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KIRCHE/1627: Neue Transparenz und Reformanstrengungen bei den Vatikanfinanzen (Herder Korrespondenz)


Herder Korrespondenz
Monatshefte für Gesellschaft und Religion - 2/2014

Noch ein weiter Weg
Neue Transparenz und Reformanstrengungen bei den Vatikanfinanzen

Von Ralph Rotte



In seiner bisherigen Amtszeit legte Papst Franziskus einen Schwerpunkt auf die Reform des vatikanischen Finanzwesens. Er setzte damit Bemühungen seines Vorgängers fort. Man ist inzwischen durch eine Vielzahl von Initiativen unterwegs zu größerer Transparenz, Effizienz und Nachhaltigkeit bei den vatikanischen Finanzen. Ob die bisher ergriffenen Maßnahmen erfolgreich sein werden, muss sich erst noch zeigen.


Benedikt XVI. widmete sich bereits verhältnismäßig kurz nach seinem Pontifikatsantritt den Problemen des vatikanischen Finanzwesens und insbesondere dem Istituto per le Opere di Religione (IOR), der Vatikanbank. Hintergrund waren insbesondere die verschiedenen bekannten Skandale um das IOR seit den siebziger Jahren, Korruptions-, Geldwäsche- und Steuerhinterziehungsvorwürfe insbesondere gegenüber dem italienischen Klerus und Mafia-nahen Funktionären der ehemaligen Democrazia Cristiana sowie entsprechende journalistische Enthüllungen, die in den Medien Furore machten und die Glaubwürdigkeit der Kirche untergruben.

Neben verschiedenen personellen Neuberufungen in den finanziellen Leitungsgremien und Regeländerungen für die Kontoführung kirchlicher Institutionen am IOR war eine Stoßrichtung Benedikts XVI. die verstärkte Kontrolle der vatikanischen Finanzinstitutionen. So wurde Anfang 2010 der Leiter der Güterverwaltung des Heiligen Stuhls (APSA) mit der Aufsicht des IOR und der Kongregation für die Evangelisierung der Völker/Propaganda Fide (PF) beauftragt. 2011 wurde die vatikanische Finanzaufsichtsbehörde (AIF) ins Leben gerufen, die die Dikasterien und Behörden von Vatikanstaat und Heiligem Stuhl bei der Einhaltung verschärfter Normen gegen Geldwäsche und Finanzierung von organisierter Kriminalität und Terrorismus (Gesetz Nr. 127 des Vatikanstaats vom Dezember 2010 sowie entsprechendes Motu Proprio für den Heiligen Stuhl) überwachen soll.


Ergänzt beziehungsweise motiviert wurden diese Maßnahmen durch eine verstärkte internationale Kooperation. Diese zeigte sich vor allem im Abkommen des Vatikanstaats mit der Europäischen Union über die Ausgabe vatikanischer Euro-Münzen unter der Voraussetzung der Einhaltung internationaler Standards bei seinen Finanzgeschäften von 2009 und in der Bereitschaft zur Evaluation des päpstlichen Finanzwesens durch die internationale Organisation Moneyval seit 2011, welche sich an den Standards der Financial Action Task Force (FATF) der OECD orientiert. Zudem trat der Heiligen Stuhl Anfang 2012 dem Internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus von 1999, der UN-Konvention gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität von 2000 sowie der UNO-Konvention gegen den unerlaubten Handel mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen von 1988 bei. Der Mitte 2012 veröffentlichte erste Bericht von Moneyval bescheinigte dem Heiligen Stuhl und dem Vatikanstaat entsprechend auch durchaus bedeutende Fortschritte bei der Bekämpfung illegaler Finanztransaktionen.


