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KIRCHE/1166: Dialogprozess - Mehr Einfluss für Frauen in der Kirche? (Herder Korrespondenz)


Herder Korrespondenz
Monatshefte für Gesellschaft und Religion - 6/2011

Dialogprozess: Mehr Einfluss für Frauen in der Kirche?

Von Stefan Orth


Bei der Frühjahrsvollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) stand der kirchliche Dialogprozess im Mittelpunkt des Interesses. Bereits im vergangenen Jahr hatten sich Frauen im ZdK zu einer eigenen Konferenz zusammengeschlossen und jetzt eine Reihe von Forderungen präsentiert.


Bei der Vollversammlung des ZdK, die Mitte Mai zum ersten Mal in Erfurt stattgefunden hat, stand ein breites Themenspektrum auf der Tagesordnung. Im traditionellen Bericht zur Lage des ZdK-Präsidenten Alois Glück ging es um die Energiewende in Deutschland, den politischen Wandel im arabischen Raum und die Gewalt gegen Kopten, das Kreuzurteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die Ernährungskrise aber auch um das Nein des ZdK gegenüber der Präimplantationsdiagnostik (PID).

Und nach einer Diskussion über einen Vortrag der Sozialwissenschaftlerin Jutta Allmendinger zur Arbeitswelt der Zukunft wurde ein Aufruf zur "Verantwortung von Christinnen und Christen angesichts HIV/Aids" von den rund 200 Delegierten einstimmig angenommen, nachdem zuvor anschaulich Erfahrungen des Kampfes kirchlicher Organisationen gegen die Immunschwächekrankheit präsentiert wurden. Glück betonte folgerichtig, dass bei allen momentanen innerkirchlichen Schwierigkeiten nicht außer Acht bleiben dürfe, dass es in der Welt deutlich größere Probleme gebe.


Dialog oder nur Gespräch?

Das eigentliche Thema der Frühjahrsvollversammlung war dennoch erwartungsgemäß der Dialogprozess in der katholischen Kirche, zu dem es auch einen eigenen "Bericht zur Lage" gab. Glück warnte erneut vor der Angst vor Veränderung, die eben nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch innerhalb der Kirche zu spüren sei (vgl. das Interview mit ihm: HK, Mai 2011, 232 ff.). Auch forderte er zur weiteren Konkretisierung des Dialogprozesses auf - der bisher erst in einzelnen Bistümern angelaufen ist.

Mehrere Redner zeigten sich in der Aussprache irritiert darüber, dass auf Seiten der Bischöfe jetzt von "Gesprächen" und nicht mehr von Dialog die Rede sei. Geradezu für Empörung sorgte die hineinplatzende Nachricht, dass der Bischof von Regensburg, Gerhard Ludwig Müller, dem früheren ZdK-Präsidenten und ehemaligen bayerischen Kultusminister Hans Maier, aufgrund seines Engagements für das frühere Modell der bischöflichen Schwangerschaftskonfliktberatung die Vorstellung seiner Memoiren in einem kirchlichen Haus verboten hat. Hatte Glück nicht soeben davor gewarnt, ein fruchtbarer Austausch sei nicht möglich, wenn "dem kritischen, dem unbequemen Partner im Dialog die Verankerung im Glauben und in der Kirche abgesprochen" werde?

Das ZdK selbst hat zwischenzeitlich eine Homepage für den Dialogprozess eingerichtet (www.einen-neuen-aufbruch-wagen.de), auf der sich zentrale Texte finden lassen, aber auch Erfahrungsberichte eingestellt werden sollen. Zudem hat die inhaltliche Arbeit der beiden zwischen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und dem ZdK vereinbarten Projekte begonnen (vgl. HK, April 2011. 166 f.).

Eva Maria Welskop-Deffaa, Sprecherin des ZdK-Arbeitskreises "Gesellschaftliche Grundfragen" konnte berichten, dass die Arbeitsgruppe "Präsenz der Kirche in Gesellschaft und Staat" sich auf die Frage nach dem künftigen diakonischen Handeln der Kirche, und dabei auf das angesichts des demographischen Wandels prekärer werdende Miteinander der Generationen fokussieren wolle. Zur Arbeitsgruppe gehören neben ihr Bischof Franz-Josef Overbeck, Weihbischof Anton Losinger (Augsburg), DBK-Bereichsleiter Matthias Meyer sowie Glück und die Sozialethikerin Marianne Heimbach-Steins.


