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KIRCHE/861: Käßmann - Mut zu Vertrauen, Gerechtigkeit und Solidarität (EKD)


Evangelische Kirche in Deutschland - Pressemitteilung vom 24.12.2009

Mut zu Vertrauen, Gerechtigkeit und Solidarität

Weihnachtsbotschaft der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischöfin Dr. Margot Käßmann


Alles ist gut. Es ist Weihnachten. Spätestens am Heiligen Abend, so wünschen sich viele Menschen, sollen die Mühen unserer Welt aufgehoben sein.

Aber leider ist nicht alles gut. Erinnern wir uns an das vergangene Wochenende. Das kann nicht schöngeredet werden: Der Klimagipfel in Kopenhagen ist gescheitert. Gescheitert an mangelndem Mut, an mangelnder Entschlossenheit und am Egoismus vieler. Das ist nicht nur blamabel, sondern dramatisch. Denn nur durch eine internationale gemeinsame Strategie zur Eindämmung des CO2-Ausstoßes kann die Klimaerwärmung gestoppt werden. Und nur so können wir den Planeten Erde bewahren für nachwachsende Generationen.

Nichts ist gut in Sachen Klima, wenn weiter die Gesinnung vorherrscht: Nach uns die Sintflut!

Aber auch im sozialen Bereich sehen wir in Deutschland besorgniserregende Entwicklungen, vor allem bei der Kinderarmut. Das Armutsriko von Kindern unter 15 Jahren ist in den vergangenen Jahren überproportional angestiegen. Diese Kinderarmut äußert sich zuweilen auf subtile Weise. Kürzlich erzählte mir eine Mutter, dass die Klasse ihres 15-jährigen Sohnes einen Ausflug ins Ausland gemacht habe. Sie konnte das erforderliche Geld nicht aufbringen. Die Klasse wollte ihn unbedingt dabeihaben und alle haben sich bemüht, das notwendige Geld aufzutreiben. Aber der Sohn wollte nicht mitfahren, weil er sich zu sehr geschämt hat, dass andere für ihn bezahlen. Selbst als der Lehrer anrief, ließ sich ihr Sohn nicht umstimmen. Er blieb als Einziger zuhause.

Nichts ist gut, wenn es in einer Gemeinschaft so schwer, so beschämend ist, Hilfe anzunehmen.

Ganz anders als dieser Fall, aber auf verschlungene Weise damit verwandt ist der einsame Suizid von Nationaltorwart Robert Enke. Es ist traurig, dass er Angst hatte, seine Depression offiziell behandeln zu lassen. Aber machen wir uns nichts vor: Wenn seine Krankheit öffentlich bekannt geworden wäre, hätte er kaum weiter Nationaltorwart bleiben können. Dass sein Tod so viele Menschen berührt hat liegt wohl auch daran, dass Robert Enke stellvertretend für die Ängste vieler steht. Sie wurden an die Abgründe der eigenen Angst erinnert. Der Angst nämlich, nicht mehr mitzuhalten und nicht mehr eine Fassade von Größe, Schönheit und Stärke aufrechtzuerhalten.

Nichts ist gut, wenn bei uns durchgängig eine Atmosphäre der Gnadenlosigkeit herrscht und alle immer stark sein müssen - wie unmenschlich!

Dürfen wir uns in einer solchen Welt auf Weihnachten freuen? Aber ja! Denn die Weihnachtsfreude blendet Leid und Kummer in der Welt nicht aus. Im Stall von Bethlehem, von dem Lukas berichtet, war wahrhaftig nicht alles gut. Jesus wurde in Armut geboren. Der Vater ahnt, dass eine Flucht bevor steht, die junge Mutter ist allein in der Fremde. Den Hirten, wohl Tagelöhner, sagt der Engel: "Fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige euch eine große Freude." Und dann singen die Engel: "Ehre sei Gott in der Höhe und den Menschen ein Wohlgefallen und Friede auf Erden." Das ist ein Kontrastprogramm - hier die Verzagtheit, der Kummer, da die Verheißung.

Christinnen und Christen glauben, dass in dem Kind in der Krippe Gott selbst Mensch wurde - mit Haut und Haaren, mit Freud und Leid. Weihnachten sagt: Gott ist kein einsamer Himmelsherrscher, sondern mitten unter uns wie ein Freund oder eine Schwester, wie ein Mensch, der etwas weiß von den Höhen und Tiefen des Lebens, von Glück, aber auch von Ängsten und Sorgen. Dieser Glauben macht uns so froh, dass wir davon "singen und sagen" wollen, wie es Martin Luther in seinem bekannten Weihnachtslied ausdrückt. Dieser Glaube führt gewiss nicht dazu, dass alle Mühen und Ängste und Fragen unserer Welt aufgehoben sind. Aber die Weihnachtsbotschaft kann diese Welt mit ihren vielen Sorgen verwandeln. Sie kann uns Mut machen, dass wir auf die Märkte und Straßen dieser Welt gehen, um dort für Vertrauen, Gerechtigkeit und Solidarität zu streiten.

