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BERICHT/334: "Walking to Emmaus" - unterwegs im Heiligen Land und in Schweden (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - 13. Mai 2015

"Walking to Emmaus" - unterwegs im Heiligen Land und in Schweden

Von Peter Kenny


Es war eine Wanderung für den Frieden - inspiriert von der biblischen Geschichte von Emmaus -, bei der Teile des Heiligen Landes in den Fußstapfen Jesu durchkreuzt wurden.

Das Lukasevangelium beschreibt, wie zwei Männer dem auferstandenen Jesus auf dem Weg nach Emmaus begegnen und dabei die Hoffnung wiederfinden.

Die Emmaus-Geschichte motivierte eine Gruppe von 60 jungen Frauen und Männern aus Palästina, Südafrika, Deutschland und Schweden, sich auf einen zweistufigen Pilgerweg des Friedens zu begeben.

Während der Wanderungen teilten sie jeweils eine Woche lang Erfahrungen aus ihrem Leben und ihrem Glauben. Sie wanderten, tanzten, sangen, redeten und reisten gemeinsam im Bus in einem Land, in dem Frieden herrscht und in einem anderen Land, welches von einem Konflikt geprägt ist.

Die mächtige Sperranlage zwischen Israel und Palästina und die goldenen Kornfelder im Westen Schwedens sind weit weg von Qunu in Südafrika, wo der junge Mann Yolanda Ngxishe auf den gleichen sanften Hügeln wie Nelson Mandela aufgewachsen ist.

Wie der große südafrikanische Anti-Apartheid-Kämpfer und Friedensstifter gehört auch Ngxishe zum Xhosa-sprechenden Madiba-Clan.

Ngxishe gehört zur südafrikanischen "Born Free"-Generation, zu denjenigen jungen Menschen, die "frei" und nach dem Ende der Apartheid geboren wurden, aber er sagte: "Viele Menschen in Südafrika spüren nichts von der Freiheit, für die unser Volk gekämpft hat".


Gedanken über Mandela

Ngxishe sagte: "Ich habe über den Mann [Mandela] nachgedacht. Er kämpfte für die Freiheit, und das erinnert mich an den Film "Long walk to freedom". Es war ein großartiger Moment, über diesen Mann nachzudenken. Wir können uns nun frei bewegen, aber hier [in Palästina] ist das nicht so".

Ngxishe bemerkte, dass die wirtschaftliche Apartheid in Südafrika immer noch existiere, und dass auch die Palästinenser wirtschaftlich nicht gleichgestellt seien. "Sie bekommen nicht genug Wasser. Wasser ist Leben". Er sagte weiter, es sei für Palästinenserinnen und Palästinenser schwierig, sich zu bewegen.

Er erfuhr die Gruppe als eine starke Bereicherung und fand, dass die Musik eine Gemeinsamkeit war. Ngxishe sagte: "Ich kann über positive Dinge nachdenken. Mein Geist ist offen."

"Das Beste, das ich gelernt habe ist, dass die Gruppe die Bildung sehr ernst nimmt; anders, als wir es uns in Südafrika gewohnt sind. Die meisten jungen Menschen mögen Bildung nicht. Wenn du eine Bildung hast, wirst du ein besserer Mensch", fügte Ngxishe hinzu.

Der palästinensische Bischof Munib A. Younan sagte, während er die erste Etappe der Wanderung segnete: "Ihr seid jetzt Missionarinnen und Missionare auf einem weltweiten Pilgerweg über den auferstandenen Herrn Jesus Christus!"

"Wenn wir über Frieden sprechen, geht dieser über diejenigen Länder hinaus, in welchen die Menschen in einer prekären Situation und unter Besetzung leben, wie wir dies tun", sagte Younan. "Manchmal ist es nämlich in komfortablen und demokratischen Gesellschaften sehr leicht, Fremdenfeindlichkeit oder Rassismus zu entwickeln."

Younan ist Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land, einer Mitgliedskirche des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), und Präsident des Lutherischen Weltbundes.

Der Pilgerweg fing in der Diözese Skara der Kirche von Schweden an, anlässlich deren 1000-Jahr-Feier im August 2014. Als Projekt zum Jubiläum nahm die Diözese junge Menschen aus verschiedenen Hintergründen auf eine einwöchige Pilgerreise mit.