Hemmnisse für eine echte und nachhaltige Finanzreform

Diesen Maßnahmen und Erfolgen stehen jedoch verschiedene Rückschläge gegenüber. So gingen die Ermittlungen der italienischen Steuerbehörden und Staatsanwaltschaft gegen das IOR weiter. Im Mai 2012 wurde der neue Generaldirektor des IOR, Ettore Tedeschi, durch ein einstimmiges Misstrauensvotum des Aufsichtsrats zum Rücktritt gezwungen, was auf deutliche innerkuriale Widerstände gegen seine auf mehr Transparenz und Kooperation mit Italien gerichteten Reformmaßnahmen hindeutete. Im Januar 2012 wurde das Gesetz Nr. 127 durch das Dekret CLIX des Govermaturats verwässert, indem die Koordination der Geldwäschebekämpfung zwischen Vatikanstaat und Heiligem Stuhl sowie die diesbezügliche internationale Zusammenarbeit dem Staatssekretariat übertragen und die Rolle der AIF geschwächt wurde.

Die ersten Jahresberichte der AIF verzeichneten denn für 2011 und 2012 auch lediglich einen beziehungsweise sechs registrierte Fälle verdächtiger Finanztransaktionen sowie sieben beziehungsweise drei Nachfragen bei entsprechenden Hinweisen, die 2012 zu zwei Anzeigen bei den vatikanischen Strafverfolgungsbehörden führten. Während in beiden Jahren je eine Anfrage an ausländische Behörden gestellt wurden, gingen aus dem Ausland (Italien) drei beziehungsweise sieben entsprechende Auskunftsgesuche ein.

Als konkrete Hemmnisse einer echten und nachhaltigen Finanzreform im Vatikan werden insbesondere folgende Punkte immer wieder genannt: die wachsende Zentralisierung von Regelungskompetenzen der katholischen Kirche bei einer Kurie, die überkomplex, hochbürokratisch organisiert ist; ihre damit verbundene Überforderung, Ineffizienz und Intransparenz; die mangelnde Kommunikation und Kooperation der vatikanischen Behörden; die innerkurialen Machtkämpfe um Aufstiegschancen und Einfluss auf päpstliche Entscheidungen; sowie die damit verbundene Etablierung und Förderung von antagonistischen Karriere- und Verteilungsallianzen mit dem korrumpierenden Rückgriff auf finanzielle Ressourcen als Instrument der Loyalitäts- und Einflusssicherung, insbesondere im Zusammenhang von Kurie und italienischem Episkopat und Klerus.


Ohne dass hierüber ein abschließendes Urteil abgegeben werden kann, scheint das "System Bertone" symptomatisch für diese Problematik zu sein: So hat der ehemalige Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone offenbar wiederholt versucht, durch eine Stärkung seines Zugriffs auf die päpstlichen Finanzen, etwa durch das Dekret CLIX, eine entsprechende Personalpolitik und dessen Nutzung seinen Einfluss in der Kurie zu stärken, in der er mangels diplomatischer Ausbildung und Karriere stets als "Outsider" betrachtet wurde. Die resultierenden Seilschaften und die Korruption in der Kurie führen offensichtlich dazu, dass jede auf Transparenz und Effizienz ausgerichtete Finanzreform auf teilweise massiven Widerstand stoßen muss.

Während Benedikt XVI. somit während seines Pontifikats durchaus intensiv mit den Problemen des päpstlichen Finanzwesens und insbesondere des IOR befasst war, waren die von ihm ergriffenen Reformmaßnahmen zwar zielführend, vermieden jedoch, wohl auch aufgrund des faktischen Widerstands beziehungsweise der Verschleppung durch Teile der Kurie, insgesamt ein konsequentes Durchgreifen gegen Korruption, Geldwäsche und illegale Finanzgeschäfte. Trotz der richtungsweisenden finanzpolitischen Reformansätze und insbesondere der Öffnung für internationale Finanzkooperation blieb der Problemkomplex der vatikanischen Finanzpolitik bis zum Amtsantritt von Franziskus letztlich weiterhin bestehen.

Das Pontifikat Benedikts XVI. ordnet sich damit hinsichtlich der (Re-) Organisation des vatikanischen Finanzwesens mehr oder weniger nahtlos in die Tradition seiner Vorgänger ein, die mangels genuinem Interesse an der Finanzpolitik und angesichts innerkurialer Widerstände nicht willens oder fähig waren, eine echte, umfassende Reform durchzusetzen und die päpstlichen Finanzinstitutionen und ihr Gebaren über augenfällig notwendige Kurskorrekturen hinaus von Grund auf umzugestalten.