Ja, es ist längst nicht alles gut auf unserer Welt. Aber wenn wir die Weihnachtsbotschaft ernst nehmen, dass Gott zu uns kommt, können wir mit gutem Grund hoffen. Gegen alle Widrigkeiten und allen Pragmatismus können wir uns unerschrocken und unverzagt dafür einsetzen, dass unsere Welt sich verändert zu mehr Gerechtigkeit und Frieden. Bis eines Tages Gottes zukünftige Welt kommt, in der alle Tränen abgewischt sind. Dazu macht uns die Weihnachtsbotschaft der Engel vom Frieden auf Erden Mut.

Hannover, 23. Dezember 2009
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick/Silke Römhild


*


Es gilt das gesprochene Wort!

Landesbischöfin Dr. Margot Käßmann,
Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)

Weihnachtspredigt, 24. Dezember 2009

Marktkirche Hannover


In diesem Jahr habe ich mehrere Weihnachtskarten mit dem Motto "Alles wird gut" erhalten. Das ist offenbar eine ganze Serie, herausgegeben von einer Fernsehmoderatorin. "Alles wird gut!" Ist das die Weihnachtsbotschaft, habe ich mich gefragt. Eine Hoffnung ist das schon. Alles soll gut werden! Es ist Weihnachten. Spätestens am Heiligen Abend, so wünschen sich viele Menschen, sollen die Mühen unserer Welt irgendwie aufgehoben sein.

Und diese Hoffnung packt dann auf wundersame Weise unsere ganze Gesellschaft, so verschieden wir auch sonst sind. In einer Tageszeitung waren letzten Montag die Ergebnisse einer Untersuchung zu "Weihnachtstypen" zu lesen. Fazit: Auch wenn Weihnachten in den unterschiedlichen Milieus verschieden gefeiert wird, gilt offenbar, dass kein anderes Fest die Menschen über alle Milieu-Grenzen hinweg so sehr zu synchronisieren vermag wie das Weihnachtsfest. "Weihnachten macht sich seine eigene Ordnung der Zeit" heißt es. "Am 24. Dezember zwischen 18 und 20 Uhr findet eine ganze Gesellschaft ihren absoluten Ruhepunkt." (Die Welt, 21.12., Hondrich)

Das finde ich natürlich wunderbar. Eine Gesellschaft findet ihren Ruhepunkt! Wie sehr brauchen wir diesen Ruhepunkt. All das Schaffen und Rennen und Besorgen vor Weihnachten steht ja oft in Kontrast dazu. Aber dann wird es tatsächlich Weihnachten. Die Verkäuferin ruft mir zu: Frohes Fest! Der junge Mann an der Kasse sagt: Schöne Weihnachten! Die Parkplatzsuche nimmt ein Ende. Selbst beim Joggen um den Maschsee ist es geradezu menschenleer. Eine Gesellschaft findet ihren Ruhepunkt. Alles ist gut. Das ist ein schönes Gefühl. Und das dürfen wir auch zulassen.

Aber leider ist nicht alles gut. Das ist uns in gesellschaftlichen Fragen in diesem Jahr besonders bewusst. Erinnern wir uns an den Klimagipfel in Kopenhagen - das kann nicht schöngeredet werden: Die Verhandlungen sind gescheitert an mangelndem Mut, an mangelnder Entschlossenheit und am Egoismus vieler. Das ist nicht nur blamabel, sondern dramatisch. Denn nur durch gemeinsames Handeln aller Staaten können wir den Planeten Erde bewahren für nachwachsende Generationen.

Nichts ist gut in Sachen Klima, wenn weiter die Gesinnung vorherrscht: Nach uns die Sintflut!

