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KIRCHE/944: Lutherischer Weltbund - Junge Erwachsene bereiten sich auf Vollversammlung vor (VELK)


Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) - 28. Juni 2010

Junge Erwachsene bereiten sich in Dresden auf LWB-Vollversammlung vor

Treffen findet vom 11. bis 17. Juli mit mehr als 120 Teilnehmenden statt


Dresden/Hannover - Mehr als 120 junge Lutheranerinnen und Lutheraner aus den 140 Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes (LWB) kommen vom 11. bis 17. Juli in Dresden (Deutschland) zusammen, um sich auf die Elfte Vollversammlung des LWB vorzubereiten. Diese findet vom 20. bis 27. Juli in Stuttgart statt.

Die Jugendvorkonferenz greift das Vollversammlungsthema "Unser tägliches Brot gib uns heute" auf. Dabei geht es nicht nur um Nahrungssicherheit, sondern auch um weitreichende gesellschaftliche und religiöse Themen, wie die Bekämpfung von HIV und Aids, illegitime Schulden oder den Klimawandel.

Alle Teilnehmenden der Jugendvorkonferenz werden auch in Stuttgart teilnehmen, entweder als Delegierte oder als Helfer, sogenannte Stewards. Damit die jungen Erwachsenen zwischen dort ihre Anliegen wirkungsvoll vertreten können, bereiten sie sich intensiv vor. "Die Jugendlichen kennen sich bisher nur in ihren Regionen oder über das Internet. Mit der Konferenz sollen sie sich besser kennenlernen, um zusammen eine gewichtige Rolle in Stuttgart spielen zu können", so Pfr. Roger Schmidt, Jugendreferent beim LWB in Genf (Schweiz). Der LWB strebt in Leitungsgremien eine verbindliche Jugendquote von 20 Prozent an.

Im Mittelpunkt der vorbereitenden Konferenz stehen offene Diskussionsrunden, "Open-Space-Einheiten", in denen die Teilnehmenden die Themen entwickeln sollen, die aus ihrer Sicht Priorität für den LWB haben müssen. Welche Themen das sind, könne er nicht voraussagen, so Schmidt: "Wir nehmen die jungen Erwachsenen ernst und geben keine Themen vor. Sie sind die Akteure des Prozesses".

Darüber hinaus finden auch Workshops zum Schreiben von Positionspapieren, zur Entwicklung von Lobbystrategien oder zur Theologie des LWB statt. Auch der LWB-Generalsekretär, Pfr. Dr. Ishmael Noko, und der LWB-Vizepräsident für die Region Afrika, Bischof Dr. Zephania Kameeta von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Republik Namibia (ELKRN), werden an der Konferenz teilnehmen.

Laut Schmidt sei auch genügend Zeit zum Kennenlernen untereinander sowie der Umgebung eingeplant. "Wir haben immerhin Jugendliche aus allen Erdteilen hier. Das muss man nutzen, um eine Gruppe zu werden und Kontakte zu knüpfen." Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens veranstaltet ein Rahmenprogramm, das sowohl die gastgebenden Kirche als auch die Region vorstellt. Beim Eröffnungsgottesdienst am 11. Juli wird die Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, in der Dreikönigskirche predigen.

Hinweis: Weitere Informationen zur Arbeit des LWB sind
unter www.lutheranworld.org abrufbar.

Hannover, 28. Juni 2010
Udo Hahn
Pressesprecher des DNK/LWB


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Das Interview - Ausgabe der "VELKD Informationen" vom 5. Juli 2010:

Christen müssen sich für Nahrungssicherheit weltweit einsetzen

DNK/LWB-Vorsitzender Landesbischof Friedrich erwartet von LWB-Vollversammlung, dass sie die "Stimmen der Schwachen" verstärkt


Frage: Herr Landesbischof, der Lutherische Weltbund ist nach 1952 jetzt zum zweiten Mal zu Gast in Deutschland. Was bedeutet diese Vollversammlung heute für unser Land und für die lutherischen Kirchen?