Neueste vatikanische Bilanzdaten

Dabei ist offensichtlich, dass der Heilige Stuhl und der Staat der Vatikanstadt in ihrer Funktionsweise als weltlich-materielle Basis der katholischen Weltkirche auf gesunde, nachhaltige Finanzen angewiesen sind und bleiben. Die Mitte 2013 von der Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls veröffentlichten neuesten Bilanzdaten geben nicht nur über die Haushalte der Kurie und des Vatikanstaats für vatikanische Verhältnisse relativ umfassende Auskunft, sondern auch über die assoziierten pastoralen und karitativen Aktivitäten des Heiligen Stuhls, die über gesonderte Organisationen und Institutionen ebenfalls unter der formalen Leitung des Papstes stehen. Sie weisen für das Jahr 2012 für den Heiligen Stuhl (Kurie) mit dem Staatssekretariat, neun Kongregationen, drei Gerichtshöfen, fünf Medieneinrichtungen, elf Päpstlichen Akademien und zwölf Päpstlichen Räten Einnahmen von 250,7 Millionen Euro und Ausgaben von 248,5 Millionen Euro aus, mithin einen Haushaltsüberschuss von 2,2 Millionen Euro.

46 Prozent der Einnahmen wurden durch Anlageerträge generiert, 35 Prozent durch Spenden inklusive Diözesanbeiträge, 9 Prozent durch andere geschäftliche Aktivitäten und 10 Prozent durch sonstige Quellen. Das IOR leistete gut 50 Millionen Euro an den Heiligen Stuhl. Auf der Ausgabenseite schlugen die Personalausgaben für 2833 Angestellte mit 62 Prozent zu Buche, gefolgt von 20 Prozent Dienstleistungen und Einkäufen, 6 Prozent Steuern und Abgaben und 12 Prozent sonstigem Aufwand. Neben dem Personal waren die sozialen Medien einschließlich der Zuschüsse etwa für Radio Vatikan sowie Steuern die bedeutendsten Ausgabenposten, wobei die neu eingeführte italienische Immobiliensteuer zu einem Mehraufwand von fünf Millionen Euro gegenüber 2011 führte.


Der Bereich pastoraler Aktivitäten des Heiligen Stuhls, der bilanztechnisch von der Kurie getrennt ist, wies 2012 Einnahmen in Höhe von 73,9 Millionen Euro auf, die zu 37 Prozent aus kommerziellen Aktivitäten, 18 Prozent aus Kapitalerträgen, 12 Prozent aus Spenden und 32 Prozent aus anderen Quellen stammten. Unter die seelsorgerischen Tätigkeiten des Heiligen Stuhls fallen unter anderem Kosten für Personal, Gottesdienste und Beichtangebote in den päpstlichen Basiliken (etwa im Petersdom), Heiligtümer und die päpstliche Pfarrgemeinde der Diözese von Rom (mit rund 1200 Priestern). Die damit verbundenen Ausgaben betrafen 2012 zu 34 Prozent Personalkosten, 22 Prozent Dienstleistungen und Beschaffungswesen, 17 Prozent Ressourcen für Priester und 26 Prozent Sonstiges. Das resultierende Jahresergebnis war ein Überschuss von 1,8 Millionen Euro.

Die ebenfalls separat ausgewiesenen karitativen Aktivitäten konstituieren einen Bilanzposten, der 2012 276,7 Millionen Euro an Einnahmen (darunter der Peterspfennig) und 274,1 Millionen Euro an Ausgaben, somit einen Saldo von +2,6 Millionen Euro aufwies. Beteiligte Institutionen sind die in mehr als 150 Ländern vertretenen Päpstlichen Missionswerke, das Hilfswerk der Franziskaner im Heiligen Land, Caritas Internationalis, der Päpstliche Wohltätigkeitsdienst (Elemosineria Apostolica) mit dem Päpstlichen Almosenpfleger im Range eines Erzbischofs an der Spitze, die Stiftung "Hilfe für die Kirche in Not" sowie R.O.A.C.O. (Riunione delle Opere di Aiuto alle Chiese Orientali), die Vereinigung der Hilfswerke für die Kirchen im Orient der Ostkirchenkongregation. Die eingenommenen Mittel stammten 2012 zu 98,1 Prozent aus Spenden; sie wurden zu 92,1 Prozent für karitative Zwecke ausgeschüttet.


