenstellung im Patimokkha nicht enthalten sind, jedoch vor der Trennung der Schulen, da sie in anderen Vinayas ebenfalls enthalten sind.

Am Samstag gedachten wir zunächst Anagarika Kassapas, der am 13.06.12 mit 84 Jahren verstorben war und auch einige Male an Theravâda-Treffen teilgenommen hatte. Nach diversen Berichten über den Ausbau der Theravâda-Homepage, den Kassenbericht, Stand der Buchveröffentlichungen, Angebot von pdf-Downloads, der Ratsarbeit widmeten wir uns den beiden zentralen Themen des Treffens, der Organspende und der Patientenverfügung.

Zunächst machte uns Elke Popp mit den gesetzlichen Grundlagen der Organspende vertraut. Danach diskutierten wir die verschiedenen, damit in Zusammenhang stehenden Gesichtspunkte. Grundsätzlich können Organe nur einem lebenden Organismus entnommen werden, denn sie müssen voll durchblutet sein. Es existiert keine Altersgrenze dafür, lediglich einige Krankheiten schließen die Entnahme aus und es ist ein Mindestalter von 14 Jahren erforderlich. Damit die Organentnahme für die beteiligten Ärzte legal ist, wurde das Kriterium Hirntod als Todeszeitpunkt vom Gesetzgeber festgelegt. In der Fachliteratur gibt es viele teils divergierende Auffassungen über den Todeszeitpunkt. Insbesondere ist nicht klar, wann hören das Bewusstsein und das Schmerzempfinden auf. Nach allgemeinem Verständnis ist der Sterbeprozess ein langsames Absterben aller Organe, das erst mit der Leichenstarre abgeschlossen ist.

Für alle, die noch nicht das Stadium des Nichtwiederkehrers erreicht haben, ist das Sterbekamma als das am wahrscheinlichsten die Wiedergeburt bedingende Kamma besonders wichtig. Eine ruhige, liebevolle Umgebung stärkt heilsame letzte Gedanken und Vorsätze. Es will gut überlegt sein, trotz schmerzhafter Beeinflussung des Sterbeprozesses mit guter Absicht Organe zu spenden. Bin ich schon so weit, dass ich dabei eine liebevolle Gesinnung aufrecht erhalten kann? Kann ich bedingungslos Organe einem mir unbekannten Empfänger spenden? Wie stehe ich zur Organvermittlung? Überwiegt meine Gebefreudigkeit, so dass ich schon jetzt bei der Zustimmung zur Organspende heilsames Kamma schaffe?

Aber auch der Empfänger einer Organspende hat sich zahlreichen Fragen zu stellen und muss dazu für sich Antworten finden: Warum will ich nicht jetzt sterben und warte stattdessen auf eine Organspende? Bin ich bereit, ein Organ dankbar anzunehmen und liebevoll des unbekannten Spenders zu gedenken? Kann ich trotz der unvermeidlichen Nebenwirkungen (z.B. Verhaltensänderungen, Medikamenteneinnahme) ein vernünftiges Leben führen? Wie verhalte ich mich bei Komplikationen, insbesondere einer Abstoßungsreaktion? Was ist mein Lebensinhalt für die nächsten 5-10 Jahre (= durchschnittliche Lebensdauer der verpflanzten Organe)? Kann ich bei erneutem Organversagen in Ruhe sterben?

Unsere Gedanken zu diesen Fragen wurden durch Meditationen zum Tod angeregt. Schon der Erwachte hatte seine Mönche und Nonnen zu Betrachtungen über die verschiedenen Stadien des Sterbens (Leichenfeldbetrachtungen) und den eigenen Tod angehalten.

Wir betrachteten ebenfalls die Haltung anderer Religionen zur Organentnahme. So stimmen Christen und Muslime unter gewissen Voraussetzungen zu, Juden und Zeugen Jehovas lehnen sie grundsätzlich ab.

Das zweite Schwerpunktthema waren die Patientenverfügung und die Betreuungsvollmacht. Nachdem man sich über den Umfang an lebenserhaltenden medizinischen Maßnahmen klar geworden ist, sollte man dies auch zu Papier bringen und mit einer/ mehreren Vertrauenspersonen besprechen, damit dies in dem Fall, wenn man nicht mehr kommunizieren kann, auch umgesetzt wird. Andernfalls ist man den Entscheidungen Anderer (z.B. Angehörige, Ärzte) bedingungslos unterworfen und bringt möglicherweise diese in Gewissenskonflikte. Wichtiger noch als die Patientenverfügung ist die Betreuungsvollmacht, in der geregelt werden kann und soll, wer was in meinem Auftrag tun darf, wenn ich dazu nicht mehr in der Lage bin. Hier ist auch der richtige Platz für Anweisungen zu Sterbebegleitung und Bestattung.

In einer kleinen Arbeitsgruppe werden bis zum nächsten Treffen Entwürfe einer Patientenverfügung sowie Betreuungsvollmacht erarbeitet. An dieser Stelle sei dem Wat Puttabenjapon für die guten Rahmenbedingungen ganz herzlich gedankt. Die Teilnahme an den Klosteraktivitäten sowie der erweiterte Zeitrahmen erwiesen sich als sehr förderlich für unsere anspruchsvolle und anstrengende Themenarbeit.

Das nächste Treffen mit dem Schwerpunktthema Samadhi findet vom 12.-14.04.13 in Hannover oder Schaumburg statt. Auf Grund des allgemeinen Interesses wird ein vorheriger Besuch des Museums für Bestattungskultur in Kassel eingeplant.

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Quelle:
Der Mittlere Weg - majjhima-patipada
45. Jahrgang, Januar - April 2013/2556, Nr. 1, Seite 26-27
Herausgeber: Buddhistischer Bund Hannover e.V.
Drostestr. 8, 30161 Hannover,
Tel. und Fax: 05 11/3 94 17 56
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2013