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BUCHTIP/095: Die Liturgiereform des Zweiten Vatikanums und ihr Weg in die Gemeinden (idw)


Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt - 19.11.2013

Die Liturgiereform des Zweiten Vatikanums und ihr Weg in die Gemeinden



Wie wurde die vom Zweiten Vatikanischen Konzil ausgehende Liturgiereform in den vergangenen 50 Jahren vor Ort umgesetzt? Dieser Leitfrage ging der Eichstätter Liturgiewissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Bärsch mit seinem Münchener Kollegen Prof. Dr. Winfried Haunerland für einen jetzt erschienenen Sammelband nach. Auf 580 Seiten werden die Prozesse der letzten 50 Jahre, deren Voraussetzungen, Protagonisten und die Wirkungsgeschichte dargestellt. Zahlreiche Bistümer im deutschen Sprachgebiet und darüber hinaus wurden dafür untersucht.

Zusammen mit anderen Forschern untersuchten sie diese Prozesse zunächst beispielhaft in Pfarreien des deutschen Sprachgebietes. Die Ergebnisse wurden bereits 2010 veröffentlicht. Nun standen die Bistümer im Fokus. Als Quelle dienten unter anderem Zeitzeugengespräche, archivierte Protokolle oder auch zeitgenössische Medienberichte. Die Reformarbeit sollte in der Fläche nachgezeichnet werden. "Uns haben die Personen interessiert, die maßgeblich an der Reform mitgewirkt haben. Und die Voraussetzungen, die dieses Engagement ermöglicht oder gehemmt haben", erläutert Bärsch. Die Wissenschaftler untersuchten nicht nur deutsche Bistümer: "Wir wollten den Blick über den Tellerrand hinaus werfen", macht Haunerland deutlich und verweist auf die Studien zu Bistümern in Österreich, in der Schweiz, in den Niederlanden, in Polen und in Chile.

Die Liturgiekonstitution "Sacrosanctum Concilium" des Zweiten Vatikanischen Konzils stieß eine umfassende Reform des gottesdienstlichen Lebens der katholischen Kirche an, die bis in die kleinste Gemeinde hinein spürbar wurde. Eine solche Reform konnte nicht allein von den römischen Behörden durchgesetzt werden.

Jürgen Bärsch hat speziell das Bistum Eichstätt unter die Lupe genommen: "Auch an diesem Bistum im Herzen Bayerns ist das Großereignis der katholischen Kirche im 20. Jahrhundert, das Zweite Vatikanische Konzil, keineswegs spurlos vorübergegangen", hält er fest. Vieles war laut Bärsch vorbereitet. Pioniere wie Pfarrer Johannes Kraus, der über die katholische Jugendbewegung mit der Liturgischen Bewegung in Kontakt gekommen war, leisteten wichtige Grundlagenarbeit. Kraus im Umfeld des Domes: als Kaplan, Pfarrer und Domkapitular. Andere vereinzelt in den Gemeinden des Bistums. Später wurden auch auf breiterer Ebene einzelne Versuche unternommen, die Reform zu begleiten und für die Pfarreien fruchtbar zu machen. Beispielsweise durch Berichte in der Kirchenzeitung oder durch Predigten von Bischof Schröffer. Kirchenmusikalische Impulse gingen vom langjährigen Domorganisten Wolfram Menschick aus. Ein wichtiges Feld war auch die liturgische Ausbildung. Der damalige Subregens Ludwig Rug habe über viele Jahre hinweg die Seelsorger geprägt. "Solche Leute haben wesentlich dazu beigetragen, dass sich die erneuerte Liturgie im Bistum beheimaten konnte", erklärt Bärsch. Der Liturgiewissenschaftler gibt jedoch zu bedenken: "Wir wissen nicht, auf welchen Boden diese Bemühungen gefallen sind." Er wünscht sich daher weitere Untersuchungen für einzelne Pfarreien.

Winfried Haunerland sieht zwischen den verschiedenen untersuchten Bistümern Parallelen: "Die amtlichen Vorgaben wurden relativ einheitlich in den Bistümern übernommen", resümiert der Münchener Liturgiewissenschaftler. Unterschiede bestünden vor allem in der Intensität der Begleitung. Auch die finanziellen Möglichkeiten der Diözesen spielten eine Rolle. In Ländern wie Polen oder Chile führten geringere Finanzmittel auch zu einer veränderten Umsetzung der Reform. Gewiss sei auch die Mentalität eine andere als im deutschsprachigen Raum. Insgesamt ist für Bärsch und Haunerland die Liturgiereform kein abgeschlossenes Kapitel in der Geschichte der Kirche: "Wenn die Kirche zu jeder Zeit reformbedürftig ist, damit sie ihren Auftrag erfüllen kann, dann ist es auch der Gottesdienst der Kirche", sind sich die beiden einig. "Wir hoffen, dass unsere Forschungen dazu beitragen, dass die Erneuerung des Gottesdienstes weiterhin im Blick bleibt und dass auch in Zeiten des Umbruchs die Liturgie Quelle und Höhepunkt im Leben der Kirche bleibt."

Jürgen Bärsch / Winfried Haunerland (Hrsg. unter Mitarb. v. Florian Kluger): Liturgiereform und Bistum. Gottesdienstliche Erneuerung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (Studien zur Pastoralliturgie 36),
Regensburg 2013 (Pustet Verlag). ISBN: 978-3-7917-2542-0, 58,00 Euro.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution105

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt,
Dipl.-Journ. Constantin Schulte Strathaus, 19.11.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. November 2013