Ein stattliches jährliches Gesamtbudget

Der Vatikanstaat mit dem Vikariat des Staates (Staatsverwaltung), neun Direktionen, sechs Ämtern, dem Staatsarchiv und dem vatikanischen Observatorium nahm 2012 261,5 Millionen Euro ein und verausgabte 238,4 Millionen Euro, schloss das Haushaltsjahr also mit einem Überschuss von 23,1 Millionen Euro ab. 83,7 Prozent der Einnahmen stammten aus kommerziellen Aktivitäten (wie dem Eintritt für die Vatikanischen Museen), 1,5 Prozent aus Anlagen und 14,8 Prozent aus sonstigen Quellen. Die Ausgaben wurden zu 62 Prozent für 1936 Angestellte aufgewandt, 20 Prozent für Dienstleistungen und Beschaffung, 6 Prozent für Steuern und Abgaben sowie 12 Prozent für Sonstiges.

Fasst man diese Zahlen zusammen, so verfügt der Papst als Oberhaupt der katholischen Kirche, der Kurie und des Staats der Vatikanstadt alles in allem über ein jährliches Gesamtbudget von rund 860 Millionen Euro. In dieser Summe ist natürlich nicht das Vermögen des Heiligen Stuhls und des Vatikanstaats inbegriffen, das neben dem Stiftungskapital aus dem Lateranvertrag von 1929 (insgesamt 1,75 Milliarden LIT oder rund 90 Millionen US-Dollar) und dem umfangreichen Immobilienbesitz in Italien auch die unschätzbaren Kunstwerke der Vatikanischen Museen und der Vatikanstadt umfasst.


Der Umfang dieses Vermögens, über das es keine offiziellen Informationen gibt, wurde 2008 auf der Basis kolportierter vertraulicher kurialer Berichte in der Presse auf Barreserven von 340,6 Millionen Euro, Wertpapiere und Aktien im Wert von 520 Millionen Euro, Gold für 19 Millionen Euro sowie Auslandsinvestitionen in Höhe von 500 Millionen Britischen Pfund, vor allem in Form von Immobilien in Großbritannien, Frankreich und der Schweiz im Wert von 424 Millionen Euro geschätzt. Dazu kommen rund 50 000 Immobilien in Italien, darunter angeblich allein in Rom 800 Schulen, 65 Privatkliniken und 43 Internate. Schon die PF soll Immobilien im Wert von 53 Millionen Euro besitzen. Das angelegte Lateran-Stiftungskapital soll laut der britischen Tageszeitung The Guardian mittlerweile 680 Millionen Euro wert sein.


Franziskus war prädestiniert für eine radikale Reform

Noch als Kardinal Bergoglio hielt Papst Franziskus im Konklave 2013 eine offenbar beeindruckende Brandrede gegen die Selbstbezogenheit der Kirche, die "(...) Jesus für sich drinnen [beansprucht] und (...) ihn nicht nach außen treten [lässt]. (...) Es gibt zwei Kirchenbilder: die verkündende Kirche, die (...) das Wort Gottes ehrfürchtig vernimmt und getreu verkündet; und die mondäne Kirche, die in sich, von sich und für sich lebt. Dies muss ein Licht auf die möglichen Veränderungen und Reformen werfen, die notwendig sind für die Rettung der Seelen". Laut Franziskus ist die Kirche "kein Geschäft, keine Hilfsorganisation, keine Nichtregierungsorganisation oder Hilfsorganisation" und muss sich entsprechend auch in ihren weltlich-materiellen Aktionsfeldern wie eben der Finanzpolitik auf ihre eigentliche, auf Evangelisierung und Nächstenliebe ausgerichteten Aufgaben zurückbesinnen.