Nichts ist gut in Afghanistan. All diese Strategien, sie haben uns lange darüber hinweggetäuscht, dass Soldaten nun einmal Waffen benutzen und eben auch Zivilisten getötet werden. Wir brauchen Menschen, die von der Botschaft der Engel her ein mutiges Friedenszeugnis in der Welt abgeben, gegen Gewalt und Krieg aufbegehren und sagen: Die Hoffnung auf Gottes Zukunft gibt mir schon hier und jetzt den Mut von einer anderen Gesellschaft zu reden und mich für sie einzusetzen. Ja, das ist für mich die weihnachtliche Botschaft: Mut zum Frieden gegen alle vorfindlichen Verhältnisse. Manche finden das naiv. Ein Bundeswehroffizier schrieb mir heute Morgen etwas zynisch, ich meinte wohl, ich könnte mit weiblichem Charme Taliban vom Frieden überzeugen. Ich bin nicht naiv. Aber Waffen schaffen offensichtlich auch keinen Frieden in Afghanistan. Wir brauchen mehr Fantasie für den Frieden, für ganz andere Formen, Konflikte zu bewältigen. Da kann manchmal mehr bewirken als alles abgeklärte Einstimmen in den vermeintlich so pragmatischen Ruf zu den Waffen. Vor zwanzig Jahren haben viele Menschen die Kerzen und Gebete in der DDR belächelt...

Nein, es ist nicht alles gut, auch nicht in unserem Land, wenn wir realisieren, dass das Armutsrisiko von Kindern unter 15 Jahren in den vergangenen Jahren überproportional angestiegen ist. Diese Kinderarmut äußert sich zuweilen ganz still im Hintergrund. Da erzählt mir eine Mutter, dass die Klasse ihres 15-jährigen Sohnes einen Ausflug ins Ausland gemacht habe. Sie konnte das erforderliche Geld nicht aufbringen. Die Klasse wollte ihn unbedingt dabeihaben und alle haben sich bemüht, das notwendige Geld aufzutreiben. Aber der Sohn wollte nicht mitfahren, weil er sich zu sehr geschämt hat, dass andere für ihn bezahlen. Selbst als der Lehrer anrief, ließ sich ihr Sohn nicht umstimmen. Er blieb als Einziger zuhause.

Nichts ist gut, wenn es in einer Gemeinschaft es so schwer, so beschämend ist, Hilfe anzunehmen.

Es ist nicht gut, nein, es ist entsetzlich traurig, dass Robert Enke Angst hatte, seine Depression offiziell behandeln zu lassen. Aber machen wir uns nichts vor: Wenn seine Krankheit öffentlich bekannt geworden wäre, hätte er kaum weiter Nationaltorwart bleiben können. Dass sein Tod so viele Menschen berührt hat liegt wohl auch daran, dass Robert Enke stellvertretend für die Ängste vieler steht. Sie wurden an die Abgründe der eigenen Angst erinnert. Der Angst nämlich, nicht mehr mitzuhalten und nicht mehr eine Fassade von Größe, Schönheit und Stärke aufrechtzuerhalten.

Nichts ist gut, wenn bei uns durchgängig eine Atmosphäre der Gnadenlosigkeit herrscht und alle immer stark sein müssen - wie unmenschlich!

Nun werden die Ersten unter Ihnen denken: Was will die Bischöfin? Müssen wir alle nun deprimiert in diesen Abend gehen? Dürfen wir uns in einer solchen Welt gar nicht mehr auf Weihnachten freuen? Aber ja! Wir sind doch Weihnachtschristen. Martin Luther hat dieses Fest geliebt mit seinem Lichterglanz und all der Hoffnung, die es ausstrahlt. Wir können fröhlich feiern, ohne Fassaden. Denn die Weihnachtsfreude blendet Leid und Kummer in der Welt nicht aus! Das ist für mich entscheidend. Im Stall von Bethlehem, von dem Lukas berichtet, war wahrhaftig nicht alles gut. Jesus wurde in Armut geboren. Der Vater ahnt, dass eine Flucht bevor steht, die junge Mutter ist allein in der Fremde. Den Hirten, wohl Tagelöhner, sagt der Engel: "Fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige euch eine große Freude." Und dann singen die Engel: "Ehre sei Gott in der Höhe und den Menschen ein Wohlgefallen und Friede auf Erden." Das ist ein Kontrastprogramm - hier die Verzagtheit, der Kummer, da die Verheißung. Diese Spannung gilt es auszuhalten, bis heute!

