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KIRCHE/694: Zollitsch - "Die Kirche hat der Gesellschaft etwas zu sagen!" (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 20.02.2009

"Die Kirche hat der Gesellschaft etwas zu sagen!"

Erzbischof Dr. Robert Zollitsch nimmt Standortbestimmung der Kirche in der Öffentlichkeit in London vor


"Das Selbstverständnis der Kirche besagt, dass sie nicht für sich selbst da ist; sie ist Kirche für die anderen, Kirche für die Menschen und für die Welt und ihre Einheit, ihre Versöhnung und ihren Frieden." An diese gesellschaftspolitische Bedeutung der Kirche hat heute (20. Februar 2009) der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, auf dem "German Symposium" an der London School of Economics and Political Sciences in London vertreten. Die Veranstaltung stand unter dem Leitwort "Global Challenges - German Perspectives". Zollitsch, der sich für zwei Tage in der britischen Hauptstadt aufhält, war beim "German Symposium" der Abschlussredner. Bereits vor ihm hatten Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, McKinsey-Chef Frank Mattern und der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Michael Sommer gesprochen. Erzbischof Zollitsch warnte in seinem Gastvortrag vor Tendenzen, das kirchliche Handeln ausschließlich auf Diakonie und Soziales zu reduzieren. "Denn worum es Kirche und jedem Christen gehen muss, ist das Leben aus dem Glauben. Und so wie das Leben nun einmal alle Lebensvollzüge umfasst, so sieht und versteht der Christ alle diese Lebensvollzüge im Licht des Glaubens", so Zollitsch. Die Sorge und Verantwortung für den Menschen sei jedoch nicht gleichbedeutend mit einer Politisierung der Kirche, sagte der Erzbischof.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz betonte in London gleichzeitig, dass die Kirche eine Verpflichtung habe, sich aktiv auf allen Ebenen in der Gesellschaft einzusetzen, denn die Kirche habe der Gesellschaft etwas zu sagen. "Kirche will nicht selbst Politik machen, Kirche will Politik möglich machen. Hier wird die Verpflichtung zum Dialog deutlich, einem Dialog mit Gesellschaft, Wirtschaft und Politik über die Grundlagen einer menschenwürdigen und gerechten Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung", sagte der Erzbischof.

Erzbischof Zollitsch würdigte das gute Verhältnis zwischen Staat und Kirche in Deutschland. Es sei ein Verhältnis der Freiheit voneinander, "die zahlreiche Formen der Kooperation gestattet, solange keiner die Freiheit des anderen beschneidet. Die Trennung von Religion und Staat gehört zu den wichtigen Errungenschaften der modernen Entwicklung. Sie ist eine zentrale Bedingung, dasmit das Leben und Zusammenleben in einer freien Gesellschaft gelingen." Zollitsch wandte sich gegen die in Deutschland öfters erhobene Forderung, ein neues modernes Recht der Religionsfreiheit zu schaffen. "Es gibt ein bewährtes und freiheitliches Gesetzeswerk, das auch im neuen religiösen Pluralismus tauglich ist. Was uns aber besorgt, sind Tendenzen in der Rechtssprechung und Gesetzgebung, in Bezug auf die Religionsfreiheit eher deren sogenannte negative Dimension zur Geltung zu bringen, also das Recht, nicht religiös vereinnahmt zu werden. Die katholische Kirche befürwortet eine möglichst starke, positive Religionsfreiheit als Freiheit zum öffentlichen Bekenntnis", so der Erzbischof.

Vor den Teilnehmern des "German Symposiums" würdigte Erzbischof Zollitsch auch die Regelung des Vertrags von Lissabon, wonach die Europäische Union die mitgliedsstaatlichen Regeln im Verhältnis zwischen Religion und Staat respektiert und mit den Religions- und Weltanschauungsgesellschaften einen strukturierten Dialog führt: "Wie der aussehen soll, ist noch unklar. Wir drängen auf substantielle Gespräche, die nicht bloße Kosmetik sind."

Während seines Aufenthaltes in London traf der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz zu politischen Gesprächen mit Vertretern der Deutschen Botschaft zusammen. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz von England und Wales, dem Erzbischof von Westminster, Kardinal Cormac Murphy-O'Connor, erörterte Zollitsch aktuelle bioethische Fragen, die derzeit in Großbritannien diskutiert werden. Dazu zählen die anstehende Novellierung des britischen Embryonenschutzgesetzes, die Präimplantationsdiagnostik und die im Dezember 2008 ausgestrahlte Fernsehdokumentation über einen begleiteten Suizid, die eine breite öffentliche Debatte in Großbritannien ausgelöst hat. Anlässlich seines Besuchs in London war Erzbischof Zollitsch auch Gast der deutschsprachigen katholischen Pfarrgemeinde St. Bonifatius. Mit Seelsorgern und Gemeindevertretern erörterte er die gegenwärtige pastorale Situation der großen deutschen Auslandsgemeinde.


Hinweis: Die Rede von Erzbischof Dr. Zollitsch auf dem "German Symposium" finden Sie im Internet unter: www.dbk.de


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 020 vom 20. Februar 2009
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
Deutsche Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2009