Franziskus führt dabei die vehement antikapitalistische Kritik an einem entmenschlichten gewinnorientierten Wirtschaftssystem weiter, die bereits von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. deutlich geäußert wurde. So betonte er etwa in seinem ersten Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium vom 24. November 2013: "Wir haben neue Götzen geschaffen. Die Anbetung des antiken goldenen Kalbs (...) hat eine neue und erbarmungslose Form gefunden im Fetischismus des Geldes und in der Diktatur einer Wirtschaft ohne Gesicht und ohne ein wirklich menschliches Ziel. Die weltweite Krise, die das Finanzwesen und die Wirtschaft erfasst, macht ihre Unausgeglichenheiten und vor allem den schweren Mangel an einer anthropologischen Orientierung deutlich - ein Mangel, der den Menschen auf nur eines seiner Bedürfnisse reduziert: auf den Konsum. (...) Während die Einkommen einiger weniger exponentiell steigen, sind die der Mehrheit immer weiter entfernt vom Wohlstand dieser glücklichen Minderheit. Dieses Ungleichgewicht geht auf Ideologien zurück, die die absolute Autonomie der Märkte und die Finanzspekulation verteidigen." Von seinem theologischen und persönlichem Hintergrund, der nicht zuletzt durch jesuitische Prinzipientreue und Pragmatismus geprägt ist, scheint Franziskus daher prädestiniert für eine radikale Reform der vatikanischen Finanzpolitik.


Aufbauend auf den Maßnahmen Benedikts XVI. legte Papst Franziskus nach seiner Wahl im März 2013 tatsächlich ein augenfälliges Tempo bei Fragen der vatikanischen Finanzreform an den Tag. Obwohl er Kardinalstaatssekretär Bertone zunächst im Amt bestätigte, wurde durch die Einsetzung einer Kommission aus acht Kardinälen für Fragen der Reform der Kurie im April 2013 deutlich, dass Franziskus sich sehr wohl des Problems der innervatikanischen Konflikte und Machtkämpfe bewusst ist. Vor diesem Hintergrund auffällig bei der Besetzung des Kardinalsrats ist die dezidiert weltkirchliche und in diesem Sinne "antivatikanische" Orientierung: Außer Kardinal Giuseppe Bertello (Präsident der Kardinalskommission für den Staat der Vatikanstadt) und dem Bischof von Albano, Marcello Semeraro, gehören ihr keine Angehörigen der Kurie oder des italienischen Episkopats an, sondern Vertreter der Kirche aus allen Kontinenten, davon zwei aus Lateinamerika. Bezüglich der vatikanischen Finanzen überlegt dieses Gremium offenbar, die verschiedenen, zur Zeit mit der Einnahme und Verwendung von Geldmitteln befassten Behörden der Kurie unter dem Dach eines einzigen Finanzministeriums nach dem Vorbild eines etablierten Staates zusammenzufassen und so Transparenz und Kontrolle des Finanzgebarens zu optimieren.


Veränderungen in den institutionellen Rahmenbedingungen

Ende Juni 2013 setzte Franziskus eine Kommission zur Reform des IOR ein, die nach Einsicht in alle Akten des IOR einen Bericht an den Papst über Möglichkeiten einer besseren Anpassung der Geschäfte an den "universalen Auftrag des Heiligen Stuhls" verfassen soll. Ihre Mitglieder sind die Kurienkardinäle Raffaele Farina und Jean Louis Tauran, zwei Vertreter der Justiz- und der Innenbehörde des Vatikanstaats sowie die US-Juristin Mary Ann Glendon, bis 2009 Botschafterin der USA beim Heiligen Stuhl und danach Professorin an der Harvard University. Selbst eine Schließung und Abwicklung des IOR soll dabei eine mögliche, von der Kommission zu prüfende Option sein.