Christinnen und Christen glauben, dass in dem Kind in der Krippe Gott selbst Mensch wurde - mit Windeln und Wickeln, mit Haut und Haaren, mit Freud und Leid. Weihnachten sagt: Gott ist kein einsamer Himmelsherrscher, sondern mitten unter uns wie ein Freund oder eine Schwester, wie ein Mensch, der etwas weiß von den Höhen und Tiefen des Lebens, von Liebe und Glück, aber auch von Ängsten und Sorgen. Dieser Glaube macht uns so froh, dass wir davon "singen und sagen" wollen, wie es Martin Luther in seinem bekannten Weihnachtslied ausdrückt. Dieser Glaube führt gewiss nicht dazu, dass alle Mühen und Ängste und Fragen unserer Welt aufgehoben sind. Als Christen sind eben gerade nicht weltfremd oder weltentrückt! Aber die Weihnachtsbotschaft kann diese Welt mit ihren vielen Sorgen verwandeln. Sie kann uns Mut machen, dass wir auf die Märkte und Straßen dieser Welt gehen, um dort mutig für Vertrauen, Gerechtigkeit und Solidarität einzutreten.

Ja, es ist längst nicht alles gut auf unserer Welt. Aber wenn wir die Weihnachtsbotschaft ernst nehmen, dass Gott zu uns kommt, können wir mit gutem Grund hoffen. Gegen alle Widrigkeiten und allen Pragmatismus können wir uns unerschrocken und unverzagt dafür einsetzen, dass unsere Welt sich verändert zu mehr Gerechtigkeit und Frieden. Bis eines Tages Gottes zukünftige Welt kommt, in der alle Tränen abgewischt sind. Dazu macht uns die Weihnachtsbotschaft der Engel vom Frieden auf Erden Mut.

Das ist ja irgendwie auch eine Frechheit: der Verkündigungsengel kommt mit seinen himmlischen Heerscharen, gibt uns die Weihnachtsbotschaft, damit wir wissen, welche Bedeutung das Kind in der Krippe für uns hat. Dann verschwinden die Engel wieder und zurück bleiben Stall, Ochs und Esel, Maria und Josef mit dem besonderen Kind. Und wir, die wir diese Botschaft hören bis heute: Friede auf Erden!

Irgendjemand musste sich dann ja weiter kümmern, das Kind füttern, großziehen, erziehen, ihm Lesen und Schreiben beibringen. Welcher Engel steht denn Maria und Josef bei? Etwa als der 12jährige Jesus im Tempel so ganz merkwürdige Dinge sagt. O ja, Eltern pubertierender Kinder sind da gewiss voller Mitgefühl! Und die Hirten? Ja, sie gehen zurück zur Herde. Aber ist etwas gut geworden, sind die Löhne erhöht worden, die Arbeitsplätze gesichert? Gewerkschaften waren offenbar unbekannt. Und die Weisen aus dem Morgenland, von denen Matthäus erzählt? Von ihnen haben wir nie wieder etwas gehört. Haben sie wohl überlegt, ob sich die Investition in den jungen Mann gelohnt hat? Oder gab es eine Ethik des Genug, die nicht mit Dividende gerechnet hat...

Wurde das Leben der Menschen in dieser Geschichte gut? Gewiss nicht, wenn wir an weltliche Maßstäbe denken. Das Kind wird als junger Mann einen grausamen Tod sterben, die Mutter den toten Sohn im Arm halten. Und doch geht davon eine unbändige Hoffnung aus, dass unser Leben Sinn macht.

Was sich ereignet hat, wovon Lukas erzählt, kommt unserer Lebensrealität sehr nahe! Wir sehnen uns doch alle nach dem, was die Engel verkünden: "Friede auf Erden". Ja, wir alle würden gern ganz persönlich und für diese ganze Welt erfahren, dass das Leben heil werden kann. Danach hört sich die Botschaft doch an: "Euch ist heute der Heiland geboren". Die Realität ist: die Engel sind offenbar wieder weg. Menschen haben Gottes Gegenwart gespürt, erfahren, aber dann war wieder Alltag. Und die Erfahrung: Vieles gelingt, vieles scheitert. Die Welt bleibt unerlöst, es wird nicht alles heil. Das Kind in der Krippe setzt die bessere Welt nicht mit Gewalt durch. Wir hoffen weiterhin auf Gottes Zukunft, so sehr wir hier und jetzt Zeichen von Gerechtigkeit und Frieden setzen wollen. Vielleicht wenigstens besser. Wie singt Xavier Naidoo auf seinem jüngsten Album:

"Alles kann besser werden
Holen wir uns den Himmel auf Erden
Und keiner muss sein Leben mehr gefährden
Einer der kostbarsten Schätze auf Erden"

Nein, noch nicht Gottes Reich, in dem alle Tränen abgewischt sein werden, aber wenigstens Schritte auf dem Weg dorthin...