Johannes Friedrich: Mit der Vollversammlung geraten wir in das Blickfeld der weltweiten Christenheit. Dies ist für uns ein guter Anlass, über unser Christsein in der gegenwärtigen Gesellschaft nachzudenken. Wenn ich Vergleiche ziehe zur gesellschaftlichen Situation, in der die Vollversammlung im Jahr 1952 stattfand, dann sind die Veränderungen außerordentlich: In der Nachkriegszeit mussten Millionen Flüchtlinge integriert werden, die politische Zukunft unseres Landes war ungewiss, der Ost-West-Konflikt nahm bedrohliche Züge an. Heute leben große Teile der Bevölkerung in Wohlstand, der Frieden in Europa scheint langfristig gesichert, Deutschland und seine Kirchen sind weltweit geschätzte Partner. Mit dieser Situationsbeschreibung dürfen wir natürlich nicht unsere Augen davor verschließen, dass für viele Menschen Armut, Arbeits- und Perspektivlosigkeit drängende Probleme sind. Ich gehe davon aus, dass die Delegierten der Schwesterkirchen uns dabei behilflich sein werden, diese dunklen Seiten unserer kirchlichen und gesellschaftlichen Situation deutlicher zu erkennen.

Frage: Wann sind Sie der Arbeit des LWB erstmals begegnet?

Johannes Friedrich: Das erste Mal bin ich dem LWB wohl begegnet, als ich nach Jerusalem kam und die Arbeit in Auguste Viktoria Hospital zur Kenntnis nahm und dann bald in enger Abstimmung mit dem LWB die Renovierung der Kirche in Angriff nahm.

Frage: Was ist für Sie das Besondere an den Aktivitäten des Weltbundes?

Johannes Friedrich: Mich fasziniert, dass in dieser kirchlichen Gemeinschaft die theologische und ökumenische Arbeit eng verknüpft ist mit einer breit angelegten diakonischen Ausrichtung. Diese findet seinen konkreten Ausdruck beispielsweise in der Flüchtlingsarbeit, in der Förderung und Schulung von benachteiligter Frauen oder in der Katastrophenhilfe.

Frage: Und was bringt die Zusammenarbeit mit dem LWB den lutherischen Kirchen bei uns?

Johannes Friedrich: Zunächst einmal eröffnet uns die Mitgliedschaft im LWB die volle Kirchengemeinschaft mit 140 Kirchen in 79 Ländern. Zudem sind wir herausgefordert, uns als Teil oder besser als Glied einer globalen Kirchenfamilie zu verstehen. Und wie in jeder Familie erfahren wir auf diese Weise Wertschätzung und Kritik und damit letztlich eine Erweiterung unserer gesamtkirchlichen Perspektive. Darüber hinaus werden wir als deutsche Kirchen über den LWB hineingenommen in eine weltweite Kirchengemeinschaft, über die wir teilhaben an den internationalen ökumenischen Dialogen mit der römisch-katholischen Kirche, mit der Anglikanischen Gemeinschaft, mit dem Reformierten Weltbund oder mit der Orthodoxie.

Frage: Ist die Betonung des lutherischen Profils heute noch zeitgemäß?

Johannes Friedrich: Ja, natürlich. Fakt ist doch, dass die lutherischen Kirchen weltweit ein wichtiger theologischer und ökumenischer Gesprächspartner sind. Das ist kein Zufall. Beim LWB wird gern die "Faustformel" benutzt, die ich auch oft sage: Lutherisch sein heißt ökumenisch sein. Theologisches Profil und ökumenische Weite gehören unauflöslich zusammen. Der LWB ist dafür ein hervorragendes Beispiel.

Frage: Im Vorfeld der Vollversammlung haben die fast fünfhundert Delegierten aus aller Welt die Möglichkeit, im Rahmen eines Besuchsprogramms Deutschland kennen zu lernen. Was bekommen sie zu sehen? Welchen Eindruck sollen die Gäste in ihre Kirchen mit nach Hause nehmen?