Kurz darauf erfolgte der Rücktritt des IOR-Generaldirektors Paolo Cipriani und seines Stellvertreters Massimo Tulli wegen Korruptionsermittlungen, nachdem zuvor der Chef-Buchhalter der APSA, Nunzio Scarano, wegen Korruption, Betrug und Verleumdung vom Heiligen Stuhl suspendiert und von den italienischen Behörden festgenommen worden war (vgl. HK, August 2013, 382). Er hatte laut römischer Staatsanwaltschaft versucht, 20 Millionen Euro aus der Schweiz nach Italien zu schmuggeln. Als Nachfolger Ciprianis übernahm der im Februar 2013 noch von Benedikt XVI. ernannte Aufsichtsratsvorsitzende Ernst von Freyberg bis zur Ende November 2013 erfolgten Ernennung des zuvor stellvertretenden Generaldirektors Rolando Marranci kommissarisch die Geschäftsleitung des IOR. Der Jurist, Finanzberater und Industriemanager ist der Kirche und dem Papst unter anderem als aktives Mitglied des Hospitaliterordens eng verbunden. Seine Bemühungen um eine neue Transparenz und Offenheit des IOR äußerten sich augenfällig darin, dass am 31. Juli 2013 eine eigene Website des IOR freigeschaltet wurde, die zum ersten Mal konkrete Informationen über deren Geschäfte und Personal bietet.


Die im Frühjahr 2013 vorgestellte erste öffentliche Jahresbilanz des IOR für 2012 weist 18 900 Kunden des Instituts aus, nach umfangreicher Schließung "inaktiver" Konten ein Rückgang um über 2000 im Vergleich zu 2011. Die Einlagen umfassen rund 6,3 Milliarden Euro, in etwa jeweils zur Hälfte in einfachen Girokonten und in von der Bank betreuten investiven Portfolios. 2012 erwirtschaftete das IOR aufgrund geschickter Anlagepolitik und der steigenden Aktienkurse einen Nettogewinn von 86,6 Millionen Euro, nach 20,3 Millionen Euro im Jahr 2011. 54,7 Millionen Euro wurden an den Heiligen Stuhl überwiesen, der Rest des Gewinns wurde als allgemeine Risikoreserve zurückgestellt.

Weitere Veränderungen betrafen unmittelbar die institutionellen Rahmenbedingungen des päpstlichen Finanzwesens. Anfang Juli 2013 wurde die AIF als Mitglied in die Egmont Group, einen 1995 gegründeten losen Zusammenschluss von über 130 FIUs (Financial Intelligence Units), also nationalen Behörden, die mit der Bekämpfung von Finanzkriminalität befasst sind, aufgenommen. Anfang Dezember 2013 schloss die AIF ein Memorandum of Understanding mit der deutschen FIU, der Zentralstelle für Verdachtsmeldungen des Bundeskriminalamtes, zur Standardisierung und Formalisierung der bilateralen Kooperation. Zuvor waren bereits analoge Abkommen mit Behörden der USA, Belgiens, Italiens, Spaniens, Sloweniens und der Niederlande unterzeichnet worden.

Mitte Juli 2013 erweiterte Franziskus die Zuständigkeiten der Gerichtsbarkeit des Vatikanstaats auf Delikte des organisierten Verbrechens und der Finanzkriminalität. Außerdem etablierte er eine Päpstliche Kontrollkommission für die vatikanische Güter- und Finanzverwaltung. Anfang August 2013 erfolgte die Verpflichtung aller Dikasterien und Einrichtungen des Heiligen Stuhls auf die Einhaltung der Gesetze des Vatikanstaats hinsichtlich der Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, der Maßnahmen gegen die Gefährdung des internationalen Friedens und der vorsorglichen Überwachung von Institutionen, die mit Finanztransaktionen befasst sind. Als Aufsichtsbehörde zur Durchführung der letzteren wurde die AIF bestätigt.

Zudem verfügte Franziskus die Einrichtung eines Komitees zur Finanzsicherheit, das die Tätigkeiten aller Behörden von Heiligem Stuhl und Vatikanstaat im Hinblick auf die Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Proliferation von Massenvernichtungswaffen koordinieren soll. Seit Oktober 2013 wird die AIF in ihrer Arbeit durch die Promontory Financial Group, ein international tätiges Finanzberatungsunternehmen, unterstützt.