Der zweite Teil von "Walking to Emmaus" folgte im Heiligen Land, vom 4. bis 12. April 2015, mit 60 jungen Menschen und drei Bischöfen und Kirchenleitenden aus Deutschland, Palästina, Südafrika und Schweden.

Im Heiligen Land machten sie an wichtigen biblischen Orten, wie Bethlehem, Jericho und Nazareth Halt.

Der deutsche Student Mario Münsterer sagte: "Es war eine tolle neue Erfahrung, die Leute in Schweden und Palästina zu treffen. Ich bin nach dem Mauerfall geboren", fügte er hinzu, und bezog sich damit auf die Mauer, die in Berlin errichtet worden war, um im Kalten Krieg den Osten vom Westen Deutschlands zu teilen.

Er sagte, dass sich die Menschen, seit die Mauer in den Jahren 1989 - 1990 zu bröckeln begann, in einem vereinten Deutschland frei bewegen konnten. Genau dies sei jedoch im Heiligen Land nicht der Fall, wo Israel zu Palästina eine Sperranlage errichtet habe.

Als er darüber nachdachte, wie es sei, ohne Mobiltelefon zu sein, meinte Münsterer: "Auf dem Pilgerweg hatten wir Zeit für uns selber, um nachzudenken, und während des Wanderns konnten wir direkte Kontakte pflegen und das Wesentliche von Problemen erkennen. Das war viel besser."

Salam M. Qumsiyeh, deren Vorname "Frieden" bedeutet, ist eine Palästinenserin aus Beit Sahur. Sie konnte den Friedenswanderern über ihr Leben hinter der Mauer erzählen, und es ihnen dann auch zeigen.

"Ich war enttäuscht, dass es an den Checkpoints normal ablief."

Sie meinte: "Für Palästinenserinnen und Palästinenser ist dies anders, wir müssen Schlange stehen und werden durchsucht; wir brauchen eine Bewilligung, um nach Israel zu kommen. Sie [unsere Gruppe] werden das nicht verstehen, wenn sie es nicht auch selber erfahren." Sie sagte, die Gruppe könne die Straßensperren sehen, doch könne sie nicht dieselbe Behandlung erleben, die Palästinenser erleiden müssen.

"Ich wandere sehr gern, und diese Wanderung hat einen Sinn - 'Walking to Emmaus'. Die Leute lernten sich untereinander kennen; sie erfuhren, was wir so tun und wie wir leben", sagte Qumsiyeh während der Reise.

Sie sprach über die Fragen, die ihr von den anderen Mitreisenden auf der Busfahrt gestellt wurden. Ihnen antwortete sie: "Du lebst die Antworten." Weiter sagte sie, sie hätte viele Dinge erzählen wollen über das, was sie erlebten.

"Für Palästina zu kämpfen bedeutet für mich, in der Welt das Wort zu verbreiten und anderen über unsere Realität zu erzählen. Sie wissen nämlich nur, was sie durch die Medien sehen, und dies zeigt unsere Wirklichkeit nicht."


Teilung der jungen Israeli und Palästinenser

Qumsiyeh sprach über die Teilung zwischen jungen Palästinensern und Israeli, die so nah beieinander leben, aber so unterschiedliche Leben führen.

"Es macht mir nichts aus, israelische Freunde zu haben, vorausgesetzt, dass sie meine Gefühle verstehen. Doch wenn sie irgendwie rassistisch oder extremistisch sind, warum würde ich sie dann als Freunde haben wollen?"

"Meiner Ansicht nach sind die meisten so. Sie verstehen nämlich nicht, wie Palästinenser sind; sie denken, wir seien Terroristen. Sie sind nicht aufgeklärt über Palästinenser", sagte Qumsiyeh.

Die palästinensische Studentin erklärte: "Die Antwort heisst Akzeptanz. Wenn du immer nur denkst, dass du diejenige bist, die Recht hat, dann siehst du gar nicht, dass andere unterschiedliche Gedanken haben können oder zu einer anderen Volksgruppe gehören."

"Wenn du verstehst und siehst, wer sie in Bezug auf dich selber sind, dann denke ich, kann Frieden erreicht werden."


Gehen, sprechen, nachdenken

"Gemeinsam zu wandern ist eine gute Art, miteinander zu sprechen und gemeinsam nachzudenken - und das ist die wesentliche Idee", sagte Daniel Uddling, Projektleiter der Kirche von Schweden.