Johannes Friedrich: Die deutschen Mitgliedskirchen des LWB sind sehr unterschiedlicher Natur. Zu ihnen zählen große und kleine Landeskirchen ebenso wie eine klassische Freikirche, nämlich die Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden. Aus diesem Grund werden die Gäste je nach dem Programm, das sie besuchen werden, ein sehr unterschiedliches Bild von der kirchlichen Lage in Deutschland erhalten. Mir persönlich ist am wichtigsten, dass die Gäste wenigstens für wenige Tage unmittelbare Berührungspunkte mit dem kirchlichen Leben vor Ort erhalten, bevor sie im Kongresszentrum in Stuttgart über die Weiterentwicklung des LWB beraten und entscheiden.

Frage: Das Thema der Vollversammlung lautet: "Unser tägliches Brot gib uns heute." Welche Bedeutung hat dieses Motto für Sie?

Johannes Friedrich: Bereits Martin Luther hat in seiner Auslegung der Vaterunser-Bitte das Brot als Gabe für alle Menschen beschrieben und damit die Frage nach der Verantwortung für den Nächsten gestellt. Daraus erwächst auch die Aufgabe der Kirche, ihren Beitrag für die Hilfe in der Not und für die Versöhnung in der Welt zu leisten. Dennoch bleibt diese Bitte auch das Gebet jedes einzelnen Christen. Jede und jeder hat mit dieser Bitte ganz individuelle Erfahrungen gesammelt. Beim Beten dieser Worte werden Menschen sowohl auf die im persönlichen Lebensvollzug anvertrauten Gaben schauen als auch auf den, der von sich sagt, dass er das "Brot des Lebens" ist.

Frage: Wenn nicht alles täuscht, wird Nahrungssicherheit für alle Menschen eine Utopie bleiben. Was können Christinnen und Christen hier tun?

Johannes Friedrich: Diesen Skandal immer wieder zum Thema zu machen und mit all denen zusammen zu arbeiten, die sich mit dieser Zustandsbeschreibung nicht abfinden wollen - das ist und bleibt die zentrale Aufgabe aller Christen. So mussten wir protestieren, als der G8 / G20 Gipfel dies Thema völlig unbeachtet lassen wollte. Der LWB ist über den Weltdienst und die Menschenrechtsarbeit sowohl an der konkreten Armutsbekämpfung als auch an der mehr gesellschaftspolitisch ausgerichteten Arbeit zur Bekämpfung der Armut beteiligt. Beides ist notwendig, beides muss im Kontakt mit anderen Kirchen, Nichtregierungsorganisationen und mit den politisch Verantwortlichen geschehen. Deshalb gilt auch in Zukunft: Jede einzelne Spende wird ebenso dringend gebraucht wie die Überzeugungsarbeit, dass alle Kräfte gebündelt werden müssen, um den Skandal des Hungers und der Armut aus der Welt zu schaffen.

Frage: Neben diesem Thema stehen weitere drei Schlüsselthemen im Vordergrund: Klimawandel, illegitime Auslandsverschuldung, HIV und Aids. Wie kann sich der LWB hierzu Gehör in Gesellschaft und Politik verschaffen?

Johannes Friedrich: Ich weiß gar nicht, ob es darauf ankommt, dass sich der LWB als solcher Gehör verschafft. Wichtig scheint mir zu sein, dass wir im LWB und in seinen Mitgliedskirchen die Themen gründlich beraten, um uns als Kirchen in die jeweiligen Entscheidungsprozesse einzubringen. Dabei ist es unsere erste Aufgabe, die "Stimmen der Schwachen" zu verstärken. Zu den genannten Themen existiert eine Fülle von Expertenwissen, das wir für unsere Beratungen dringend benötigen. Allerdings ist auch darauf zu achten, wer unter den Folgen von Klimawandel und HIV und Aids am stärksten zu leiden hat. Natürlich tangieren die Themen auch uns in Deutschland unmittelbar. Dennoch können wir die Auswirkungen eher eingrenzen, als Menschen in anderen Regionen dieser Welt dies realisieren können. Mit der Finanzkrise hat das Thema der Auslandsverschuldung erstmals Europa unmittelbar erfasst. Der LWB hat sich schon häufig mit dem Thema befasst, meist auf Bitte der Kirchen in Lateinamerika. Für die Europäer blieb es jedoch häufig das "Thema der Anderen". Das hat sich jetzt grundlegend geändert. Die Kirche von Island hat sich bereits mit den Kirchen in Lateinamerika in Verbindung gesetzt, um von ihnen Erfahrungen und Einsichten zum Umgang mit diesem Thema zu erhalten.