Im neuen Jahr werden wir als Landeskirche das 1000jährige Jubiläum der Michaeliskirche in Hildesheim feiern, in der HAZ ist sie heute auf Seite 1 groß im Bild. Das Festmotto lautet: "Gottes Engel weichen nie" und lehnt sich an die Bachkantate zu Psalm 91 an: "Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest" (Psalm 91, 11f.). Darin wird die Spannung deutlich, in der wir leben: Menschen haben immer wieder Engel, die himmlischen Heerscharen, erfahren. Aber sie sind nicht greifbar, wir können sie nicht festhalten. Gott lässt sich nicht greifen, nicht auf eine Festplatte speichern, nicht einsperren, auch nicht in Kirchen.

Was aber damals den Hirten gesagt wurde, tröstet und hält uns auch heute: "Fürchtet euch nicht!". Das ist sozusagen die Visitenkarte der Engel.

Wir dürfen darauf vertrauen: Gott will uns begleiten auf allen unseren Wegen - Gottes Engel weichen nie. Es gibt einen Kontrast zwischen Gottes Zusage und unserem unfertigen, unvollkommenen Leben. Das wird an Weihnachten so offensichtlich. Genau das erzählt Lukas: Da ist eine Verheißung spürbar, ein so besonderer Moment, Maria bewegt die Worte in ihrem Herzen - aber die Realität ist knallhart: Geburt in Armut, Besucher der nicht so angenehmen Art, und wenn es denn ein Stall war gewiss auch eine nicht so himmlische Geruchskulisse...

Aber das wissen wir doch alle: Es gibt kein perfektes oder makelloses Leben. Brüche in unserem Leben kennen wir alle. Sie müssen nicht so drastisch sein wie bei Robert Enke. Aber so mancher ertränkt den Leistungsdruck in Alkohol. So manche verstummt nach und nach, weil sie unglücklich ist in ihrer Ehe. Viele Jugendliche verzagen, weil sie keine Perspektive für sich sehen, nach ihrem Platz fragen im Leben.

Deshalb ist es wichtig, einmal still zu werden, zur Ruhe zu kommen. Schön, wenn eine Gesellschaft das noch kann. Wolfgang Dietrich schreibt:

"Es ist ein Gesang in der Welt. Horcht doch!
Selbst die Sterne lauschen herab.
Der Gesang singt zum Leben.
Er nimmt sich Flügel und fliegt bis zum äußersten Ende der Erde.
Da heben die Trostlosen ihr Haupt.
Elende werden heimisch.
Waisen tragen königliche Kronen.
Und selbst aus verdorrten Bäumen weckt der Gesang unverwelkliche Blätter.
Als die Entwurzelten und wir wurzeln uns ein.
Als die Verdorrenden und wir treiben das Blatt.
Als die Saftlosen und wir bringen die Frucht.
Als die Umherirrenden und uns grüßt der Stern."


Hören wir also! Gehen wir unseren Weg von Gottvertrauen getragen auch da, wo wir elend oder entwurzelt sind, wo wir saftlos sind und keinen Weg wissen. Denn unser Leben steht unter der Zusage "Gottes Engel weichen nie" - das feiern wir, das leben wir, davon singen wir. Das ist die Hintergrundmusik für unser Leben, die wir hören und unsere Hoffnung, auf die wir bauen. Nein, es wird nicht immer alles gut werden. Schön, wenn wir glücklich sind. Dann können wir dankbar sein. Aber wir wissen, wie verletzbar unser Glück ist, unsere Beziehungen sind. Da kann es Veränderungen geben, Krankheit, Scheitern und Sterben.

"Alles wird gut" ist viel zu banal. Als Christinnen und Christen sagen wir stattdessen: Alles ist aufgehoben bei Gott. Ich kann darauf vertrauen, dass ich nie tiefer fallen werde als in Gottes Hand. Gottes Engel weichen nie, Gott begleitet mich in den Höhen und Tiefen meines Lebens. Ob ich allein bin oder in Gemeinschaft, fröhlich oder sorgenvoll, erfolgreich oder gescheitert, in ruhiger Bahn oder an einem Wendepunkt. Ich darf mich anvertrauen. Mit Gottvertrauen gehe ich durch mein Leben, ja ich darf das für mein Leben hören: Fürchte dich nicht. Dir verkündige ich große Freude. Dir ist heute der Heiland geboren. Friede sei mit dir.

Das hören annehmen können, bedeutet, gesegnet sein. Dankbar, froh, aber eben auch gehalten, getragen in den Zeiten von Fragen, Auseinandersetzung und innerer Unruhe.

So wünsche ich Ihnen allen gesegnete Weihnachten. Friede sei mit Euch. Amen.


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Quelle:
Pressemitteilung 336/2008 vom 24.12.2008
Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Dezember 2008