Das erste Treffen der Arbeitsgruppe "Priester und Laien in der katholischen Kirche", an der auch Bischof Franz-Josef Bode, Weihbischof Wolfgang Bischof (München), und DBK-Bereichsleiter Thomas Roddey, sowie der Universitätspräsident Andreas Lob-Hüdepohl und Hans-Georg Hunstig als Sprecher des ZdK-Arbeitskreises "Pastorale Grundfragen" beteiligt sind, fasste Vizepräsidentin Claudia Lücking-Michel zusammen. Die drei ZdK-Mitglieder hätten vorgebracht, dass sich die einen nicht auf Kosten der anderen profilieren dürften, das Verhältnis vielmehr von einem "gegenseitigen Sich-Fordern und Sich-Fördern" geprägt sein müsse. Mit den Worten des Grazer Pastoraltheologen Rainer Bucher: Alles, was Laien abwerte, sei insofern fatal, als eine "höchst ambivalente Doppelbotschaft" gesendet werde: Wer eine rechtliche, ständisch denkende Unterstützung brauche, werde als schwach identifizierbar.

Die entscheidenden Fragen, so Lücking-Michel, könne man dabei nicht ohne die Perspektive der Frauen besprechen. Diese litten zunehmend darunter, dass sie sowohl bei Gottesdienstbesuch als auch beim ehrenamtlichen Engagement deutliche Mehrheiten stellen, die Kirche aber von Männern geleitet wird. Bereits im vergangenen Jahr hatten sich Frauen im ZdK zu einer eigenen "Konferenz" zusammengeschlossen (vgl. auch HK, März 2011, 129 ff.). Sie haben jetzt, unterschrieben von 32 ZdK-Mitgliedern, darunter einzelnen Männern, einen eigenen Antrag eingebracht, in dem eine Reihe von konkreten Erwartungen aufgestellt werden. Im Wesentlichen geht es in dem Papier um die Mitwirkung bei kirchlichen Entscheidungen, bis hin zur Transparenz des kirchlichen Finanzgebarens.

Das Hirtenwort der deutschen Bischöfe "Zu Fragen der Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft" aus dem Jahr 1981 sei immer noch nicht hinreichend rezipiert, wird darin beklagt. Frauen würden bisher nicht entsprechend ihrer Qualifikation, Kompetenz und Zahl bei kirchlichen Führungspositionen berücksichtigt. Gelegentlich ist auch von Bischöfen wie Kurienvertretern zu hören, dass Frauen innerhalb des kirchenrechtlich Erlaubten mehr Mitwirkungsmöglichkeiten, etwa durch die Besetzung von Leitungsfunktionen, eingeräumt werden müssten. Diese Forderung wird in dem Papier so gewendet, dass alle Stellen innerhalb der katholischen Kirche, für die nicht zwingend das Weiheamt erforderlich sei, auch nicht mit einem Priester besetzt werden dürften. Notwendig sei dann freilich auch eine nachhaltige Personalentwicklung für Haupt- und Ehrenamtliche.

Zudem solle die Kirche Frauen das Diakonat öffnen, da die diakonische Arbeit in der Kirche ohnehin überwiegend von Frauen geleistet werde. Schließlich heißt es in dem Text: "Das ZdK setzt sich dafür ein, Formen der kooperativen Gemeindeleitung in den Bistümern einzuführen und Frauen an kooperativer Gemeindeleitung gleichberechtigt zu beteiligen."


Gradmesser für Glaubwürdigkeit

Im Vorfeld war umstritten, ob der Antrag bereits bei der Frühjahrsvollversammlung abschließend diskutiert werden sollte. Die Kompromissformel, der schließlich alle zustimmten, lautet: Die Vollversammlung macht sich "das Anliegen eines partnerschaftlichen Zusammenwirkens von Mann und Frau in der Kirche zu eigen" und akzeptiert den Text als Grundlage für die weiteren Beratungen. Angesichts der Tatsache, dass von den knapp zwei Dutzend Rednern, die unmittelbar zu Beginn der Debatte bereits ihren Beitrag angemeldet hatten, kein einziger gegen das Papier plädierte, und zudem die Zahl der Unterzeichner während der Debatte bereits auf 123 angewachsen ist, bleibt offen, inwieweit es zu wesentlichen Änderungen kommen wird.

In der Aussprache wurde auch noch einmal die Bedeutung des Themas, immerhin schon von Johannes XXIII. vor einem halben Jahrhundert als paradigmatisches "Zeichen der Zeit" herausgestellt, deutlich. Ob Frauenverbandsvertreterin, Medienprofi, Politiker oder Lehrerin junger Männer an beruflichen Schulen: Sie alle hoben hervor, dass die Frauenfrage keinesfalls Spezialthema einer innerkirchlichen Splittergruppe, sondern inzwischen in der Breite der Gesellschaft zum Gradmesser für die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche geworden sei.


