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KIRCHE/468: Woche für das Leben 2007 - Statement Kardinal Lehmann (DBK)


Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz - 21. März 2007

"Mit Kindern in die Zukunft gehen"

Statement des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Woche für das Leben 2007 am 21. März 2007 in Berlin


Es gilt das gesprochene Wort!

"Mit Kindern in die Zukunft gehen" - Das heißt, Kinder auf dem Weg des Erwachsenwerdens zu begleiten, sie nicht nur materiell zu unterstützen, sondern ihnen Orientierung mitzugeben und für ihre Erziehung und Bildung Sorge zu tragen.

Wertevermittlung und religiöse Erziehung stehen deshalb im Mittelpunkt unserer diesjährigen Woche für das Leben. Wir wollen damit auf ein Thema aufmerksam machen, das für die Zukunft unserer Gesellschaft immer wichtiger wird und doch in den familienpolitischen Debatten um Elterngeld und Krippenplätze allzu oft in den Hintergrund gerät. Wir möchten neue Initiativen anstoßen, die die Erziehungsverantwortung der Eltern stärken. Nicht zuletzt wollen wir auch als Träger einer Vielzahl von Einrichtungen für Kinder und Familien zeigen, welchen Beitrag die Kirchen auf diesem Feld seit vielen Jahrzehnten leisten.

Gerade angesichts der religiösen und kulturellen Vielfalt in unserer Gesellschaft brauchen besonders Kinder Orientierung. Sie haben uns Erwachsenen gegenüber einen berechtigten Anspruch, auch mit ihren religiösen Fragen und Bedürfnissen ernst genommen zu werden. Entwicklungspsychologen und Pädagogen weisen immer wieder darauf hin, wie entscheidend gerade die ersten Lebensjahre für die Formung von Weltsicht und Grundeinstellungen sind. Es kommt darauf an, Kindern konkrete Werte vorzuleben, ihnen zu zeigen, wie ein Leben in Beziehung zu den Mitmenschen und zu Gott aussehen kann. Die prägende Kraft einer stabilen verlässlichen Familie kann hier kaum hoch genug eingeschätzt werden.

Wie das Familienleben konkret gestaltet wird, ist dabei individuell sehr verschieden. Die äußeren Umstände von Erziehung sind so vielfältig wie die Lebensumstände der Familien und so verschieden wie die Kinder. Deshalb ist es notwendig, dass Familien in der Gestaltung ihres Familienlebens Spielraum erhalten. Es muss bei einer echten "Wahlfreiheit" bleiben, wenn es um die Aufgabenverteilung in der Familie und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. Nicht Familien sind an die Arbeitswelt anzupassen, sondern Wirtschaft und Arbeitswelt sind familienfreundlicher zu gestalten. Dazu gehört auch, dass die Erziehungsleistung der Eltern in Politik und Gesellschaft dieselbe Wertschätzung und Anerkennung erhält wie die Erwerbsarbeit. Familien dürfen weder offen noch unterschwellig zu einem einheitlichen Modell gedrängt werden.

Vielen Eltern liegt es aus guten Gründen am Herzen, die frühen Jahre intensiv mit ihren Kindern zu verbringen. Und was ist, wenn ein Kind chronisch krank ist, wenn es sich langsamer entwickelt als andere oder wenn es aus irgendeinem anderen Grund mehr elterliche Zuwendung braucht als andere Kinder? Eltern müssen hier die Möglichkeit haben, ihre Kinder über längere Zeit selbst zu betreuen. In anderen Familien mögen stärker die ökonomischen oder beruflichen Notwendigkeiten im Vordergrund stehen. Dann sind die Eltern froh, einen guten Krippenplatz für ihre Kinder zu finden, der die Fortführung der Berufstätigkeit ermöglicht. Die Erfordernisse und Handlungsmotive der einen gegen die der anderen auszuspielen, macht keinen Sinn. Die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Familien brauchen Handlungsspielräume und Zeit, sie brauchen Ermutigung und Unterstützung, nicht nur durch die Familienpolitik, sondern durch die ganze Gesellschaft.

Um Eltern bei der Erziehung zu unterstützen, engagieren sich die Kirchen seit jeher sehr intensiv in diesem Bereich.. Etwa die Hälfte der bundesdeutschen Kindergärten und Kindertagesstätten und 72,3 % der von freien Trägern angebotenen Plätze in Kindertagesstätten befinden sich in Trägerschaft der evangelischen und der katholischen Kirche. Das sind 1.2 Millionen Plätze in 18.000 Einrichtungen. Die Arbeit der Kirchen in diesem Bereich beschränkt sich jedoch bei weitem nicht allein auf die institutionelle Kinderbetreuung. Familienbildung, Familienerholungsstätten, Erziehungsberatung, Elternbriefe, verschiedene Angebote der Familienseelsorge von der Krabbelgruppe über den Kleinkindergottesdienst bis hin zu Familienexerzitien: All dies sind Angebote, die Familien in ihrer Erziehungsaufgabe unterstützen und das Kind als ganzen Menschen im Blick behalten. Denn Erziehung muss neben der Förderung der körperlichen und mentalen Entwicklung auch Orientierung in den Fragen des richtigen Handelns und nicht zuletzt der religiös-spirituellen Ausrichtung menschlichen Lebens leisten.