Härtere Linie der Finanzaufsicht

Ergänzend dazu wurde von Franziskus im Juli 2013 eine Päpstliche Kommission für Fragen der Organisation der wirtschaftlichen und administrativen Strukturen des Heiligen Stuhls ins Leben gerufen. Die Kommission soll Informationen sammeln und in Kooperation mit dem Kardinalsrat Reformvorschläge für die Institutionen des Heiligen Stuhls erarbeiten, mit dem Ziel der "simplification and rationalisation of the existing bodies and more careful planning of the economic activities of all the Vatican Administrations". Die Kommission besteht aus acht Experten für rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle und organisatorische Fragen, die bereits als Gutachter oder Berater des Vatikans oder anderer kirchlicher Einrichtungen tätig waren.

Außer dem Sekretär der Präfektur für Wirtschaftliche Angelegenheiten gehören ihr nur Laien an, von denen sechs aus Europa (Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland, Malta) und einer aus Singapur stammen. Auch diese Maßnahme unterstreicht den offensichtlichen Reformbedarf der Kurie, nicht nur unter Effizienzgesichtspunkten, sondern auch aus Erwägungen der politischen Stringenz und Konsistenz heraus.


Schließlich deutet die Ende August 2013 verlautbarte Ankündigung der Ersetzung Kardinal Bertones durch Erzbischof Pietro Parolin als Staatssekretär an, dass Franziskus der Reform der Kurie und damit der Finanzverwaltung und dem IOR eine klare Priorität in seinem Amtsverständnis einräumt. Mit der Wahl Parolins löste der Papst nicht nur eine offenbar zentrale Figur des kurialen Intrigenspiels ab, sondern machte einen relativ jungen, aber erfahrenen Diplomaten zum zweiten Mann des Heiligen Stuhls, der sowohl aus Sicht der Kurie als auch aus der der Weltkirche akzeptabel ist. Dafür spricht auf der einen Seite seine langjährige Tätigkeit in der Zweiten Sektion des Staatssekretariats (Sektion für die Beziehungen zu den Staaten) (1992-2009) und auf der anderen seine Erfahrung als Diplomat in Nigeria, Mexiko (1986-1992) und (als Nuntius) in Venezuela (2009- 2013). Im Gegensatz zum patronageorientierten "Outsider" Bertone weist er damit ein deutliches Potenzial für eine neue integrierende Rolle des Kardinalstaatssekretärs auf, die ganz im Sinne Franziskus' sein dürfte.

All diese Maßnahmen scheinen bereits erste Früchte zu tragen. So kündigte der Leiter der AIF, René Brülhart, Mitte November 2013 an, dass die von der AIF erfassten und der vatikanischen Staatsanwaltschaft übermittelten Verdachtsfälle illegaler Finanzgeschäfte im Gegensatz zu den Vorjahren deutlich gestiegen seien. Unbestätigte Medienberichte weisen zudem darauf hin, dass es die neue härtere Linie der vatikanischen Finanzaufsicht war, die dazu geführt hat, dass mehrere hundert Konten beim IOR mit bis zu dreihundert Millionen Euro an Einlagen von ihren Inhabern gekündigt worden sind. Mitte Dezember 2013 veröffentlichte Moneyval seinen Zwischenbericht zur vatikanischen Finanzreform und stellte fest, dass in kurzer Zeit viele technische und rechtliche Empfehlungen umgesetzt worden sind. Von 16 zentralen Vorgaben wurden gemäß der Evaluierung bislang eine vollständig, acht weitgehend, fünf teilweise und lediglich zwei kaum erfüllt.


Letztere betreffen die Überwachung von Finanztransaktionen und das Einfrieren von Guthaben mit vermutetem terroristischen Hintergrund. Ursache hierfür ist die noch begrenzte effektive Durchsetzungsfähigkeit der AIF aufgrund von Defiziten hinsichtlich Personal, Expertise und formalen Durchgriffsmöglichkeiten gegenüber den verschiedenen anderen Behörden des Heiligen Stuhls und des Vatikanstaates. Entsprechend hat die AIF noch keine formale Inspektion des IOR oder der APSA realisieren können. Dennoch wird in dem Bericht neben der verstärkten internationalen Zusammenarbeit und der Verschärfung der vatikanischen Strafgesetzgebung vor allem begrüßt, dass die Autonomie der AIF wiederhergestellt worden ist. Moneyval zeigte sich daher insgesamt sehr zufrieden mit den bisher erzielten Fortschritten bei der Reform des vatikanischen Finanzsektors.