Am Pilgerweg nahmen auch die schwedische TV-Journalistin Marika Griehsel und ihr Ehemann, der südafrikanische TV-Kameramann Simon Stanford, teil, der die Reise in Schweden und im Heiligen Land filmte. Stanford hat das Ende der Apartheid in den 1990er Jahren und den Kampf gegen die Apartheid in den 1980er Jahren für das internationale Fernsehen dokumentiert.

"Es war inspirierend, mit dieser Gruppe unterwegs zu sein und zu erfahren, wie Menschen etwas über Frieden lernen können, wenn sie Erfahrungen teilen", sagte Stanford.

Goran Rask, der Vorsitzende und Initiator des Projekts, sprach zu den jungen Menschen, als sie ihren Pilgerweg abgeschlossen hatten und dankte ihnen.


"Eine lange Wanderung"

"Wir haben es geschafft! Wir sind nach Emmaus gegangen! Es war ein langer Weg."

Rask sagte: "Wir kamen aus Südafrika, Deutschland, Schweden und aus Bethlehem, Beit Sahour, Beit Jala, Ramallah und Jerusalem in Palästina zu diesem 'Emmaus'. Es war ein langer Weg, insbesondere weil wir einen Umweg nach Skare in Schweden gemacht haben - nach Flämslätt, Husaby, Forshem, Kungslena, Gudhem und Varnhem."

Er bemerkte, dass eine Person der Gruppe, Khaleed, in Flämslätt gesagt hat: "Tanzen scheint unsere gemeinsame Sprache zu sein".

"Durch Singen und Tanzen haben wir auf eine besondere Art und Weise Glaube und Leben geteilt", sagte Rask.

Er bemerkte, dass der Austausch über Erwartungen an das Leben, über Träume, über die Routine des täglichen Lebens, über Sorgen und Schwierigkeiten wichtiger war als das eigentliche Wandern. Die Wandernden untersuchten die Auswirkungen des Leidens und der Ungerechtigkeit und beobachteten, wie die gesetzwidrige Besetzung das Leben ihrer palästinensischen Freunde beeinflusst.

Sie tauschten sich auch durch das Leben Jesu und das Lukasevangelium über ihren Glauben aus; durch Bibeltexte im Zusammenhang mit den fünf Themen: Nachhaltigkeit, Taufe, Mission, Pluralismus und Frieden. Weiter teilten sie Zeugnisse und Glaubenserlebnisse des täglichen Lebens.

"Mein Traum ist, dass ihr eure Mission erkennen könnt, während ihr weiterhin von Frieden und Gerechtigkeit und vom Einstehen für eine pluralistische, nachhaltige Welt träumt und dafür arbeitet", sagte Rask.

Er wollte, dass sich die Gruppe daran erinnert: "Gott ist mit uns und Jesus geht an unserer Seite, genau wie er es mit den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus tat; und unsere Taufe ist das Zeichen von Gott, dass Jesus an unserer Seite geht."

Das Projekt wurde in enger Zusammenarbeit mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB), der Südost-Diözese der Evangelisch-Lutherischen Kirche im südlichen Afrika (ELCSA), der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELCJHL), der Jugendbewegung der Kirche von Schweden in Skara, der Organisation Sensus sowie der internationalen Abteilung der Kirche von Schweden durchgeführt.


Peter Kenny ist Journalist und Kommunikationsberater. Er schreibt für die Ecumenical News, das Wall Street Journal, The Star in Johannesburg und andere Medienorganisationen.


Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehörten Ende 2013 dem ÖRK 345 Mitgliedskirchen an, die zusammen über 500 Millionen Christen aus protestantischen, orthodoxen, anglikanischen und anderen Traditionen in mehr als 140 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pastor Dr. Olav Fykse Tveit, von der (lutherischen) Kirche von Norwegen.


Blogeintrag der palästinensischen Teilnehmerin Salam M. Qumsiyeh:
http://lists.wcc-coe.org/ct.html?ufl=4&rtr=on&s=jazjt,1bntq,usx,f12j,1bb2,6a92,l50s

Blogeintrag des südafrikanischen Teilnehmers Bandile Vukani Ndaba:
http://lists.wcc-coe.org/ct.html?ufl=4&rtr=on&s=jazjt,1bntq,usx,2w3d,krfk,6a92,l50s

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Quelle:
Pressemitteilung vom 13. Mai 2015
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2015

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