Das beachtliche Angebot darf nicht vergessen lassen, wie schwierig die Lebens- und Erziehungssituationen von Eltern manchmal sind und wie schwer es oft ist, dass die Unterstützungsangebote gerade auch diejenigen Eltern erreichen, die sie besonders benötigen. Deshalb ist es immer wieder notwendig, zu prüfen, was Kinder und ihre Eltern brauchen, auf welchen Wegen sie erreicht werden und wie sie befähigt werden, mit den Angeboten eigenverantwortlich umzugehen. Mit viel Kreativität arbeiten unsere kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daran, konkrete Hilfen anzubieten, neue Wege der Vermittlung zu beschreiten und Eltern wie Kindern eine Unterstützung in Erziehung und Bildung zu sein.

Gerade im Hinblick auf die religiöse Erziehung stehen viele Eltern heute vor großen Schwierigkeiten. Sie sind angesichts der weltanschaulichen Meinungsvielfalt, die ihnen täglich medial angeboten wird und angesichts eines oft brüchigen Verhältnisses zur eigenen Tradition verunsichert. Sie wissen nicht recht, was sie in religiösen Fragen selbst denken sollen und glauben dürfen. Ihren Kindern wollen sie gerne einen positiven Zugang zum Glauben eröffnen, weil sie intuitiv erkennen, wie sehr Urvertrauen und letzter Halt das Leben von Kind auf zu prägen vermögen. So stehen viele Eltern recht zaghaft vor der Frage, wie sie vom Glauben sprechen, ihn den Kindern verstehbar und erlebbar machen können.

Kinder fragen ganz unbefangen nach den großen Themen des Lebens: "Woher komme ich?", "Wo wohnt der liebe Gott?" Elternkurse wie z. B. "Kess-erziehen", die in der katholischen Familienbildung entwickelt wurden, unterstützen Eltern darin, gemeinsam mit ihren Kindern nach Antworten zu suchen und aus dem christlichen Lebenswissen heraus ihren Familienalltag zu gestalten. 16.000 Eltern wurden von dem Kursangebot "Kess-erziehen" bereits erreicht und jeden Tag kommen derzeit im Durchschnitt 25 Eltern hinzu.

Auch in unseren Kindertageseinrichtungen müssen wir immer wieder neu unser Augenmerk auf die religiöse Erziehung richten. In unserer pluralen Gesellschaft treten im Alltag immer wieder Wertekonflikte auf, die zuweilen schwierig zu lösen sind. Wie können etwa christliche Feste gefeiert werden, ohne Kinder mit einem anderen religiösen Hintergrund auszuschließen oder einfach zu vereinnahmen? Oder wie können Kindern fundamentale Werte wie mitmenschliche Solidarität oder der Schutz von Schwächeren vermittelt werden, wenn es in unserer Gesellschaft sonst oft darum geht, sich um jeden Preis durchzusetzen? Der Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) nimmt sich derzeit schwerpunktmäßig dieser Fragestellungen an. So findet am 18./19.06.2007 eine Fachtagung statt, bei der in Rückbindung an christliche Orientierungswerte tragfähige Lösungen für den Umgang mit Wertekonflikten herausgearbeitet werden sollen.

Oft sind es gerade die kleinen und einfachen Dinge, die sich als hilfreich und weiterführend erweisen. Aus Anlass dieser Woche für das Leben wurde beispielsweise ein kleines Faltblatt erstellt, das Eltern dazu ermutigt, ihre Kinder zu segnen und Anlässe, Möglichkeiten und Segenssprüche dazu beschreibt. Über diözesane Familienreferate wird das Faltblatt an Familien weitergegeben und erlebt dort eine erfreulich hohe Nachfrage: Mittlerweile wurde bereits eine Gesamtauflage von 350.000 Exemplaren erreicht.

Die bundesweite Eröffnung der Woche für das Leben am 21. April in Bremen wird auch in diesem Jahr der Auftakt für zahlreiche Initiativen, Veranstaltungen und Gottesdienste in den Diözesen und Landeskirchen sein. Die Materialien, die wir hierzu herausgegeben haben, liegen Ihnen vor. Insbesondere das Themenheft bietet sicher eine Fülle von Anstößen und Anregungen zu unserem Anliegen.

Besonders freuen wir uns über den Rückenwind, den die Woche für das Leben und ihr diesjähriges Anliegen durch die ARD erhält. Von 14.-21. April wird die ARD in Fernsehen, Hörfunk und Internet eine Themenwoche unter dem Motto "Kinder sind Zukunft" durchführen, an die unsere Woche für das Leben nahtlos anschließen kann. So wird die Übertragung des Eröffnungsgottesdienstes der Woche für das Leben am 21. April aus dem Bremer St.-Petri-Dom zugleich einen besonderen Akzent für die ARD- Themenwoche setzen, über den wir uns sehr freuen. In diesem Sinn lade ich Sie schon jetzt sehr herzlich für den 21. April nach Bremen ein.

Hinweis:
Das Statement von Bischof Wolfgang Huber finden Sie im Internet unter www.dbk.de, www.ekd.de oder www.woche-fuer-das-leben.de

Während der Woche für das Leben finden vom 21. bis 28. April in vielen Kirchengemeinden, Verbänden und kirchlichen Einrichtungen in ganz Deutschland Informations- und Diskussionsveranstaltungen sowie Gottesdienste unter dem Motto "Mit Kindern in die Zukunft gehen" statt.

Die Arbeitsmaterialien zur diesjährigen Woche für das Leben sowie Hinweise auf die bundesweite Eröffnungsveranstaltung am 21. April in Bremen mit Karl Kardinal Lehmann und Bischöfin Margot Käßmann finden Sie auch im Internet unter www.woche-fuer-das-leben.de


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 022 vom 21. März 2007
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
Deutsche Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2007