Frage: Welche Impulse erwarten Sie generell von der Vollversammlung für die lutherischen Kirchen in Deutschland?

Johannes Friedrich: Für die lutherischen Kirchen in Deutschland hat der LWB immer eine hohe Bedeutung gehabt. Sie schätzen am LWB, dass sie über das Deutsche Nationalkomitee in umfassender Weise an der Ausgestaltung und Willensbildung der Kirchengemeinschaft beteiligt sind. Diese Verbundenheit mit dem LWB wird durch die Vollversammlung "vor Ort" noch gestärkt werden. Ich hoffe aber auch, dass damit die ökumenische Ausrichtung unserer Kirchen insgesamt gestärkt wird. Wir leben zwar in einer globalisierten Welt, aber mir scheint, dass aufgrund der Komplexität der weltweiten Vernetzung, die eine Fülle von Fragen, Problemen und Herausforderungen mit sich bringt, die Verunsicherung und die Konzentration auf den überschaubaren Verantwortungsbereich wächst. Ich gehe mit der Erwartung in die Vollversammlung, dass sie uns wieder die Fragen der Weltchristenheit vor unsere Kirchentüren bringen wird. Und ich wünsche mir, dass sich möglichst viele Türen öffnen und diese Fragen als die Fragen unserer Kirchen wiedererkannt werden.

Frage: 1999 haben der LWB und die römisch-katholische Kirche die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" beschlossen, das einzige evangelisch-katholische Dokument von weltweiter Geltung. Wie kann der LWB die Ökumene mit Rom weiter voranbringen?

Johannes Friedrich: Wie Johannes Paul II. zu Recht festgestellt hat, ist die Gemeinsame Erklärung ein Meilenstein in den Beziehungen zwischen lutherischer und katholischer Kirche. Das gemeinsame Erreichen eines Meilensteins bedeutet, dass ein wichtiger Abschnitt zurückgelegt wurde, aber eine weitere Wegstrecke noch aussteht. Derzeit wird intensiv darüber nachgedacht, eine offizielle Verständigung zum Grundverständnis des Abendmahls bzw. der Eucharistie zu formulieren. Vielen evangelischen und katholischen Theologinnen und Theologen scheint bereits jetzt ein umfassender Konsens möglich. Ich habe den Eindruck, dass diese Form der Annäherung von Meilenstein zu Meilenstein der richtige Weg ist, um die volle Kirchengemeinschaft zu erreichen.


Die Fragen stellte Udo Hahn.

Das Deutsche Nationalkomitee (DNK) des Lutherischen Weltbundes (LWB) vertritt 13 lutherische Kirchen. Neben den acht Gliedkirchen der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) - Bayern, Braunschweig, Hannover, Mecklenburg, Nordelbien, Sachsen, Schaumburg-Lippe und die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) - gehören zum DNK: die Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg, die Pommersche Evangelische Kirche, die Evangelische Landeskirche in Württemberg und die Lippische Landeskirche-Lutherische Klasse. Das DNK/LWB vertritt ca. 12,9 Millionen Gemeindeglieder. Vorsitzender des DNK/LWB ist der Leitende Bischof der VELKD, Landesbischof Dr. Johannes Friedrich (München). Die Geschäftsstelle des DNK/LWB leitet Oberkirchenrat Norbert Denecke. Der Lutherische Weltbund umfasst über 70 Millionen Gläubige in weltweit 140 Mitgliedskirchen.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 28. Juni 2010 und
Das Interview - Ausgabe der "VELKD Informationen" vom 5. Juli 2010
Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD)
Pressestelle, Udo Hahn
Amt der VELKD, Postfach 21 02 20, 30402 Hannover
Telefon: 0511- 27 96 272, Fax: 0511- 27 96 777
E-Mail: hahn@velkd.de
Internet: www.velkd.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2010