Umgestaltungsmaßnahmen auf möglichst breiter Basis

Bereits Ende Oktober 2013 konnte Radio Vatikan entsprechend auch vermelden, dass der Vatikan von der in London und Brüssel ansässigen Rating-Agentur Standard Ethics heraufgestuft worden sei, welche sich vor allem der Evaluation der ethischen und sozialen Nachhaltigkeit des Investitionsverhaltens und der corporate governance von Unternehmen und Staaten widmet. Nicht verhehlt werden darf dabei jedoch, dass das Rating nach der Verbesserung von "EE-" (der Wertung, die gegenwärtig Staaten wie Belgien, Brasilien, Bulgarien, Mexiko, Polen, Rumänien oder Südafrika haben) auf "EE" ("durchschnittlich") nun dem Niveau von Tschechien, Griechenland, Italien, Japan, der Slowakei oder Portugal entspricht und noch weit von der Bestmarke "EEE" (gegenwärtig für Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden) entfernt ist (Deutschland, Österreich, die Niederlande und die USA stehen bei "EEE-").

Das Rating von Standard Ethics ist damit symptomatisch für den gegenwärtigen Stand der vatikanischen Finanzreformen: Man ist durch eine Vielzahl an Initiativen sicherlich auf dem Weg zu größerer Transparenz, Effizienz und Nachhaltigkeit, doch dieser Weg zu einem tatsächlich korruptionsfreien, am eigentlichen ethisch-moralischen Auftrag der Kirche orientierten Finanzwesen erscheint noch weit. Ob Franziskus mit den bisher ergriffenen Maßnahmen tatsächlich erfolgreich sein wird, muss sich angesichts der Widerstände, die auch den Anstrengungen zur Finanzreform Benedikts XVI. erhebliche Hindernisse in den Weg legten, im weiteren Verlauf seines Pontifikats erst noch zeigen. Der zumindest passive Widerstand von Teilen der Kurie ist zweifellos nicht zu unterschätzen.

Mitte Januar schließlich hat Franziskus die Kardinalskommission zur Aufsicht über die Vatikanbank IOR neu besetzt. Von den fünf Mitgliedern behielt nur Kardinal Tauran seinen Posten. Der bisherige Vorsitzende Kardinal Bertone schied aus. Neu berufen wurden Staatssekretär Parolin, der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, Kardinal Thomas Christopher Collins (Toronto) und der Erzpriester der römischen Kirche Santa Maria Maggiore, Kardinal Santos Abril y Castillo.


Das Vorgehen Franziskus' ist daher bei aller an den Tag gelegten Dynamik auch von dem pragmatischen Bestreben geprägt, Umgestaltungsmaßnahmen durch intensive Kommunikation auf eine möglichst breite Basis von Akzeptanz und Konsens (auch unter Einbindung der Ortskirchen) zu stellen, wie an der Vielzahl eingesetzter Reformkommissionen augenfällig wird. Unabhängig von den konkreten Ergebnissen dieser Kommissionen bleibt zudem der restringierende Aspekt bestehen, dass der Papst qua Amt die materielle, also nicht zuletzt auch die finanzielle Basis des Völkerrechtssubjekts sui generis Heiliger Stuhl und des Vatikanstaats als Ausdruck der besonderen Stellung der katholischen Kirche unter den Religionsgemeinschaften mit ihrer immer wieder betonten Mission wohl kaum völlig erodieren kann oder will.


Ralph Rotte (geb. 1968), Dipl.-Politikwissenschaftler und Dipl.-Volkswirt, promovierte und habilitierte an der Universität der Bundeswehr München und ist seit 2001 Professor für Politikwissenschaft / Internationale Beziehungen an der RWTH Aachen.

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Quelle:
Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion,
68. Jahrgang, Heft 2, Februar 2014, S. 65-70
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2014