Plädoyer für eine lebensnahe Ökumene

Eine mehrfach geäußerte Erwartung im Erfurter Kaisersaal war in diesem Zusammenhang, dass der Dialogprozess innerhalb der deutschen Kirche beim Papstbesuch im Herbst des Jahres nicht einfach ausgeblendet wird. Wie sich die Kirche im Vorfeld des Papstbesuches präsentiere, ob der Dialogprozess bis September bereits erste Früchte trage, werde zur Hintergrundfolie der Berichterstattung in den deutschen Medien, mahnte etwa ZDF-Chefredakteur Peter Frey.

Besonders interessant war angesichts dieser Einschätzungen ein Gespräch am Folgetag mit Bischof Josef Clemens, Sekretär des Päpstlichen Laienrates, der über die Vorbereitungen des Weltjugendtags in Madrid referierte. Die Begegnung war vor allem atmosphärisch von Bedeutung, weil Clemens nicht nur die Institution Katholikentag lobte, die auch nach dem Willen der Bischofskonferenz im Dialog eine herausgehobene Rolle spielen soll, sondern auch ankündigte, der Laienrat wolle sich an diesem Prozess der Bischöfe mit einer Veranstaltung für alle deutschsprachigen Ortskirchen im Jahr 2014 beteiligen. Das Thema: die geistlichen Aufbrüche in der Kirche.


Neben der Rolle der Frau in der Kirche markierte Glück folgende thematischen Schwerpunkte im Dialogprozess aus Sicht des ZdK: das Anliegen lebendiger Gemeinden vor Ort; die "Sprach- und Handlungsunfähigkeit in Fragen der kirchlichen Sexualmoral" (vgl. dieses Heft, 303 ff.); die Suche nach Wegen der Barmherzigkeit für Menschen, die geschieden und wiederverheiratet sind; das Ernstnehmen von Laien als mündigen Christen (vgl. auch das Referat von Lücking-Michel bei der Tagung der Gemeinsamen Konferenz von DBK und ZdK im November 2010 auf der Website zum Dialogprozess).

Ferner nannte er die Ökumene, die gleichfalls Thema der Vollversammlung war. Ihr wurde eine eigene Vorlage mit dem Titel "Um der Menschen willen! - Plädoyer für eine lebensnahe Ökumene" gewidmet, die am Ende - ebenfalls nach Diskussionen darüber, ob man das Ansinnen nicht bis in den November vertagen wolle, verabschiedet wurde. Es mache Sorgen, dass die meisten Christen nicht mehr bereit seien, auf die Umsetzung theologischer Fortschritte der ökumenischen Gespräche zu warten, heißt es in dem Text. Ausdrücklich mit Blick auf die Verhältnisse in den Gemeinden formuliert ("Was tut not im ganz konkret gelebten Miteinander der Konfessionen?"), steht deshalb die Intensivierung des bisher Möglichen, gerade auch beim diakonischen Engagement, im Mittelpunkt des Interesses. Insgesamt benötige es aber auch mehr ökumenische Bildung und - in Vorbereitung auf das Jahr 2017 und angesichts des genius loci in Erfurt - die mutige Fortführung der "ernsthaften und ehrlichen Neubewertung der Reformation und der Person Martin Luthers aus katholischer Sicht (...), wie sie schon vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil begonnen wurde".

Hinzu kommt aber auch die Erwartung, dass klarer geregelt werde, wann Nichtkatholiken nicht nur innerhalb der pastoralen Praxis, sondern auch offiziell zum Kommunionempfang zugelassen werden können. Mit Blick auf die Bestimmungen für den Einzelfall in Notsituationen (can. 844/CIC) heißt es, dass die hierdurch eröffneten Wege den Gläubigen nicht vom Gutdünken der Seelsorger abhängig machen dürften. Es brauche allgemein geltende, rechtlich verbindende Regelungen, das gelte besonders für konfessionsverbindende Ehepaare.


Glück zeigte sich bei der Vollversammlung positiv überrascht, wie der Dialogprozess in den vergangenen Wochen angelaufen sei. Er hob hervor, dass es zur Rolle des ZdK gehöre, unterschiedliche Anliegen zusammenzuführen und im Gespräch zu vermitteln. Schon bei der Aussprache über die Anliegen der Frauenkonferenz, aber auch bei der Diskussion über das Ökumenepapier ging es freilich im Wesentlichen weniger um Differenzen bei der Ausrichtung des Prozesses, sondern mehr um dessen Geschwindigkeit - und darum, welches strategische Vorgehen mit Blick auf die Ziele sinnvoll ist. Das ZdK hat sich in Erfurt für einen Dialog der kleinen, aber nicht minder beharrlichen Schritte entschieden.

Stefan Orth, Redakteur Dr. theol., geboren 1968 in Duisburg. Studium der Katholischen Theologie in Freiburg, Paris und Münster. 1998 Promotion. Seit 1998 Redakteur der Herder Korrespondenz.
orth@herder.de


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Quelle:
Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion,
65. Jahrgang, Heft 6, Juni 2011, S. 278-281
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. August 2011